Die Größe oder besser Länge dieses Schutzbandes ergibt sich aus der genutzten MTU Size und der Übertragungsgeschwindigkeit. Als Rechenbeispiel schauen wir uns einmal ein klassisches Ethernet Frame inkl. VLAN Tag nach 802.1Q und Interframe Spacing an. Die Paketgröße beläuft sich dann auf eine Gesamtgröße von 1530 Byte. Davon entfallen 1522 Byte auf das Ethernet Frame und 8 Byte auf das Spacing. Bei einer angenommenen Datenrate von 1Gbit/s ergibt sich folgende Rechnung:
Das Ergebnis zeigt, dass ein Schutzband im Gigabit Ethernet 12,272µs betragen muss. Sollten jedoch Jumboframes oder höhere Übertragungsraten eingesetzt werden, wird sich das Schutzband entsprechend anpassen. Der Nachteil, der mit der Einführung dieser Schutzbänder einhergeht, ist jedoch die Reduzierung des Gesamtdurchsatzes, da während des Ablaufs des Schutzbandes keine Daten übertragen werden können.
Aber auch hier hält der Standard eine Optimierungsmöglichkeit in der Hinterhand: Length-Aware Scheduling.
Length-Aware Scheduling besagt, dass der Switch prognostiziert, ob das zu sendende Frame eine Verletzung des fixen Zeitfensters verursachen würde. Falls ja, greift das volle Schutzband. Wenn nein, wird das Frame gesendet und das Schutzband entsprechend eingekürzt. Voraussetzung ist jedoch, dass der Switch die Größe des Frames vorab kennt, also im Modus Store and Forward operiert und nicht im schnelleren Cut-Through Modus.
Somit wird eine weitere Steigerung des Durchsatzes trotz Schutzbandnutzung erzielt, jedoch können damit nicht alle Nachteile eliminiert werden.
Um diese Nachteile in Gänze zu kompensieren, bzw. den Durchsatz auf dem bekannten Niveau zu halten, hat das IEEE zwei weitere Standards auf den Weg gebracht. Dazu wurden sowohl der Ethernet Standard 802.3 wie auch die Bridging-Spezifikation 802.1 angepasst und erweitert.
Das neue Verfahren trägt die Bezeichnung Frame Pre-Emption und ist in den Standards 802.1Qbu und 802.3br beschrieben. Die Arbeitsweise lässt sich vereinfacht als Fragmentierung auf Layer 2 Basis beschreiben.
Das Schutzband wird zwar weiterhin benötigt, kann aber auf eine minimale Zeitspanne, bzw. Framelänge reduziert werden. Da im Ethernet Standard das kleinste mögliche Paket mit 64 Byte angegeben wird, kann die Teilung eines Frames also nur durchgeführt werden, wenn dieses größer als 128 Byte ist. Resultat der Überlegung ist somit ein Schutzband das maximal 127 Byte (+ 8 Byte Spacing bei 1 Gbit/s) umfasst.
Dies führt, wenn wir unsere Formel ein weiteres Mal anwenden, bei der Nutzung von 1 Gbit/s zu einer Zeitspanne von:
Die Fragmente werden dabei behandelt wie reguläre Frames, was dazu führt, dass über jedes Teilsegment eine CRC32-Prüfsumme generiert wird. Jedoch werden hierbei die letzten 16Bit invertiert dargestellt und somit nur von Geräten verstanden, die ebenfalls Frame Pre-Emption unterstützen. Außerdem ändert sich, zur Markierung der Reihenfolge, der Start of Frame delimiter (SFD).
Abbildung 5: Unterschied zwischen D-RAN und C-RAN
Quelle: Whitepaper New Packet Network Design for Transporting 5G Fronthaul Traffic, A Technical Paper prepared for SCTE – ISBE by Brian Lavallée Senior Director, Portfolio Marketing Ciena Corporation
Der Einsatz dieser Technik bedingt, dass das LLDP von allen Teilnehmern genutzt wird, da hierüber dem Nachbarn angezeigt wird, dass Time Sensitive Networking unterstützt wird. Eine explizite Aushandlung findet dagegen nicht statt und gilt daher auch nur für jeden einzelnen Transportschritt und nicht Ende-zu-Ende.
Somit lässt sich die ungenutzte Wartezeit stark verkürzen und somit der Durchsatz steigern. Die eigentliche Frame-Pre-Emption wird dabei durch die Netzwerkkarte durchgeführt, die anhand der Framelänge und des vorgegebenen fixen Zeitslots entscheidet, ob eine Fragmentierung vorgenommen werden muss.
Sicher fragen Sie sich jetzt, wo diese Technik denn in der Zukunft benötigt wird.
Und die Zukunft ist in diesem Zusammenhang ein entscheidender Punkt. Viele der genannten Entwicklungen sind sehr jung oder final noch nicht standardisiert.
Da gibt es zum Beispiel einen Draft für einen neuen Industriestandard, IEC/IEEE 60802, der sich mit der Einführung von Profilen für die Industrie-Automation beschäftigt. Dieser wurde erst im vergangenen Jahr ins Leben gerufen.
Oder die schon erwähnten Standards 802.1Qbv und 802.1Qav, die auch erst vor kurzem in der aktuellen Form verabschiedet wurden.
Trotzdem warten verschiedene Märkte auf die schnelle Einführung dieser Technologie. Da wäre zum einen der schon eingangs erwähnte Bereich der Industrie-Automation, der auf einen einheitlichen Standard wartet um die Vielzahl von Feldbussystemen und Ethernet-basierten Alternativen abzulösen.
Aber auch der Automobilsektor benötigt dringend neue Lösungen für die Vernetzung von Fahrzeugsystemen.
Die bisher genutzten Systeme wie der CAN-Bus sind in ihrer Leistungsfähigkeit zu limitiert, um neue Technologien wie das autonome Fahren zu unterstützen. Hier würden Netzwerke im Gigabit-Bereich neue Horizonte eröffnen.
Und gerade dieser Bereich ist es dann auch, der mit potenziell hohen Stückzahlen der Komponenten für Time Sensitive Networks verbunden ist. Damit sind eine schnelle Marktakzeptanz zu attraktiven Chip Preisen zu ermöglichen.
Dies ist bisher jedoch alles noch Zukunftsmusik, konkret werden die Anforderungen nach TSN für den Aufbau der 5G-Netze.
Warum ist das so?
Wenn man sich heute den Netzaufbau aktueller Mobilfunkstandards anschaut, so stößt man immer wieder auf Begriffe wie D-RAN, RH, BBU, CIPR oder OBSAI.
Daher müssen wir also vorab klären, was hinter diesen Begriffen steckt.
RH und BBU stehen für Radio Head (also Antenne) und Base Band Unit (Controller). Beide zusammen bilden aktuell ein D-RAN (Distributed Radio Access Network). Zur Kommunikation zwischen RH und BBU kommen aktuell zwei Protokolle zum Einsatz: Common Public Radio Interface (CPRI) oder OBSAI (Open Base Station Architecture Initiative). Die Netzwerkverbindung zwischen RH und BBU wird dabei Fronthaul genannt.
Und genau hier setzt das neue Netzdesign, welches schon mit 4G eingeführt wurde, an.
Statt der D-RAN-Topologie, also dem verteilten Aufstellen von Antenne und Controller, wird jetzt auf die C-RAN-Variante umgestellt.
C-RAN (Centralized Radio Access Network) bedeutet, dass aus dem RH ein RRH (Remote Radio Head) wird, also eine Antenne, deren Controller nicht in der Nähe der Sendeeinheit platziert ist. Die BBU ist nun ein Controller, der zentral eine Reihe von RRH-Einheiten bedienen oder besser steuern kann.
Da aber mit der Zentralisierung der BBU’s die Strecken zwischen Radioeinheit und Controller länger werden und die BBU statt bisher eine nun mehrere Antennen steuern muss, besteht im Fronthaul ein akuter Handlungsbedarf.
Dieser Handlungsbedarf tritt deutlich hervor, wenn man bedenkt, dass zwischen dem RRH und dem BBU ein optisches Netzwerk zum Einsatz kommt, welches auf Ethernet-Technik basiert.
Die mit 5G auf der Funkseite zu erwartenden Datenmengen können im Fronthaul nur mit Netzen bedient werden, die 10 Gbit/s und mehr zur Verfügung stellen. Die einzige etablierte Technik dafür ist Ethernet.
Zudem erfordert ein Protokoll wie RoE (Radio over Ethernet), welches CIPR in Ethernet encapsuliert, ein deterministisches Netzwerkverhalten, eine garantierte Latenz, sowie Übertragung ohne Paketverluste, was wiederum nur mittels TSN sicher zur Verfügung gestellt werden kann.
Wie Sie also unschwer erkennen können, ist Time Sensitive Networking eine Technologie, die durchaus ein Marktpotenzial aufweist, wenn auch nicht zwingend in unseren klassischen LAN- und WAN-Umgebungen.
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