aus dem Netzwerk Insider September 2025
„Neues Level der Überwachung: Wifi-Sensing überträgt live ein 3D-Bild der Wohnung. Auch von Personen“. So lautete die Einleitung zu einem Video, das mir ein Freund per Messenger weiterleitete – verbunden mit der Frage, ob an der Behauptung etwas Wahres sei. Zugegeben: Derlei alarmierende Videos tue ich gerne als Unsinn ab. Aber was unter „Wifi-Sensing“ zu verstehen sei, das wollte ich zu gerne wissen. Und siehe da: Bei der Gelegenheit bin ich auf eine Erweiterung des WLAN-Standards gestoßen, die – von uns völlig unbemerkt – inzwischen fertig ist. Die Rede ist von IEEE 802.11bf.
Zunächst habe ich mir jedoch das Video angeschaut. Darin wird erzählt, dass jeder WLAN-Router und jedes Smartphone in der Lage sei, „ein 3D-Bild Deines Raumes und der Nachbarräume anzufertigen, inklusive aller Personen, inklusiver aller Bewegungen, und es nach außen zu transportieren“. Quasi als Beweis erscheint eine Dame, die mir wohlbekannt ist: Claudia Nemat, bis August dieses Jahres Vorstandsmitglied für Technologie und Innovation bei der Deutschen Telekom AG. Auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona hatte ich sie schon einmal live erlebt.
In Ausschnitten wird ein Video gezeigt, in dem sie „WiFi-Sensing“ als zukünftiges Feature der Telekom-Router vorstellt. Das vollständige Video der Telekom können Sie unter [1] anschauen. Demnach erfasst der heimische WLAN-Router Bewegungen im Raum einzig mithilfe der Funkwellen des WLANs, also ohne zusätzliche Sensoren. Benötigt wird offensichtlich mindestens ein weiteres aktives WLAN-Endgerät, wie beispielsweise ein drahtloser Lautsprecher. Dadurch, dass sich jemand zwischen WLAN-Router und Endgerät bewegt, werden die Funkwellen reflektiert oder absorbiert, was letztlich von den WLAN-Adaptern bemerkt wird. Eine „Künstliche Intelligenz“ schließt aus solchen Veränderungen auf bestimmte Objekte, wie z.B. Einbrecher, die sich während Ihrer Abwesenheit dort zu schaffen machen.

Abbildung 1: Triangulation (links) versus Trilateration
Irgendwie kam mir das Thema bekannt vor. Thomas Steil waren vor fast drei Jahren ähnlich alarmierende Berichte aufgefallen, und er hatte darüber in [2] berichtet. Ich hatte das Thema daraufhin in [3] aus technischer Sicht etwas konkretisiert. Es ging darum, dass man beliebige (d.h. nicht zum eigenen WLAN gehörende) WLAN-Endgeräte dazu bringen kann, auf Pakete zu antworten. Über die Laufzeit der Antwort lässt sich auf den Abstand schließen.
Bei dieser Art Angriff handelte es sich um die Ortung fremder WLAN-Endgeräte, deren MAC-Adresse man kennen musste. Bei Claudia Nemat geht es um Objekte ohne WLAN-Adapter, die sich dank WLAN irgendwie orten lassen. Das ist etwas ganz anderes.
Ist „Ortung“ dasselbe wie „Sensing“?
Die Ortung dient dazu, den Ort eines Objekts möglichst genau zu bestimmen. So möchte der Kapitän eines Schiffes wissen, wo sich der nächste Hafen, das nächste Seezeichen, oder auch ein potentieller Kollisionsgegner befindet. Er nutzt dazu verschiedene Ortungsverfahren, wie beispielsweise die optische Peilung oder Funkwellen – „Radio Detecting and Ranging“, auch als Radar bekannt. Er weiß also in der Regel vorab, wonach er sucht. Er erkennt z.B. einen Leuchtturm durch das Fernglas. Oder er erkennt ein Schiff auf dem Radar-Bildschirm anhand einer typischen Signatur.
Die Ortung erfolgt in der Regel auf zwei verschiedene Weisen. Entweder bestimmt man den Winkel zum vorab identifizierten Objekt oder den Abstand dorthin. Kennt man Winkel oder Abstand zu mehreren Objekten, lässt sich eine Position (ein Ort) bestimmen. Ersteres nennt man „Angulation“, Letzteres wird als „Lateration“ bezeichnet. Wie beides mit je drei Objekten auf einer Land- oder Seekarte aussieht, können Sie in Abbildung 1 erahnen.

Abbildung 2: WLAN Fine Timing Measurement
In der Tat hat sich IEEE 802.11 bereits vor gut 10 Jahren dieses Themas angenommen und das sogenannte Fine Timing Measurement (FTM) spezifiziert. Das entsprechende Wi-Fi-Zertifikat lautet „Wi-Fi CERTIFIED Location™“. Hierbei messen die beteiligten WLAN-Stationen mittels genauer interner Uhren die Absende- und Empfangszeitpunkte spezieller FTM-Frames. Die initiierende Station erhält die vom Gegenüber gemessenen Zeitstempel und kann daraus die Round Trip Time (RTT) fast exakt ermitteln. Abbildung 2 illustriert das Prinzip.
Durch mehrere umliegende Access Points mit bekannter Position ermöglicht FTM somit eine Trilateration. Viele WLAN-Management-Systeme konnten das bereits ohne FTM und stattdessen durch Messung der Signalstärke (Relative Signal Strength Indicator, RSSI). Anhand des RSSI lässt sich die Entfernung zu einem Access Point abschätzen. Immerhin konnte ich bei einem Kunden, der ein entsprechendes Management-System betrieb, die Position meines Laptops im Großraumbüro mit einem Fehler von weniger als 10 Metern ermitteln.
Auch Produkte zur Triangulation mittels WLAN wurden schon vorgestellt. Man konnte Access Points kaufen, die im Inneren eine Anordnung mit mehr als 30 Antennen als „Phased Array“ enthielten. Damit war eine recht genaue Winkelbestimmung empfangener Signale möglich. Zugegeben, diese Produkte haben sich nicht durchgesetzt, nicht zuletzt wegen der hohen Kosten im Vergleich zu „normalen“ Access Points.
Fazit: Bei der WLAN-Ortung bestimmt man die Position von Objekten, die einen WLAN-Adapter enthalten und damit kommunizieren. Im Gegensatz dazu geht es beim WLAN-Sensing um das (Wieder-)Erkennen von Objekten, die keinen WLAN-Adapter oder sonstige Funktechnik enthalten.
Übrigens: Obwohl Radar den Ortungsverfahren zugerechnet wird, trägt es Züge des Sensings. Der Betrachter eines herkömmlichen („analogen“) Radarbildes muss aus irgendwie geformten Punkten oder Strichen auf Schiffe, Landmarken, Seezeichen, Wellen oder Wolken schließen. Es gehört eine gehörige Portion Erfahrung dazu. Das kann man mit Rechen-Modellen und Künstlicher Intelligenz unterstützen. So unterscheiden moderne Radargeräte feststehende Seezeichen von fahrenden Schiffen, indem sie die Bewegung der Radarechos in Relation zum eigenen Fahrzeug verfolgen und daraus Kurse und Geschwindigkeiten berechnen.
Wie funktioniert WLAN-Sensing?
Der Begriff „Sensing“ lässt sich etwa als „Abtasten“ oder „Abfühlen“ übersetzen. Um zu verstehen, wie man das mit WLAN machen kann, tauchen wir etwas tiefer in die Physik der Funkübertragung bei WLAN ein.

Abbildung 3: OFDM-Spektrum (vereinfacht)
Bereits seit den Anfängen von WLAN bedient man sich des Verfahrens der Orthogonalen Frequenzmodulation (Orthogonal Frequency Division Multiplex, OFDM). Hierbei werden die Daten nicht auf einen einzelnen Träger aufgeprägt, sondern es gibt derer viele. Jeder dieser Unterträger überträgt Information, ähnlich einer Parallelschnittstelle, wie es sie früher an jedem Drucker gab.
Der Frequenz-Abstand zwischen einzelnen Unterträgern einer OFDM ist der reziproke Wert der Dauer einer Informationseinheit (Symboldauer). Das Spektrum eines Rechteckimpulses – hier eines Symbols – lässt sich mit einer si-Funktion beschreiben. Die benachbarten Unterträger liegen auf den Nulldurchgängen des Spektrums. Mit diesem „Trick<1>“ sorgt man dafür, dass sich nebeneinanderliegende Unterträger möglichst wenig gegenseitig stören; man sagt, die Unterträger sind orthogonal zueinander. Bei WLAN bis einschließlich IEEE 802.11ac (Wi-Fi 5) beträgt die Symboldauer 3,2 µs. Dementsprechend ist der Abstand zwischen zwei Unterträgern 312,5 kHz. Ab Wi-Fi 6 verwendet man vierfache Symboldauer und nur noch 78,125 kHz Abstand. Abbildung 3 symbolisiert die Unterträger einer OFDM als Pfeile.
Nun ist der Funkkanal zwischen zwei Stationen im WLAN in der Regel nicht geradlinig. Stattdessen erreichen Funkwellen ihr Ziel auf mehreren Wegen, weil es in der Umgebung zahlreiche Gegenstände gibt, die sie reflektieren. Bei gut 12 cm Wellenlänge (WLAN bei 2,4 GHz) wirkt jegliches Metall ab der Größe einer Türklin

Abbildung 4: Überlagerung von Wellenfronten
ke als Reflektor. Bilderrahmen, Tischgestelle, Lampen, Uhrarmbänder und sogar die Leitungen in der Wand reflektieren solche Funkwellen.
Wenn Funkwellen derselben Frequenz aus unterschiedlichen Richtungen aufeinandertreffen und sich überlagern, entstehen Interferenzmuster, wie in Abbildung 4 vereinfacht dargestellt. Es gibt somit Orte im Raum, an denen das Funksignal durch Überlagerung verstärkt wird. An anderen Orten wird das Signal schwächer oder gar gänzlich ausgelöscht.
Der Clou an der OFDM ist, dass sich für jeden Unterträger ein etwas anderes Interferenzmuster ergibt, denn jeder Unterträger hat eine individuelle Frequenz und damit eine individuelle Wellenlänge. Der typische Funkkanal mit Reflexionen wie in Abbildung 4 wird dafür sorgen, dass am Empfänger die einzelnen Unterträger mit unterschiedlicher Signalstärke eintreffen. Es könnte sich ein Spektrum, wie in Abbildung 5 oben gezeigt, ergeben. Verschiebt man den Empfänger um ein kleines Stück, ergibt sich vielleicht das darunter gezeigte Spektrum.
In jedem Fall muss man davon ausgehen, dass der Empfänger einer OFDM bei jedem Unterträger eine individuelle Signalstärke messen kann. Dasselbe gilt im Übrigen für die Phasenlage des Unterträgers. Auch sie hängt selbstverständlich von der Wellenlänge, vom Empfangsort und von der Beschaffenheit des Funkkanals ab. Die Matrix, die sich aus Unterträger, jeweiliger Signalstärke und Phasenlage zusammenstellen lässt, beschreibt die Beschaffenheit des Funkkanals bezüglich der OFDM. Man bezeichnet dies als Channel State Information (CSI).
Die CSI wird von WLAN-Adaptern vor allem dazu benötigt, um Informationen bezüglich Beamforming und MIMO (Multiple Input Multiple Output) zu erhalten. Die sogenannten Steuerungs-Matrizen bestimmen, mit welcher Phasenlage welcher Unterträger auf welcher Antenne auszusenden ist. Wenn man also die CSI eines empfangenen Signals kennt, kann man sie dazu verwenden, Daten für den Funkkanal zu dieser Station optimiert auszusenden. „Sounding“ nennt sich dieser Vorgang, d.h. das Ausmessen des Funkkanals zum Kommunikationspartner. Hierfür werden spezielle WLAN-Pakete verwendet, unter anderem die sogenannten Null Data Packets (NDP), Pakete ohne weiteren Inhalt.
CSI wird somit von jedem WLAN-Adapter ermittelt, ob Sie es wollen oder nicht. Und mit entsprechenden Adapter-Treibern lässt sie sich auslesen. In den vergangenen 10 Jahren gab es unzählige Forschungsprojekte, die sich mit CSI und deren Verwendung beschäftigt haben. Ich nenne beispielhaft „PicoScenes“ [4], eine Middleware unter Open-Source-Lizenz, die für Forschungsprojekte zu integriertem Sensing und Kommunikation (Integrated Sensing and Communication) entwickelt wurde.

Abbildung 5: OFDM-Empfang an zwei verschiedenen Orten
Ich habe ein wenig damit herumgespielt. Immerhin konnte ich meinen Linux-Laptop mit Wi-Fi-6E-Adapter dazu bringen, mir CSI in Form von Zahlenkolonnen anzeigen zu lassen. Das ist zugegebenermaßen sehr unübersichtlich. In Ermangelung einer Lizenz für die mathematisch-graphische Entwicklungsumgebung „MATLAB“ blieb es dabei. Wie eine graphische Repräsentation der CSI aussieht, ist in den Videos unter „Gallery“ auf der Website [4] zu sehen.
Sie können sich vorstellen, dass sich der Funkkanal verändert, wenn man Objekte zwischen Sender und Empfänger einbringt. Oder auch nur in deren Nähe. Diese Veränderung macht sich durch Änderungen der CSI bemerkbar.
Fazit: WLAN-Sensing wertet Channel State Information (CSI) aus, um Veränderungen des Funkkanals zwischen WLAN-Sender und Empfänger zu detektieren. Solche Veränderungen können auf bewegte Objekte im Signalweg hinweisen.
Was kann man mit WLAN-Sensing anstellen?
Bei meinen Recherchen stolperte ich über ein Feature namens „SpaceSense“. Sogleich habe ich mir zwei entsprechende Leuchtmittel von Philips „Connected by WiZ“ gekauft. WiZ ist ein Startup, das 2015 in Hong Kong gegründet und bereits 2019 von der Philips-Leuchtensparte Signify übernommen wurde [5]. Im Gegensatz zu den im Wesentlichen auf Zigbee basierenden Leuchten der Marke Hue basiert WiZ auf WLAN. SpaceSense ist ein Bewegungsmelder zur Steuerung der Leuchten. Er basiert ebenfalls auf WLAN.
Und das funktioniert so: Pro Raum werden mindestens zwei Leuchten bzw. Leuchtmittel mit SpaceSense benötigt; empfohlen werden mehr. Und die App ist herunterzuladen. Eine weitere Voraussetzung für die Konfiguration von SpaceSense ist, dass sich alle Leuchten und das Smartphone mit der App in derselben Broadcast-Domäne befinden. Die App warnt den Anwender, wenn das nicht der Fall ist.

Abbildung 6: Konfigurieren von „SpaceSense“ bei Leuchtmitteln von WiZ/Signify
Nun wählt man eine exponierte Leuchte, etwa die Deckenleuchte in der Mitte des Raumes, als „Signallicht“ aus (vgl. Abbildung 6). Alle weiteren Leuchten sind danach als „Prozessoren“ zu bestimmen. Es folgt ein Kalibrierungsvorgang, für den man zunächst den Raum verlassen muss. Nach ca. 30 Sekunden ist die Kalibrierung erledigt. Geht man nun zurück in den Raum, bemerken die Leuchten dies und schalten das Licht ein.
Klar, ich wollte genauer wissen, wie das geht, und habe den Protokollanalysator auf der Luftschnittstelle mitlaufen lassen (Abbildung 7). Die als „Signallicht“ deklarierte Leuchte sendet ununterbrochen Broadcasts mit einer Rate von ca. 30 pro Sekunde. Es handelt sich um WLAN-Action-Frames mit proprietärem Inhalt.
Offensichtlich empfangen die als „Prozessoren“ definierten Leuchten diese Pakete und werten die entsprechende CSI aus. Während der Kalibrierung lernen die Leuchten, was im betreffenden Raum normal ist, wenn sich niemand darin befindet. Veränderung der CSI wird als Bewegung interpretiert. Mit der App lässt sich die Empfindlichkeit der Sensorik anpassen. SpaceSense funktionierte bei mir tatsächlich. Insbesondere stellte sich heraus, dass die Sensorik besser funktioniert, wenn die Leuchten in weniger als 1,5 Meter über dem Boden angebracht sind, also weniger als schulterhoch.
Wie bereits erwähnt, haben sich in den vergangenen Jahren zahlreiche Forschungen des Themas CSI und Sensings angenommen. Sehr anschaulich werden die Möglichkeiten in der Veröffentlichung [6] beschrieben. Dort hat man Experimente mit menschlichen Bewegungen durchgeführt, die im Bereich eines WLAN-Funkkanals ausgeführt werden. Ziel war die Bewertung einer Eignung des WLAN-Sensings zum Erkennen von Unfällen mit Bauarbeitern. In zahlreichen Abbildungen ist zu sehen, wie sich die CSI bewegungsabhängig über der Zeit verändert. Mir hat das eine Idee davon gegeben, was von WLAN-Sensing zu erwarten ist und was möglicherweise nicht.
Fazit: WLAN-Sensing ermöglicht es grundsätzlich, Bewegungen in einem Funkkanal zu erkennen und Aussagen über Stärke und Geschwindigkeit der Bewegung zu treffen. Ein erfahrener Betrachter kann eventuell weitere Aussagen treffen.
Aus welchen Bausteinen besteht eine WLAN-Sensing-Anwendung?
Aufzeichnung und Auswertung von Channel State Information sind die Basis für WLAN-Sensing. Damit für den Anwender etwas Brauchbares herauskommt, wird jedoch noch mehr benötigt. In dieser Hinsicht gibt [7] eine gute Übersicht. Es handelt sich um eine Meta-Studie, in der mehr als 150 Forschungsarbeiten zu dem Thema gesichtet und ausgewertet wurden. Demnach umfasst WLAN-Sensing verschiedene Ebenen, zu denen bislang geforscht wurde (Abbildung 8).

Abbildung 7: Pakete bei SpaceSense
Auf die Messung der CSI folgt eine Signalverarbeitung. Der Funkkanal hat grundsätzlich ein zufälliges Verhalten. Auch ohne sich bewegende Objekte im Raum werden Stärke und Phasenlage der empfangenen Signale in einem gewissen Maße schwanken. Die Herausforderung besteht darin, dieses Rauschen von nützlicher Information zu unterscheiden, etwa der Art: Bewegt sich dort etwas oder ist das nur Rauschen?
Hierfür erfolgt zunächst eine digitale Signalverarbeitung, wie z.B. Transformation in den Frequenzbereich mittels Fast Fourier Transformation (FFT), Filterung und Kompression. Die so erhaltenen Informationen werden mittels unterschiedlicher Algorithmen bewertet. Man möchte also wissen: Was bewegt sich dort? Ist es eine Maus, eine Katze oder ein Mensch?
Die Bewertung kann einerseits über Rechenmodelle erfolgen. Andererseits und inzwischen sehr beliebt ist die Bewertung mittels maschinellen Lernens bzw. „Künstlicher Intelligenz“.
Die aus dem WLAN-Sensing gewonnenen Informationen lassen sich am Ende in Anwendungen verwerten. Das kann die Detektion von Eindringlingen sein [1], eine Alarmierung bei Unfällen [6] oder eine Lichtsteuerung [5]. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Abbildung 8: Phasen des WLAN-Sensings
Fazit: Um WLAN-Sensing sinnvoll nutzen zu können, sind neben einer komplexen digitalen Signalverarbeitung in der Regel Rechenmodelle und Künstliche Intelligenz erforderlich.
Was sagt IEEE 802.11bf zu WLAN-Sensing?
Wie zu erwarten beschäftigt sich die Task Group „bf“ (TGbf) bei IEEE 802.11 vordergründig mit den Spezifika von WLAN. Das umfasst physikalische Effekte der Luftschnittstelle, Protokolle des Medienzugangs (Media Access Control, MAC) sowie Sicherheitsaspekte. Auch die Aufbereitung der Daten ist zu betrachten, d.h. wie letztlich die Carrier State Information (CSI) einem Anwender zur Verfügung gestellt wird. Viele Details hierzu habe ich der Veröffentlichung [8] entnommen.
WLAN-Sensing wird auf der Luftschnittstelle grundsätzlich vom Access Point initiiert. Hierzu verwendet man Trigger Frames ähnlich denen, die Sie bereits von Wi-Fi 6 und OFDMA (Orthogonal Frequency Division Multiple Access) kennen. WLAN-Stationen, die am Sensing teilnehmen möchten, antworten mit Clear to Send (CTS). Danach sind zwei Fälle zu unterscheiden:
- Station ist „Sensing TX“: Der Access Point fordert die Station mittels Trigger Frame dazu auf, ein Null Data Packet (NDP) zurückzusenden. Anhand des NDP kann der Access Point die CSI ermitteln.
- Station ist „Sensing RX“: Der Access Point teilt der Station mittels NDP Announcement Frame mit, dass er anschließend ein NDP senden wird. Anhand des NDP kann die Station die CSI ermitteln.
Abschließend gibt der Access Point den Stationen mittels Trigger Frames die Gelegenheit, ihre Ergebnisse mitzuteilen. Dabei werden verschiedene Formate unterstützt. Abbildung 9 gibt einen Überblick über das Protokoll.

Abbildung 9: Ablauf des WLAN-Sensings gem. IEEE 802.11bf (vereinfacht)<2>
Damit WLAN-Stationen mit Access Points kommunizieren können, verlangt IEEE 802.11 vorab eine Assoziation. Im Rahmen dieses Vorgangs wird insbesondere die Authentizität von der Station bzw. deren Nutzern geprüft und Schlüsselmaterial ausgehandelt. Das alles war und ist Gegenstand ständiger Weiterentwicklung mit dem Ziel, die Sicherheit von WLAN zu gewährleisten.
Leider ist diese so wichtige Voraussetzung ein Hemmschuh des WLAN-Sensings. Insbesondere in ausgedehnten WLANs ist eine Station grundsätzlich dazu in der Lage, Kontakt zu mehreren Access Points aufzunehmen. Im Beispiel der Abbildung 10 wäre das Smartphone am Access Point AP3 assoziiert. Mit diesem kann es WLAN-Sensing entsprechend dem Protokoll aus Abbildung 9 durchführen.
Doch auch mit AP4 und AP5 könnte das Smartphone Kontakt aufnehmen. Für WLAN-Sensing wäre das sinnvoll, denn die Sensorik wird desto genauer, je mehr paarweise Messungen von CSI möglich sind. Wie kann Sensing mit diesen Access Points funktionieren, ohne die Sicherheit zu kompromittieren?
Es wird quasi eine Assoziation mit geringer Funktionalität benötigt. Diese findet sich in der Tat in der Erweiterung IEEE 802.11az-2022 und wird Preassociation Security Negotiation (PASN) genannt (Abbildung 11).
Hierbei annonciert der Access Point die entsprechende Fähigkeit in einem Informations-Element seiner Beacon Frames. Die WLAN-Station kann sich nun über ein Drei-Wege-Handshake an dem Access Point authentisieren, wobei bereits vorhandenes Schlüsselmaterial verwendet wird. Insbesondere muss bereits vorher einmal eine vollständige Assoziation mit dem Access Point bestanden haben, deren Pairwise Master Key (PMK) für die PASN wiederverwendet wird (Sie kennen dieses Konzept bereits vom PMK-Caching).
Sobald die PASN erfolgreich war, kann der Access Point die WLAN-Station zur Teilnahme am Sensing auffordern, wie oben beschrieben.
Fazit: IEEE 802.11bf spezifiziert Protokolle, Datenformate und Sicherheitsmaßnahmen zur Durchführung des WLAN-Sensings auf der Luftschnittstelle. Entsprechende Anwendungen werden nicht spezifiziert.

Abbildung 10: Für Sensing nutzbare Access Points
Welche Anwendungen sind mit WLAN-Sensing denkbar?
Bewegungsmelder zur Lampensteuerung, das Erkennen von Einbrechern und Stürzen hatte ich bereits erwähnt. Auf dieser Basis kann man sich viele weitere Anwendungen vorstellen. Die Veröffentlichung [8] nennt jedoch noch andere Beispiele:
- Tracking: Hiermit ist das Verfolgen von Objekten gemeint. So kann man sich vorstellen, dass die Schallausgabe eines Audiosystems für die jeweilige Position des Zuhörers optimiert wird. Es ist auch denkbar, eine Person zu verfolgen, nachdem sie ein Geschäft oder eine Messehalle betreten hat. Teilt man der Person per App ihren Standort mit, kann man sie entsprechend führen. Aus Sensing wird auf einmal Ortung.
- Gesten-Erkennung: Zur Steuerung von Computerspielen oder fernbedienbarer Werkzeuge kann man mittels WLAN-Sensing die Bewegung der Hände abtasten und entsprechend verwerten.
- Lebenszeichen-Monitoring: Die Bewegung eines Körpers beim Atmen oder Herzschlag, so gering sie auch sein mag, wird den Funkkanal in der Umgebung beeinflussen. Sogar die Atmung mit der aus ihr resultierenden Inhomogenität von Temperatur, Gas- und Feuchtegehalt beeinflusst den Funkkanal. Alles das lässt sich grundsätzlich mittels WLAN-Sensing erkennen.
Alle diese Beispiele haben bislang den begrenzten Raum der Forschung noch nicht verlassen. Ich bin gespannt, was davon am Ende das Licht der Welt erblicken wird. Die Tatsache, dass WLAN-Sensing mit Standard-Hardware (COTS: Commercial off-the-shelf) funktioniert, man also dafür keine neuen WLAN-Adapter benötigt, könnte die Verbreitung solcher Anwendungen erleichtern.
Ist WLAN-Sensing sicher?
Kehren wir zurück zum Anfang: Dass man mittels WLAN-Sensing ein 3D-Bild eines Raumes samt Nachbarräumen inklusive aller Personen und deren Bewegungen anfertigen könne, halte ich gelinde gesagt für übertrieben. Aber ja: Ob sich etwas bewegt, welcher Art die Bewegung und das Objekt sind, und wo sich Objekte befinden, wird sich wahrscheinlich herausfinden lassen.
Auch wird grundsätzlich jeder WLAN-Router und jedes Smartphone zu WLAN-Sensing in der Lage sein. Voraussetzung ist, dass alle diese Geräte entsprechende Software besitzen und sich im selben WLAN befinden. Alle Geräte müssen insbesondere über Zugangsdaten verfügen, um am WLAN-Sensing teilnehmen zu können. Dementsprechend wird es einem Angreifer in der Nachbarschaft schwerfallen, aus meinen WLAN-Endgeräten die fürs Sensing benötigten Informationen – die CSI – auszulesen.

Abbildung 11: WLAN Preassociation Security Negotiation (PASN)<3>
Fazit
Ich will und kann nicht ausschließen, dass mein Nachbar ein eigenes WLAN betreibt, das mittels WLAN-Sensing auch meine Bewegungen detektiert. Es ist wie bei mir zu Hause: Ich höre eben, ob meine Nachbarn anwesend sind…
Verweise
[1] „Wifi Sensing. Schutz durch KI im Router“, Video der Serie „What’s new, Claudia“, Deutsche Telekom, Februar 2025, abgerufen unter: https://youtu.be/rRW4oZRa-lA
[2] „Mit WLAN durch Wände sehen… wirklich?“, Thomas Steil, ComConsult GmbH, November 2022, abgerufen unter: https://www.comconsult.com/mit-wlan-durch-waende-sehen-wirklich/
[3] „Mit WLAN durch Wände sehen… wirklich?“, Dr. Joachim Wetzlar, ComConsult GmbH, Netzwerk Insider Dezember 2022, abgerufen unter: https://www.comconsult.com/mit-wlan-durch-waende-sehen/
[4] „PicoScenes: Enabling Modern Wi-Fi ISAC Research!“, Prof. Zhiping Jiang, abgerufen unter https://ps.zpj.io/
[5] „Signify stellt neue WiZ-Produkte vor“, Pressemitteilung von Signify, Juni 2022, abgerufen unter https://www.signify.com/de-de/our-company/news/press-releases/2022/20220616-signify-presents-new-wiz-products
[6] „Feasibility Analysis of Using Channel State Information (CSI) Acquired from Wi-Fi Routers for Construction Worker Fall Detection.“, Guo, R.; Li, H.; Han, D.; Liu, R., International Journal of Environmental Research and Public Health 2023, 20, 4998, abgerufen unter https://doi.org/10.3390/ijerph20064998
[7] „WiFi Sensing with Channel State Information: A Survey“, Yongsen Ma, Gang Zhou, Shuangquan Wang, ACM Comput. Surv. 1, 1, Article 1, Januar 2019, abgerufen unter https://gzhou.pages.wm.edu/wp-content/blogs.dir/5736/files/sites/13/2017/12/WiFiSenseSurvey_CSUR19.pdf
[8] „An Overview on IEEE 802.11bf: WLAN Sensing“, Rui Du, Hailiang Xie, Mengshi Hu, Narengerile, Yan Xin, Stephen McCann, Michael Montemurro, Tony Xiao Han, and Jie Xu, IEEE Communications Surveys & Tutorials (Volume: 27, Issue: 1), Februar 2025, abgerufen unter https://ieeexplore.ieee.org/document/10547188
Fußnoten
<1> Das Spektrum eines Rechteckimpulses – hier eines Symbols – lässt sich mit einer si-Funktion beschreiben. Die benachbarten Unterträger liegen auf den Nulldurchgängen des Spektrums.
<2> NDP: Null Data Packet; NDPA: NDP Announcement; I2R: Initiator to Responder; R2I: Responder to Initiator; CTS: Clear to Send; SIFS: Short Inter Frame Spacing; CSI: Channel State Information
<3> PASN: Preassociation Security Negotiation; PMK: Pairwise Master Key; PMKID: PMK Identification; MIC: Message Integritiy Code; RSN: Robust Secure Network; RSNE: RSN Information Element





