Wer unvorbereitet in die Cloud geht oder ohne Berücksichtigung wichtiger Aspekte einen Anbieter wählt, wird höchstwahrscheinlich zu viel Geld ausgeben. Folgende zwei Beispiele zeigen, worauf es ankommt, damit man nicht mehr investiert, als es nötig ist.
Band Aid 30: über 99% gespart
Bald ist wieder Weihnachten, bald läuft wieder „Do They Know It’s Christmas?“. Der eine oder andere erinnert sich bestimmt noch an den Ursprung dieses Liedes: das Projekt „Band Aid“ von Bob Geldof und Midge Ure aus dem Jahr 1984, mit dem sie Geld für Afrika sammelten. Seitdem hat es einige Wiederauflagen des Projektes gegeben. Auch 2014 zum 30. Geburtstag gab es eine unter dem Namen „Band AID 30“. Anders als in den 80ern gehört heute eine Webseite mit der Möglichkeit zu spenden natürlich zum Pflichtprogramm. Wenn berühmte Musiker mitmachen und das ihren Followern auf Twitter, Facebook und Instagram kundtun, dann muss man bei der Dimensionierung des Webauftritts mit erheblichen Zugriffszahlen rechnen. Natürlich denkt da jeder gleich an eine Cloud–Lösung, damit die Webseite ordentlich skaliert und die Performance stimmt.
Ein erster Entwurf des IT-Teams von Band Aid 30 sah dann auch entsprechend aus (vgl. Abbildung 1):
Bei diesem Entwurf wurde aus dem Vollen geschöpft:
- zwei Cloud-Regionen nahe bei den vermuteten Usern,
- je ein Load Balancer pro Region,
- Autoscaling von virtuellen Maschinen mit imposanter Ausstattung,
- MemCache zur Beschleunigung der SQL-Anfragen,
- je eine SQL-Instanz pro Region optimiert für hohen Durchsatz.
Schaut man sich den Entwurf an, so lacht das IT-Architektenherz … und weint der Geldbeutel. Denn die geschätzten Kosten für diese Architektur aus dem Schulbuch lagen bei rund 10.000 USD pro Monat.
Dann hat man jedoch noch mal darüber nachgedacht, was man wirklich macht. Dabei kam man sehr schnell zu dem Ergebnis, dass dieser Webauftritt quasi statisch ist. Denn die Webseite hat keine dynamischen Inhalte und wird auch selten aktualisiert werden. Für Spenden wurde auf Webseiten von Geldinstituten verlinkt. Als Diskussionsforum wurde der Onlinedienst Disqus genutzt. Warum dann also eine Software wie WordPress einsetzen? Die bietet zwar generell viele Vorteile, die jedoch in diesem Fall gar nicht gebraucht werden.
Geht man von statischen Inhalten aus, implodiert der notwendige Aufwand dramatisch (vgl. Abbildung 2):
Sämtliche Inhalte wurden auf das Google Cloud Storage kopiert und dort online gestellt. Das ist der Speicher, auf dem auch YouTube und Google Play ihre Daten speichern und zum Download bereitstellen. Man kann also von einem hochverfügbaren, sehr gut skalierenden und performanten System ausgehen.
Band Aid 30 hat so statt der geschätzten 10.000 USD pro Monat für den ersten Entwurf nur 9,17 USD gezahlt, was in der Tat einer Ersparnis von über 99% entspricht und das ohne Verlust an Performance.
ComConsult Study.tv: Nur nutzen was nötig ist und nicht, was möglich wäre
Nun werden nur wenige zwar solche immens großen Userzahlen bei kleinen Ansprüchen an ihre Webpräsenz haben. Fast immer benötigt man irgendwelche dynamischen Inhalte:
- Login für User,
- Suchfunktion,
- etc.
Doch selbst dann lässt sich sehr viel Geld sparen, wenn man die geeigneten Funktionen auf die passenden Cloud-Dienste verteilen kann. Ein Beispiel dafür ist unser eigener Web-Auftritt von ComConsult-Study.tv.
Natürlich benötigen wir dynamische Seiten. Zum Beispiel, um das Kunden-Login zu ermöglichen. Trotzdem konnten wir Geld einsparen, als wir vom Selbstbetrieb zur Nutzung von Cloud-Diensten übergegangen sind.
Der Betrieb der Server und der Datenbank ist in der Tat teurer, als es zuvor der Fall war, als wir nur die Hardware gemietet hatten. Die Einsparungen entstehen beim Hosting und Streaming der Videos. Auch hier war es zunächst nötig, sich Gedanken darüber zu machen, was wir wirklich benötigen und nicht, was technisch möglich ist.
Was wir benötigen:
- Beliebig viel Speicherplatz für die Videos,
- Bereitstellung der Videos zum Streaming auf verschiedene Clients,
- Mindestabsicherung gegen unberechtigte Zugriffe.
Das Streaming für verschiedene Clients setzt voraus, dass man den Content sowohl als „echten“ Stream mittels Streamingprotokoll anbietet als auch in einer trickreichen Variante mittels http (Hypertext Transfer Protokoll). Letzteres ist notwendig, damit die Nutzer auch iOS- und Android-Geräte nutzen können. Diese verstehen keine Streamingprotokolle.
Diese Anforderung hat uns in den Jahren vor der Cloud viel Geld gekostet, da wir eigens dazu einen Streamingserver betreiben mussten. Allein die Lizenzgebühren für diese Software lagen im vierstelligen Bereich.
In der Amazon Cloud haben wir das Streaming mittels S3 und CloudFront kostengünstig realisieren können (vgl. Abbildung 3):
- Die Videos werden auf S3 abgelegt, sind aber vom Internet nicht unmittelbar abrufbar.
- Für das Streaming nutzen wir Cloudfront, das Content Delivery Network von Amazon. Dieses bietet von sich aus die Möglichkeit, auf S3 gehostete Videos als Stream oder als http-Download verfügbar zu machen. Zudem kann der notwendige Link dynamisch so angepasst werden, dass er nur für eine IP-Adresse und auch nur für einen begrenzten Zeitraum gültig ist. Damit können wir sicherstellen, dass der Abruf der Videos nur über unsere Seite möglich ist, wo der Link jeweils generiert wird, wenn ein zuvor autorisierter User auf ein Video klickt.
Natürlich wäre ein „echtes“ Digital Right Management wünschenswert, genauso wie ein Autoscaling des Videos je nach Größe des Bildschirmes oder der verfügbaren Bandbreite des Users. All das bietet diese Lösung nicht. Das ist aus unserer Sicht aber auch nicht zwingend erforderlich. Denn ein solches Rundum-Sorglos-Paket, wie es beispielsweise Microsoft in Azure anbietet, kostet pro Monat sehr viel Geld. Auf jeden Fall erheblich mehr als die 1,60 USD pro Monat, die wir zurzeit für das Speichern und die Datenübertragung zahlen.
Fazit
Die Frage, ob man Geld einspart, wenn man in die Cloud wechselt, ist nicht eindeutig zu beantworten. In den meisten Fällen dürfte es teurer werden als der bisherige Eigenbetrieb. Es gibt aber auch Fälle, in denen es günstiger sein kann zu wechseln.
Was die beiden Beispiele jedoch deutlich machen, ist, dass ein gedankenloser Wechsel in die Cloud dazu geeignet ist, hohe Summen an Geld sinnlos auszugeben. Das verhindern kann nur, wer sich vorher klar macht, was er wirklich benötigt und dann die Angebote und Dienste miteinander vergleicht.