aus dem Netzwerk Insider November 2025
Das Ladekabel für Elektrofahrzeuge (EV, Electric Vehicle) ist mehr als ein einfacher Stromleiter. Es handelt sich um eine hochentwickelte, sicherheitsrelevante Systemkomponente, die eine kontinuierliche bidirektionale Kommunikation der Ladestation mit dem Elektrofahrzeug aufrechterhält, um den Ladevorgang präzise zu steuern und zu überwachen. Eine Fehlfunktion in dieser kritischen Verbindung kann nicht nur den Ladevorgang verhindern, sondern auch zu schwerwiegenden Schäden am Fahrzeug oder der Ladeinfrastruktur führen und im schlimmsten Fall lebensgefährliche Situationen wie Brände oder Stromschläge verursachen.
Dieser Blog liefert eine systematische Anleitung, wie die Integrität dieser entscheidenden Komponente überprüft werden kann, mit einer klaren Abgrenzung zwischen den Prüfschritten für technisch versierte Laien und den normativ vorgeschriebenen, tiefgehenden Prüfungen für qualifizierte Fachkräfte.
Sicherheit und Zuverlässigkeit von EV-Ladekabeln
Die Relevanz einer solchen systematischen Prüfung wird durch statistische Daten untermauert. Eine Studie des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) aus dem Jahr 2020 zeigt, dass von den insgesamt 2500 durchgeführten UVV-Prüfungen (UVV: Unfallverhütungsvorschrift) an Ladekabeln für Elektrofahrzeuge 15 % aufgrund von Mängeln aus dem Verkehr gezogen oder zwingend zu reparieren waren. Diese überraschend hohe Fehlerquote belegt, dass die potenziellen Gefahren durch defekte Ladekabel real sind, und unterstreicht die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überprüfung, die über eine rein optische Inspektion hinausgeht. Für Arbeitgeber und Betreiber von E-Fahrzeugflotten hat dies erhebliche Auswirkungen.
Die Wartung und wiederkehrende Prüfung von Ladekabeln ist keine optionale Vorsichtsmaßnahme, sondern eine gesetzliche Verpflichtung gemäß der DGUV-Vorschrift 3 (ehemals BGV A3), die die Sicherheit am Arbeitsplatz gewährleisten soll. Eine Vernachlässigung dieser Pflicht kann zu rechtlichen Konsequenzen führen. Aus diesem Grund ist eine umfassende Betrachtung der Thematik unerlässlich, die nicht nur die technischen Aspekte der Prüfung, sondern auch die zugrunde liegenden Sicherheits- und Rechtsnormen beleuchtet.
Aufbau eines Ladekabels und die Rolle der Kommunikation
Das Herzstück der modernen Ladeinfrastruktur in Europa ist der Typ-2-Stecker, der sich durch eine flexible Anwendbarkeit im ein- bis dreiphasigen Betrieb auszeichnet und eine sichere, signalgesteuerte Verriegelung bietet. Die Funktionalität des Kabels basiert auf einem komplexen System aus insgesamt sieben Kontaktstiften, die in zwei Hauptgruppen unterteilt sind.
Die erste Gruppe umfasst fünf Hauptleiter, die für die eigentliche Energieübertragung zuständig sind:
- Drei Außenleiter (L1, L2, L3): Diese sind für die Übertragung von Wechselstrom im dreiphasigen Netz verantwortlich.
- Ein Neutralleiter (N): Dieser dient als Rückleiter für den Stromkreis.
- Ein Schutzleiter (PE): Der Schutzleiter ist die wichtigste Sicherheitsader. Er leitet im Fehlerfall gefährliche Fehlströme sicher ab und dient als Referenzpunkt für die Niederspannungssignale, die über die Kommunikationsadern übertragen werden.
Die zweite, ebenso entscheidende Gruppe besteht aus zwei Signalleitern:
- Control Pilot (CP): Dieser Signalleiter ist für die Steuerung der Kommunikation zwischen der Ladesäule und dem Fahrzeug verantwortlich. Über ein Pulswellenmodulationssignal bei 1 kHz teilt die Ladestation dem Fahrzeug den maximal zulässigen Ladestrom mit. Gleichzeitig signalisiert das Fahrzeug über Widerstandswerte an der CP-Leitung seinen Status (z. B. angeschlossen, ladebereit) an die Ladestation. Eine bemerkenswerte Designentscheidung gemäß der Norm IEC 61851-1 ist, dass der CP-Pin der kürzeste am Stecker ist. Dadurch wird der Kontakt zuerst getrennt, wenn der Stecker während des Ladevorgangs entfernt wird – die Stromzufuhr bricht sofort ab und verhindert gefährliche Lichtbögen.
- Proximity Pilot (PP): Über den PP-Kontakt wird dem Fahrzeug und der Ladesäule mitgeteilt, für welche maximale Stromstärke das Ladekabel ausgelegt ist. Dies wird durch einen festen Widerstandswert zwischen dem PP-Pin und dem PE-Pin realisiert. Diese Widerstandskodierung ermöglicht es der Ladestation, den Ladestrom automatisch zu regulieren, um eine Überlastung des Kabels zu verhindern. Ein Fehler in dieser PP-Leitung oder am zugehörigen Widerstand kann direkt dazu führen, dass die Ladesäule den Ladevorgang entweder mit einem falschen Ladestrom beginnt oder mit einem Fehlercode wie z.B. dem Code 405 (Kabel wird nicht unterstützt) vollständig ablehnt.
Die systematische Prüfung eines Ladekabels baut auf dem Verständnis dieser Pin-Belegung auf. Während eine Durchgangsprüfung an den Hauptleitern die physikalische Integrität der Adern überprüft, ist die Messung des PP-Widerstands eine spezifische und entscheidende Diagnose, die direkt mit den Fehlermeldungen der Ladesäulen korrespondiert. Die Interpretation des komplexen CP-Signals ist hingegen nur mit spezialisierten Werkzeugen möglich – dies markiert die Grenze zwischen Selbstprüfung und professioneller Diagnose.
Visuelle und mechanische Prüfung (Schritt 1)

Die erste und wichtigste Phase der Überprüfung ist die sorgfältige visuelle Inspektion des gesamten Kabels und seiner Stecker. Es wird empfohlen, das Kabel vollständig abzurollen und auf externe Beschädigungen zu untersuchen.
- Kabelisolierung: Die gesamte Länge der Kabelisolierung ist auf Risse, Schnitte, Knicke, Ausfransungen oder andere Verformungen zu überprüfen. Solche Schäden können ein Hinweis auf eine beschädigte innere Isolierung sein, die das Risiko eines Kurzschlusses oder Stromschlags erhöht. Besondere Aufmerksamkeit sollte den Stellen in der Nähe der Stecker geschenkt werden, da diese durch die Bewegungen beim Steck- und Ziehvorgang die am stärksten beanspruchten Bereiche sind.
- Steckergehäuse und Kontakte: Die Stecker an beiden Enden des Kabels sind auf Brüche oder Risse im Gehäuse zu untersuchen. Die elektrischen Kontakte (Pins) müssen ebenfalls überprüft werden. An ihnen dürfen weder Korrosion noch Verformungen oder Fremdkörper sichtbar sein. Darüber hinaus muss die mechanische Verriegelung der Stecker, die das unbeabsichtigte Entfernen während des Ladevorgangs verhindert, auf ihre Funktion geprüft werden. Hier kann ein Defekt dazu führen, dass das Kabel in der Ladesäule oder im Fahrzeug nicht mehr sicher verriegelt oder nicht mehr entriegelt werden kann.
Grundlegende elektrische Messungen mit dem Multimeter (Schritt 2)
Wenn die visuelle Prüfung keine Mängel aufzeigt, aber ein Fehler vermutet wird, kann ein Multimeter für eine grundlegende elektrische Messung herangezogen werden. Es folgt eine Anleitung, wie ein solcher Durchgangstest durchgeführt werden kann.
- Vorbereitung des Messgeräts: Das Multimeter muss für die Widerstandsmessung (Ω-Symbol) oder die Durchgangsprüfung (Signalton-Symbol) eingestellt werden. Die Messleitungen sind korrekt einzustecken: das schwarze Kabel in die COM-Buchse und das rote in die VΩ-Buchse. Bevor die eigentliche Messung beginnt, sollte durch kurzes Zusammenhalten der beiden Messspitzen die Funktion des Multimeters und der Leitungen überprüft werden. Das Gerät sollte einen Signalton abgeben und einen Widerstandswert nahe bei 0 Ω anzeigen, was einen geschlossenen Stromkreis signalisiert.
- Prüfung der Hauptleiter (L1, L2, L3, N, PE): Der Durchgang jedes einzelnen Hauptleiters muss geprüft werden. Dazu wird eine Messspitze an den entsprechenden Pin an einem Ende des Kabels und die andere Messspitze an den korrespondierenden Pin am anderen Ende gehalten. Das Multimeter sollte bei jedem Leiter einen Signalton ausgeben und einen sehr geringen Widerstandswert anzeigen, was die elektrische Durchgängigkeit der Ader bestätigt. Ein fehlender Signalton oder ein sehr hoher Widerstandswert (im Bereich von unendlich oder „OL“) ist ein klarer Hinweis auf einen Kabelbruch.
- Prüfung des Proximity-Pilot-(PP)-Widerstands: Dies ist eine der wichtigsten Prüfungen, die ein Nutzer selbst durchführen kann. Der Widerstand zwischen dem PP-Pin und dem PE-Pin des Typ-2-Steckers muss gemessen werden. Der gemessene Wert muss mit den in der Norm IEC 61851-1 definierten Widerstandswerten übereinstimmen, die die maximal zulässige Stromstärke des Kabels kodieren.
Eine Abweichung von den in der folgenden Tabelle dargestellten Widerstandswerten, die direkt mit den Fehlercodes der Ladesäule korrespondieren, kann die Ursache für eine Fehlfunktion sein.
| PP-Widerstand (Ω) | Maximale Stromstärke (A) | Typischer Einsatzzweck |
| ∞ Ohm (unendlich) | 0 A | Kein Kabel angeschlossen |
| 1,5 kΩ | 13 A | Kabel f. 1-phasiges Laden |
| 680 Ω | 20 A | Kabel f. 3,7- 7,4 kW Ladeleistung |
| 220 Ω | 32 A | Kabel f. 11- 22 kW Ladeleistung |
Die professionelle Prüfung: Normative Anforderungen und spezialisierte Geräte
Die Messungen mit einem einfachen Multimeter sind zwar nützlich, stoßen jedoch bei der Überprüfung des komplexesten Teils des Ladekabels, der digitalen Kommunikation, an ihre Grenzen.
Das Control Pilot (CP) Signal
Wie bereits erwähnt, signalisiert das Fahrzeug seinen Status über einen Widerstand zwischen dem CP-Pin und dem Schutzleiter (PE). Die korrekte Interpretation dieser dynamischen Signale ist für eine normgerechte Prüfung unerlässlich und erfordert spezialisierte Geräte. Die Norm IEC 61851-1 definiert verschiedene Zustände, die den Ladefortschritt und die Kommunikation steuern.
Ein Multimeter kann diese dynamischen Zustände nicht prüfen oder interpretieren. Ein falsch funktionierendes CP-Signal kann dazu führen, dass das Fahrzeug oder die Ladestation den Ladevorgang nicht startet oder abbricht, was oft durch die Fehlermeldung „Keine Kommunikation mit dem Fahrzeug“ angezeigt wird.
Die Notwendigkeit spezialisierter Prüfgeräte
Die tiefere Diagnose des CP-Signals und die normativ vorgeschriebenen Sicherheitsprüfungen erfordern spezialisierte Testadapter, die das Verhalten eines Elektrofahrzeugs nachahmen können. Solche Geräte, wie beispielsweise der HT Instruments EV-TEST 100, sind keine einfachen Messinstrumente, sondern komplexe Simulatoren, die speziell für die Prüfung von E-Ladestationen und Ladekabeln entwickelt wurden. Mit diesen Geräten lassen sich die verschiedenen Zustände des CP-Signals simulieren und die Reaktion der Ladestation überprüfen.
Die professionelle Prüfung von DC-Ladekabeln (wie CCS oder CHAdeMO), die für das Schnellladen verwendet werden, ist noch komplexer. Diese Systeme basieren auf einer Power Line Communication (PLC) gemäß der Norm ISO 15118, die eine bidirektionale Kommunikation über die CP-Leitung ermöglicht. Diese Norm beschreibt Funktionen wie „Plug and Charge“ für automatische Authentifizierung und Abrechnung sowie Smart-Charging-Fähigkeiten für eine dynamische Preisgestaltung und Netzintegration. Die Überprüfung eines Kabels, das diese Technologie unterstützt, ist somit keine einfache elektrische Messung mehr, sondern eine komplexe Netzwerkdiagnose. Spezielle Prüfgeräte können diese Kommunikation simulieren und analysieren. Darüber hinaus sind für DC-Systeme zusätzliche Sicherheitsmessungen erforderlich, darunter die Überprüfung der Isolationsüberwachung und die niederohmige Durchgängigkeit des Schutzleiters, teilweise mit einem hohen Prüfstrom von bis zu 25 A. Diese Prüfungen stellen sicher, dass das System im Fehlerfall sicher und zuverlässig abschaltet.
Systematische Fehlerdiagnose und Handlungsempfehlungen
Die Identifizierung der Ursache eines Ladefehlers kann komplex sein. Ein systematisches Vorgehen hilft, die Fehlerquelle einzugrenzen.
Eine systematische Fehlersuche sollte immer mit den einfachsten Schritten beginnen und sich dann zu komplexeren Diagnosen steigern.
- Schritt 1: Funktionstest des Kabels und des Fahrzeugs:
Testen Sie das Ladekabel an einer anderen Ladesäule. Startet der Ladevorgang, liegt das Problem wahrscheinlich nicht am Kabel. Verursacht das Kabel auch an einer anderen Säule Probleme, ist es sehr wahrscheinlich defekt. Testen Sie außerdem ein anderes Kabel an der problematischen Ladesäule, um zu überprüfen, ob die Ladesäule selbst defekt ist. - Schritt 2: Visuelle und mechanische Prüfung:
Führen Sie die oben beschriebenen visuellen und mechanischen Prüfungen durch. - Schritt 3: Eigenmessung des PP-Widerstands:
Prüfen Sie den Widerstand zwischen dem PP- und dem PE-Pin. Ein falscher Wert kann die Ursache für Kommunikationsfehler sein. - Schritt 4: Beauftragung einer Fachkraft:
Wenn die vorangegangenen Schritte keine klare Diagnose erbringen, ist die Beauftragung einer qualifizierten Elektrofachkraft der nächste und sicherste Schritt.
Die in einigen Quellen getroffene Aussage, dass die Wartung von Ladegeräten „nicht übermäßig kompliziert“ sei, steht im Widerspruch zu den klaren Sicherheitshinweisen, die davon abraten, defekte Kabel selbst zu reparieren, da dies lebensgefährlich sein kann. Die korrekte Vorgehensweise ist daher die strikte Trennung von Diagnose (die teilweise in Eigenregie durchgeführt werden kann) und Reparatur (die ausschließlich von einer Fachkraft durchgeführt werden darf).
Fazit und abschließende Empfehlungen
Ein Ladekabel für Elektroautos ist ein komplexes, sicherheitsrelevantes Bauteil, dessen einwandfreie Funktion für die Sicherheit von Fahrzeugen und Nutzern von größter Bedeutung ist. Während grundlegende visuelle Überprüfungen und einfache Multimeter-Messungen des Durchgangs und des PP-Widerstands von technisch versierten Anwendern selbst durchgeführt werden können, um die Ursache von Ladefehlern einzugrenzen, stoßen diese Methoden schnell an ihre Grenzen.
Die tiefergehende Diagnose des komplexen CP-Signals und die normativen Sicherheitsprüfungen gemäß DIN VDE 0100-600 und DGUV V3 erfordern spezialisierte Prüfgeräte und die Fachkenntnisse einer ausgebildeten Elektrofachkraft.
Ein Kabel sollte als irreparabel und ersatzpflichtig angesehen werden, wenn:
- Sichtbare Schäden an der Isolierung oder den Steckern vorliegen, die das Risiko eines Stromschlags bergen.
- Ein nachgewiesener Kabelbruch in einer der Hauptadern oder ein fehlerhafter PP-Widerstandswert vorliegt, der eine sichere Ladung verhindert.
- Nach professioneller Diagnose ein Fehler im komplexen Kommunikationsprotokoll (CP-Signal) festgestellt wird, der nicht durch einfache Maßnahmen behoben werden kann.
Angesichts der potenziellen Risiken wird dringend empfohlen, ein defektes Ladekabel nicht selbst zu reparieren. Stattdessen sollten die Nutzer und Betreiber von Elektrofahrzeugen bei einem Verdacht auf einen Kabelschaden immer eine qualifizierte Fachwerkstatt oder einen Elektrofachbetrieb beauftragen, die über die notwendige Ausrüstung und Expertise im Bereich der Elektromobilität verfügen. Die regelmäßige, mindestens jährliche professionelle Prüfung von Ladekabeln, insbesondere im gewerblichen Bereich, ist erforderlich, da Ladekabel zu den ortsveränderlichen elektrischen Betriebsmitteln gehören und somit der Prüfvorschrift DGUV Vorschrift 3 und der Betriebssicherheitsverordnung unterliegen. Dies dient nicht nur der Einhaltung von Vorschriften, sondern ist eine entscheidende Maßnahme zur Vermeidung von Unfällen und Schäden.





