Quantencomputer haben disruptives Potenzial und könnten nach dem aktuellen KI-Hype das nächste große Thema werden. Insbesondere der drohende Q-Day gefährdet derzeitige Verschlüsselungsverfahren und macht es notwendig, schon jetzt aktuell zu werden. Mitten im Sommer hat nun ein Treffen der IBM Quantum Community DACH stattgefunden. Die wichtigsten Neuerungen auf dem Gebiet der Quantencomputer von IBM fasse ich hier zusammen.
An einem der heißesten Tage des Jahres bin ich trotz 35°C durch die Kölner Innenstadt gelaufen – da wünscht man sich doch glatt auch in einem Kryostaten stehen zu können. Zugegeben, die Temperaturen in einem Kryostaten – das ist gewissermaßen ein Supergefrierschrank, der Temperaturen von etwa -270°C erreichen kann – sind für einen Menschen doch etwas zu niedrig. Ein solches Gerät für ultrakalte Temperaturen braucht man allerdings, wenn man einen Quantencomputer auf der Basis von supraleitenden Schaltkreisen baut. Und das ist der Weg, den IBM mit seinem Programm zu Quantencomputern verfolgt. Das Treffen der IBM Quantum Community in Köln war auch der Grund, weshalb ich mich durch die Hitze bewegte.
IBM Roadmap
Auf diesem Treffen berichteten die Experten von IBM zuerst über die neusten Updates über ihre Roadmap zur Quantentechnologie. Daran sieht man zum Beispiel, dass IBM den Einsatz von Quantencomputern (QC) in greifbarer Nähe sieht. Zum Beispiel enthält die QC-Roadmap folgende Daten:
- 2025: Nighthawk Quantum Computer mit 133 Qubits und höherer Konnektivität der Qubits
- 2026: Erste Beispiel-Anwendungen, die QC und HPC integrieren
- Bis 2028: Weitere Skalierung der Nighthawk-Architektur bis 1080 Qubits und 15.000 Gate-Operationen
- 2029: Erster fehlertoleranter QC basierend auf der Starling-Architektur
- Ab 2033: Erreichen der vollen Kraft des Quantencomputing mit der Blue-Jay-Architektur mit mehr als einer Milliarde Gate-Operationen und 2.000 logischen Qubits
Die aktuelle Nighthawk-Architektur setzt dabei auf ein neues Layout als die Vorgängerversion Heron. Eine wesentliche Änderung ist der Wechsel vom sogenannten „heavy-hex layout“, in dem die Qubits in einem Bienenwabenmuster angeordnet sind, zu einem quadratischen Gitter. Dadurch hat jedes Qubit mehr Nachbarn, was die Vernetzung auf dem Chip erhöht. Langfristig soll mit Starling bereits ab 2029 ein fehlertoleranter Quantencomputer realisiert werden.
Dabei werden mehrere physische Qubits zu einem fehlerkorrigierten logischem Qubit verschaltet. Dadurch wird die notorisch instabile Quanteninformation länger verfügbar, und es können mehr Rechenoperationen (also Gate-Operationen) durchgeführt werden. Und ohne funktionierende Fehlerkorrektur wird der Q-Day – der Tag an dem Quantencomputer leistungsfähig genug sind, um heutige asymmetrische Verschlüsselung zu knacken – nicht kommen.
Durchbrüche bei der Quantenfehlerkorrektur
Um nützliche Quantencomputer zu realisieren, muss also Fehlerkorrektur realisiert werden. Qubits verhalten sich dabei anders als klassische Bits, sodass sich die bekannten Algorithmen zur Fehlerkorrektur nicht einfach übertragen lassen. Die Grundidee bleibt allerdings auch in der Quantenwelt dieselbe: Man kombiniert mehrere Qubits und setzt darauf, dass es unwahrscheinlich ist, dass eine Störung zwei Qubits gleichzeitig betrifft. Noch unwahrscheinlicher ist es, dass drei Qubits gleichzeitig gestört werden – und noch unwahrscheinlicher, dass vier Qubits gleichzeitig betroffen sind. Dieses Prinzip lässt sich so beliebig fortführen. Mit immer mehr Verknüpfungen zwischen Qubits kann somit eine immer bessere Fehlerkorrektur erreicht werden.
Die Algorithmen, die die Fehlerkorrektur der Quantencomputer übernehmen, müssen dies schneller erledigen als die Quantencomputer rechnen. Nimmt man supraleitende Qubits, ist diese Zeit sehr kurz – und zwar so kurz, dass das Ausführen auf klassischen CPUs zu langsam wäre.
Hier wurde nun ein neuer Algorithmus vorgestellt [1] und im Rahmen des Treffens in Köln diskutiert. Dieser Algorithmus erlaubt es, diese Korrekturoperationen deutlich schneller durchzuführen. Damit kann, so zumindest die Theorie, mit spezialisierter Hardware (z.B. ASICS oder FPGAs) die erfolgreiche Fehlerkorrektur umgesetzt werden.
Ein wichtiger Stein auf dem Weg zum fehlerkorrigierten Quantencomputer ist damit aus dem Weg geräumt. Mit fehlerkorrigierten Qubits können deutlich längere und komplexere Quantenalgorithmen ausgeführt werden. Die magische Grenze von einigen Tausend logischen (also fehlerkorrigierten) Qubits scheint somit nicht mehr unendlich weit in der Zukunft zu liegen. Zum Vergleich: Um die asymmetrische RSA-Verschlüsselung mit einer Schlüssellänge von 2048 Bits mithilfe von Quantencomputern knacken zu können, werden etwa 4.000 logische Qubits benötigt.
Auf den Q-Day muss man sich schon heute vorbereiten
Das Zeitalter der Post-Quanten-Kryptographie ist also vielleicht schon näher als gedacht. Das bedeutet, dass man sich bereits jetzt vorbereiten muss. Die derzeit weit verbreitete asymmetrische Verschlüsselung wird mit leistungsfähigen Quantencomputern angreifbar. Zudem lassen sich verschlüsselte Daten heute speichern und erst in ein paar Jahren mit Quantencomputern entschlüsseln. Man muss sich also frühzeitig auf das Szenario „store now – decrypt later“ vorbereiten.
Zum Glück gibt es auch heute schon Lösungen, um kryptographische Agilität umzusetzen. So kann man die vor etwa einem Jahr veröffentlichten NIST-Algorithmen nutzen.
Wie die Gespräche beim Treffen der IBM Quantum Community mir wieder gezeigt haben, tut sich viel auf dem Gebiet der Quantentechnologien. Nützliche Quantencomputer sind kein weit entferntes Zukunftsszenario mehr, sondern könnten noch näher liegen als man bisher dachte. Daher können wir es uns nicht leisten, Däumchen zu drehen. Sonst schmilzt die Sicherheit unserer verschlüsselten Daten so schnell dahin wie ein Eis an einem heißen Sommertag.
Quellen
[1] Tristan Müller et al., Improved belief propagation is sufficient for real-time decoding of quantum memory, arXiv:2506.01779 (2025). https://doi.org/10.48550/arXiv.2506.01779





