Diese Kommunikationsinfrastruktur wird im Wesentlichen auf IP basieren und aus Folgendem bestehen:
- Internetanschluss,
- Elektronik zum Aufbau von leitungsgebundenen oder funkbasierenden Netzwerken (u.a. Switches, Router, WLAN Access Points und Ähnlichem),
- einer Datenverkabelung,
- einer Stromversorgung und
- natürlich einer entsprechenden Betriebsinfrastruktur.
In Anbetracht des massiven Drucks der Öffentlichkeit sind in ganz Deutschland die Schulträger aufgewacht und beabsichtigen – möglichst kurzfristig – eine „passive Infrastruktur“ aufzubauen, um die kurzfristig bereitgestellten digitalen Endgeräte nutzen zu können. Da es hier überwiegend um Installationsmaßnahmen geht, die von Handwerksbetrieben durchgeführt werden, ist klar, dass zeit- und ressourcenaufwändige Planungen, Ausschreibungen und Realisierungen in Kauf genommen werden müssen.
Den meisten ist bewusst, dass die Nachrüstung und insbesondere die Planung der Datenverkabelung und Stromversorgung bei einem überwiegenden Teil der Schulen mit einem Aufwand verbunden ist, der nicht mehr nur durch Hausmeister oder engagierte Lehrer zu bewältigen ist. Eine professionelle Fachplanung muss her, die möglichst kostengünstig und schnell durchgeführt werden kann. Als Vertragsmodell bietet sich die Honorarordnung der Architekten und Ingenieure (HOAI) an, welche eine Planung in mehrere Leistungsphasen unterteilt und neben der Honorierung auch – zumindest sehr grob – die Planungsergebnisse beschreibt.
Eine erste Beschäftigung mit der HOAI zeigt, dass ganz am Anfang die Ermittlung des Bedarfs steht (u.a. Gegenstand der Leistungsphasen 1 bis 2 bzw. 3). Dies bedeutet u.a. konkret:
- Ermittlung der Räume und Flächen, wo „Datendosen“ benötigt werden
- Ermittlung der Räume und Flächen, wo „Schukosteckdosen“ benötigt werden
- Erste Sichtung, ob die vorhandenen IT-Technikräume noch Platz haben, um die zusätzlichen Datenanschlüsse im Verteilerschrank unterzubringen
- Erste Sichtung, ob die vorhandenen Elektrounterverteiler noch Platz haben, um die zusätzlichen Steckdosen(-Stromkreise) im Verteilerschrank unterzubringen
Teilweise existiert die Vorstellung, dass man ohne ingenieurmäßige Fachplanung, also quasi in Eigenregie der Schule, die Dosen für Daten und Strom einfach in einem Grundriss erfassen und eine „Grobplanung“ selber durchführen kann – möglichweise sogar auch noch die „Entwurfsplanung“. Die Vorteile wären:
- Einsparung von 2 oder gar 3 Leistungspaketen, die sonst unter Zuhilfenahme von Ingenieurbüros durchgeführt werden müssten sowie
- Beschleunigung der Planungen.
Doch ist das richtig? Muss in diesen Leistungsphasen nicht mehr getan werden, als die Dosen einzutragen?
Anhand der nachfolgenden Beschreibung wird deutlich, dass insbesondere die Planung der zusätzlichen Stromversorgung weit mehr ist, als nur die Erfassung der Anzahl und Lage der benötigten elektrischen Anschlüsse.
Ausbau der Energieversorgung zur Digitalisierung der Schulen
Ausgangsbasis ist die Annahme, dass in einer Grundlagenermittlung eine Bedarfsanalyse gemacht worden ist und final feststeht, in welchen Räumen an welchen Punkten zusätzliche Stromanschlüsse mit welcher elektrischen Leistung benötigt werden. Jetzt muss klar sein, dass man nicht einfach die bestehenden Stromkreise um die zusätzlichen Anschlüsse „verlängert“, und das im Sinne von „man lässt vom Elektriker eine neue Steckdose einfach an eine vorhandene Steckdose anschließen“. Warum geht das nicht?
Die bestehenden Stromkreise sind für konkret ermittelte Maximallasten ausgelegt worden, häufig zu einem Zeitpunkt, wo Netzwerktechnik kaum bekannt war und moderne IT-Geräte in der Schule noch nicht genutzt wurden. Jeder einigermaßen technisch versierte Leser wird wissen, dass diese zusätzlichen Geräte zu einer Erhöhung des bestehenden elektrischen Leistungsbedarfes führen. Um diese Erhöhung bewerten zu können, muss zunächst einmal der bisherige Leistungsbedarf inklusive des Aufbaus des auch bisherigen Niederspannungs-Verteilernetzes bekannt sein. Dies kann man theoretisch aus einer Dokumentation ermitteln, sofern sie vorhanden und aktuell ist. Gerade bei älteren Schulen ist erfahrungsgemäß davon nicht auszugehen. Wie gelangt man dann an diese Informationen?
Es ist eine umfangreiche Bestandsaufnahme notwendig, die nicht nur den einzelnen Stromkreis oder die nächste Unterverteilung erfasst, sondern bis in die Niederspannungshauptverteilung (NSHV) ausgeweitet werden muss. Dabei ist unter anderem zu klären:
- Sind die Kabel-/Leitungsquerschnitte ausreichend?
- Sind die Absicherungen und ihre Abstufungen (Fachbegriff Selektivität“) ausreichend?
- Sind die Hauptschalter, FI’s, LS-Schalter und Klemmen ausreichend?
- Wäre in den Unterverteilern (UV) oder in der NSHV überhaupt Platz für zusätzliche Sicherungen oder Klemmen vorhanden?
- Welche weiteren Maßnahmen sind aufgrund von aktuellen VDE-Normen notwendig, die in Zusammenhang mit einer Nachinstallation anfallen könnten, aber im eigentlichen Sinne mit der Ergänzung von IT-Stromanschlüssen nichts zu tun haben?
Die Ermittlung dieser Informationen kann nur dazu speziell ausgebildetes Fachpersonal durchführen, und das kostet Zeit. Diese Planungsleistung kann aber nicht erst in der Leistungsphase 5 (Ausführungsplanung) erfolgen, denn die Durchführung der Leistungsphase 5 setzt einen machbaren Entwurf einer technischen Lösung voraus. Dies wiederum muss spätestens das Ergebnis der Leistungsphase 3 (Entwurfsplanung) sein. Es schließt ebenfalls eine erneute Betrachtung von verschiedenen Varianten in der Ausführungsplanung aus. Die muss vorher erfolgt sein – wie auch die Entscheidung für eine der Varianten.
Zur weiteren Erläuterung nachfolgend ein Zitat aus der Leistungsbeschreibung für die Entwurfsplanung nach HOAI: „Berechnen und Bemessen der technischen Anlagen und Anlagenteile, Abschätzen von jährlichen Bedarfswerten (z. B. Nutz-, End- und Primärenergiebedarf) und Betriebskosten; Abstimmen des Platzbedarfs für technische Anlagen und Anlagenteile; Zeichnerische Darstellung des Entwurfs in einem mit dem Objektplaner abgestimmten Ausgabemaßstab mit Angabe maßbestimmender Dimensionen, Fortschreiben und Detaillieren der Funktions- und Strangschemata der Anlagen; Auflisten aller Anlagen mit technischen Daten und Angaben zum Beispiel für Energiebilanzierungen, Anlagenbeschreibungen mit Angabe der Nutzungsbedingungen.“
Konsequenzen
Die Leistungsphase 3 bzw. Entwurfsplanung erforderte erhebliche Planungsleistungen, was zum einen honorartechnisch bewertet werden muss und zum anderen Zeit kostet. Liegen keine ausreichenden Dokumente vor, so muss neben der reinen Ist-Erfassung auf Basis von Vor-Ort-Begehungen zusätzlich eine umfangreiche messtechnische Überprüfung eingeplant werden. Auch diese ist zeitintensiv. Eine solche messtechnische Überprüfung ist keine „normale“ Grundleistung einer HOAI-Fachplanung für diese technischen Gewerke und muss ggf. gezielt ausgeschrieben bzw. als sogenannte „Besondere Leistung“ zusätzlich vereinbart werden.
Um die Komplexität dieser Messung zu veranschaulichen, nachfolgend ein Auszug aus der Ergebnistabelle, die solch eine Verbrauchsmessung einer Schule anzeigt (diese Tabelle hat noch 15 weitere Spalten mit Informationen!):
Mit folgenden Ergebnissen muss gerechnet werden:
Best Case: Die vorhandenen Stromkreise erlauben eine Ergänzung um weitere Steckdosen/Verbraucher ohne zusätzliche Installationsmaßnahmen. Dies ist aufgrund der bisherigen Erfahrungen kaum zu erwarten.
Worst Case: Neben der weiteren Verlegung neuer Zuleitungen in die Flächen mit den benötigten Anschlüssen muss eine Anpassung der vorhandenen Stromverteilanlage (vorhandene UV´s umbauen / erweitern / neu bauen; NSHV umbauen / erweitern / neu bauen; Kabel und Leitungen ergänzen / neu verlegen) erfolgen.
Notwendige Planungs- und Installationsmaßnahmen werden teilweise laienhaft wirtschaftlich bewertet und der terminliche Einfluss wird zudem auch noch völlig falsch eingeschätzt. Gerade eine eventuell notwendige Neuplanung eines zusätzlichen Elektrounterverteilers oder der Umbau einer UV / NSHV kann den oftmals sehr schmalen zeitlichen Installationskorridor massiv beeinflussen; dann reichen z.B. die kurzen Oster- oder Herbstferien nicht mehr aus, um Daten- und Stromverkabelung anzupassen.
Fazit
Das technische Gewerk der Stromversorgung wird bei der Betrachtung zur Digitalisierung der Schulen völlig unterschätzt. Dies gilt sowohl für die Ermittlung der technischen Anforderungen, der notwendigen Rahmenbedingungen des Bestands, des Aufwands der notwendigen Planungen als auch für die sich daraus ableitenden Investitionen. Machen Sie sich frühzeitig Gedanken dazu und binden Sie das in Ihre wirtschaftlichen und terminlichen Planungen der Projekte ein, denn Digitalisierung bedeutet mehr als nur Planung einiger Datenkabel.
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