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kell2022 web

LWL-Messung, Grenzwerte richtig setzen

09.10.2025 / Hartmut Kell

Die Glasfaserverkabelung wurde installiert, eingemessen und ist abnahmebereit. Ein wesentlicher Teil der Funktionalität einer Glasfaserstrecke wird mit den Messprotokollen belegt. Damit übernimmt die Prüfung der Protokolle einen entscheidenden Teil der Abnahme. Doch womit vergleicht man die gemessenen Werte des Installateurs? Ist die „Passed/Failed“-Aussage der Messgeräte zur Beurteilung der Strecken ausreichend? Der nachfolgende Blog zeigt, dass man hier sehr vorsichtig sein muss.

Gegenstand der Überprüfung

Im Nachfolgenden beschränken wir uns nur auf die Messung der Einfügedämpfung. Die Länge ist selten ein messtechnisches Problem. Die Messung der Rückflussdämpfung ist normativ nicht zwingend und erfordert ein OTDR-Messgerät.

Die Einfügedämpfung einer abzunehmenden optischen Installationsstrecke setzt sich aus den Steckverbinderdämpfungen, den Spleißdämpfungen und dem Faserbelag bzw. der Faserdämpfung der Strecke zusammen. Es gibt folgende Möglichkeiten bezüglich der grundsätzlich zu überprüfenden Maximalwerte:

Grenzwert = Normwert

Auswahl von normativen Grenzwerten

Abbildung 1: Auswahl von normativen Grenzwerten

Es wird ein Gesamtdämpfungswert festgelegt, der sich z.B. aus der Vorgabe einer Norm ergibt. Das kann beispielsweise die Vorgabe des Übertragungsverfahrens 10GBase-SR4 mit 2,9 dB bei OM4 sein – zu finden in einer IEEE802.3-Norm oder der EN 50173-1. Dieser Wert ist unabhängig von der Länge und den Einzeldämpfungen und stellt damit einen festen Referenzwert dar. Früher gab es in der EN 50173-1 noch das „Kanalmodell“, bei dem für verschiedene Übertragungskanäle feste Maximalwerte definiert wurden. So erlaubte z.B. der Kanal OF300 eine Maximallänge von 300 m und einen Maximaldämpfungswert von 2,55 dB. Dieses Modell kann weiter gewählt werden, auch wenn es normativ veraltet ist.

Vor der Planung und Messung muss festgelegt werden, welche Übertragungsverfahren auf einer Strecke möglich sein sollen. Dieser Grenzwert ist der ausführenden Firma vorzugeben.

Messtechnisch ist das für den Techniker sehr einfach: Er kann bei den meisten Geräten am Messgerät das Übertragungsverfahren auswählen, welches die höchsten Ansprüche hat oder welches vom Auftraggeber gefordert wurde, und das Messgerät prüft „gegen“ diesen Referenzwert.

Grenzwert = Berechneter Wert

Bei der oben beschriebenen Methodik spielen im Prinzip gute und schlechte Einzeldämpfungen keine Rolle, solange der gesamte Streckenwert nicht überschritten wird.

Es ist jedoch durchaus üblich, in Leistungsverzeichnissen oder Pflichtenheften hochwertige Steckverbinder oder „strenge“ Spleißwerte zu spezifizieren. Verwendet man die erste Methode, wird der definierte Grenzwert dem nicht gerecht, denn mit besseren Einzelwerten lässt sich rechnerisch auch immer ein besserer Gesamtwert erreichen (= besser als die Norm). Die meisten Glasfasermessgeräte ermöglichen es, eigene Grenzwerte für Stecker, Spleiße und Fasern im Gerät festzulegen. Trägt man dann noch die Anzahl der Stecker/Spleiße ein (das sollte bekannt sein), kann ein solches Messgerät mithilfe der vom Messgerät automatisch ermittelten Länge ein individuelles Dämpfungsbudget für jede Strecke berechnen und als Grenzwert der „Passed/Failed“-Bewertung zugrunde legen.

Jetzt kommen die Probleme:

  1. Diese Werte müssen dem Installationsunternehmen vorab als Anforderung bekannt sein, da sie im Wesentlichen Gegenstand des Auftrags sind. Im Nachhinein diese Werte zu verlangen, ist rechtlich bedenklich.
  2. Wenn keine Einzelwerte vereinbart wurden, so gilt in der Regel bei den meisten Verträgen die EN 50173-1 als Vereinbarung; diese Norm lässt folgende Werte zu:
    1. Steckerdämpfung 0,75 dB pro Steckverbindung
    2. Spleißdämpfung 0,1 dB pro Spleiß
    3. Faserdämpfung z. B. bei OM3 mit 3,25 dB auf 1000 m.

Damit wären das die vertraglich zugesicherten Einzelgrenzwerte. Jedoch können diese Werte aktuell durchaus als „schlecht“ bewertet werden. Eine Steckerdämpfung von 0,5 dB oder gar 0,35 dB bleibt deutlich hinter der aktuell möglichen Qualität zurück.

Grenzwerte für Multimode-Glasfaser bei reiner Zertifizierung

Abbildung 2: Grenzwerte für Multimode-Glasfaser bei reiner Zertifizierung nach ISO/IEC 11801

  1. Jetzt reicht es nicht, „schärfere“ Werte dem Auftragnehmer mitzuteilen; der muss diese auch im Messgerät verwenden. Wählt er irgendein Messverfahren aus, so basieren oftmals die Einzelwerte auf den oben genannten veralteten, wenig aussagekräftigen Werten. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die gemessenen Strecken als „Passed“ bewertet werden, also „schön“ gemessen sind. Nachfolgend ein Beispiel für die Multimode-Grenzwerte, wenn man rein nach ISO/IEC 11801 zertifiziert.
  1. Erfahrungen zeigen, dass mit korrekten und strengen Grenzwerten der Anteil an „Failed“-Bewertungen extrem zunehmen kann. Sollten das keine Messfehler sein, wie beispielsweise durch verschmutzte Stecker, so ist mit aufwändigen Nacharbeiten und ggf. sogar mit Neuanschluss am Stecker zu rechnen.

Fazit

Zur Vorbereitung der Abnahme von Glasfaserstrecken muss dem Installationsunternehmen nicht nur mitgeteilt werden, wie es die Messung durchzuführen hat (Stichpunkte OTDR, Pegelmessung, 1-Jumper-Prüfung u.ä.), sondern es müssen auch klar die bei der Bewertung heranzuziehenden Grenzwerte kommuniziert werden. Überlässt man dies alleine der ausführenden Firma, besteht die Gefahr, dass die Messung der Strecke bessere Ergebnisse zeigt als die Qualität der Installation.

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