Aus diesem Grund sorgen Mobilfunk-Provider vor. Bereits vor 15 Jahren hatte ich Gelegenheit, solche sogenannten Last- und Stresstests begleiten zu dürfen. Noch bevor ein neuer Dienst in Betrieb genommen wird, baut man die entsprechende Infrastruktur im Labor auf und „beschießt“ sie mit für diesen Dienst typischen Daten. Man prüft dann, ab welcher Grenze welcher Teil des Dienstes versagt. Manchmal ist es ein Webserver, manchmal ein Authentisierungsserver oder eine Switching-Komponente.
Warum könnte Sie das interessieren? Ihr Unternehmen steht vielleicht nicht so im öffentlichen Rampenlicht wie ein Provider. Aber Achtung! Die fortschreitende „Digitalisierung“ könnte einiges zu Ihren Ungunsten verändern. Ich gebe ein Beispiel:
Moderne PKWs sind heute bereits „digitalisiert“. Sie laden sich eine App auf Ihr Smartphone und können dann z.B. Ihr Fahrzeug aus der Ferne orten, den Zustand der Zentralverriegelung prüfen oder die Standheizung einschalten. Ich hörte von einem Hersteller, bei dem solche Funktionen zeitweise gestört waren. Blöd, wenn eines kalten Morgens zigtausend Autofahrer kratzen müssen, weil es Ihnen nicht gelang, vom Frühstückstisch aus die Standheizung zu aktivieren.
Früher sorgte eine Netzstörung im Werk allenfalls dafür, dass Fahrzeuge „verloren“ gingen (d.h. nicht produziert werden konnten). Heute merkt es – dank „Digitalisierung“ eine große Zahl der Kunden. Und viele weitere Beispiele sind denkbar. Denken Sie nur an moderne Bürogebäude, bei denen zahlreiche Funktionen, vom Lichtschalter bis zur Aufzugsteuerung, von Rechenzentren in einer Cloud abhängen.
Von dem Autohersteller hörte ich übrigens, dass die zentrale Server-Plattform für die PKW-App eine mittlere fünfstellige Zahl von TCP-Verbindungsanfragen (SYN) pro Sekunde verarbeiten muss. So etwas lässt sich im Vorfeld ausprobieren.
Für derlei Tests gibt es spezielle Lastgeneratoren, die sich in Funktion und Leistungsfähigkeit unterscheiden. Ich werde versuchen, Ihnen einen kurzen Überblick zu geben.
Da sind auf der einen Seite die „dummen“ Generatoren; dumm und stark. Es handelt sich im Prinzip um modulare Switches, die man so programmiert hat, dass sie Pakete erzeugen. Man erhält eine konfigurierbare Anzahl von Ethernet-Schnittstellen (1/10/40/100GE), die Pakete entweder anhand einer Vorlage erzeugen oder aber mit einstellbaren Inhalten, also z.B. Ethernet Multicasts, IPv4-Pakete, TCP-Pakete mit gesetztem SYN-Bit, etc.. Hiermit lässt sich die grundsätzliche Leistungsfähigkeit eines Netzes prüfen, also z.B. wie viele MAC-Adressen oder welche Broadcast-Raten unterstützt werden.
Auf der anderen Seite gibt es generische Anwendungssimulatoren. Mit einem solchen Gerät hatte ich damals zu tun. Es handelte sich um eine leistungsfähige Unix-Workstation mit spezieller Software. Auf dieser Basis ließen sich fast beliebige Anwendungen (bzw. das Nutzerverhalten typischer Anwender) modellieren.
Stellen Sie sich hierzu die Anmeldung an einem WLAN-Hotspot vor. Der Anwender ruft eine beliebige Website auf, und das Captive Portal des Hotspots antwortet. Dort ist die Mobilfunknummer einzugeben, und man erhält einen SMS-Text mit einem Zugangscode. Den gibt man im Webbrowser ein und erhält WLAN-Zugang. Abgerechnet wird die Leistung über die Mobilfunkrechnung. All dies konnte mit dem generischen Simulator modelliert werden. Und dann konnte man die Simulation in mehreren Instanzen parallel ablaufen lassen. Mit anderen Worten, 50, 100 oder 1000 simulierte User meldeten sich gleichzeitig an. Irgendwann versagte eine der Komponenten in der WLAN-Plattform.
Ein Zwischending sind Lastgeneratoren, die bestimmten Datenverkehr simulieren. So etwas verwenden wir, um die Eignung von Netzen für VoIP-Pakete zu prüfen. Paare von Endgeräten (genauer: Agenten auf Endgeräten) werden dazu gebracht, die gewünschten Daten auszutauschen. Das können wie gesagt VoIP-Medienströme sein oder auch TCP-Verbindungen. Eine zentrale Konsole fragt regelmäßig Statistiken bei den Agenten ab, also welcher Durchsatz und welche Antwortzeiten erzielt wurden und wie viele Pakete dabei verloren gingen. Man kann Verbindungsparameter modifizieren, etwa eine andere QoS-Klasse oder ein größeres TCP-Window verwenden und den Einfluss auf die Verbindung ermitteln.
Solche Lastgeneratoren gibt es als Software. Agenten sind dann Dienste unter Windows oder Linux. Solche Agenten können auch auf einigen Hardware-Lastgeneratoren installiert werden, die dann nicht mehr ganz so dumm, aber immer noch stark sind. Man könnte damit z.B. prüfen, ob die Infrastruktur so performant ist, dass mehrere Hundert parallele Videos ohne Qualitätsverlust dargestellt werden können. Natürlich werden dabei keine echten Videodaten übertragen, aber das spielt bei dieser Art von Test auch keine Rolle.
Ich weiß nicht, wie die Wahrnehmung Ihres Unternehmens in der Öffentlichkeit ist und ob sie von der Leistungsfähigkeit Ihrer IT-Infrastruktur abhängt. In jedem Fall sollten Sie darüber nachdenken, ob Last- und Stresstests die Verfügbarkeit Ihrer Anwendungen nachweisen könnten, bevor Sie diese ausrollen. Sie ersparen sich im Zweifel einigen Ärger hinterher.