Was leistet FOSS und wer zieht einen Nutzen daraus?

10.01.20 / Markus Geller

Markus Geller

Am CERN in Genf sieht man sich vor eine neue Herausforderung gestellt. Nachdem Microsoft das CERN nicht mehr als eine Bildungs- und Forschungseinrichtung ansieht, sind die Kosten für die Lizenzen der diversen eingesetzten Microsoft-Produkte enorm angestiegen. Dies veranlasste die dortige IT-Organisation, sich nach Free-Open-Source-Software (FOSS) Alternativen umzuschauen. 

Eines der ersten Projekte, das jetzt umgesetzt wird, ist der Umstieg von Microsoft Exchange zur Groupware Kopano. Dabei werden ca. 40.000 Postfächer sowie 60TB Daten migriert. 

Die neue Lösung setzt dabei auf einen vollfunktionalen Web-App-Client, der damit auch die Nutzung von Microsoft Outlook überflüssig macht und somit unabhängig vom Betriebssystem überall eingesetzt werden kann.  

Im Rahmen des Projekts MAlt (Microsoft Alternatives) sollen, soweit möglich, zukünftig auch die Windows-Betriebssysteme sowie sämtliche Microsoft-Office- und Team-Kollaborations-Anwendungen durch Open-Source-Lösungen ersetzt werden.  

Das Projekt beim CERN ist dabei schon in eine sehr konkrete Phase getreten. Es gibt diverse Open-Source-Ansätze, die aktuell schon genutzt werden: 

  • Mattermost für Teamchat und File Sharing 
  • OwnCloud als „Privat Cloud“ Dateiablage 
  • Linux für den Desktop, wo es sich anbietet 

Ebenso sind schon Open-Source-Lösungen im Einsatz, die Produkte wie Visio ersetzen sollen (Draw.io) oder JIRA Gantt Chart für das Projektmanagement. 

Wie schon eingangs beschrieben startet jetzt die Migration von Exchange und Outlook zu Kopano, und es gibt sogar schon einen Piloten, der zukünftig die hauseigene UC-Plattform ablösen soll, mittels einer WebRTC basierenden Webtelefonie-Software. 

Die grundlegende Frage aber ist:  

Kann dieses Vorgehen eine wirkliche Alternative zu Microsoft darstellen? 

Die Antwort lautet: Nein. 

Die Gründe dafür liegen auf der Hand.  

Open Source bedeutet lokales Know-how für den Betrieb. Die Software-Häuser, die Open Source vertreiben (Support leisten) sind für große Unternehmen oft zu klein (zu wenig Man Power) und damit als Partner ungeeignet. 

Andererseits wird bei großen Unternehmen die Inhouse-IT als Dienstleister gesehen, die externe Services wie WAN, LAN, UC/Telefonie oder Desktop Services einkauft und steuert, aber de facto keinen wirklichen Zugriff auf Hard- & Software hat und somit auch kein entsprechendes Wissen aufbauen kann, welches aber für Open-Source-Anwendungen benötigt wird. 

Daher liegt der Focus bei fast allen großen Open-Source-Projekten im öffentlichen und akademischen Bereich. 

  • Der öffentliche Bereich sieht sich genötigt, die Abhängigkeit von “Nicht-EU”-Cloud-Anbietern zu reduzieren (s. Bundescloud oder BayernBox) und startet daher eigene Open-Source-Cloud-Plattformen, statt auf Produkte wie Dropbox, Box oder Sharepoint Online zu setzen. 
  • Der akademische Bereich hat ein Problem mit den Lizenzkosten (s. CERN). Andererseits gibt es hier genug Geeks und Nerds, die Linux lieben und solche Lösungen auch semi-professionell betreiben können, was hier oft ausreicht. 

Tut dies Microsoft weh? 

Nein, abgesehen von der Publicity. 

Was sind schon 40.000 Exchange-/Outlook-Lizenzen beim CERN oder 100.000 Sharepoint-Lizenzen für die französische Verwaltung im Verhältnis zu der weltweit installierten Basis? 

Quelle: https://home.cern/news/news/computing/migrating-open-source-technologies 

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