Unified Communications & Collaboration: Welche Lösungen und wofür?

Unified Communications & Collaboration: Welche Lösungen und wofür?

08.08.2019 / Dr. Behrooz Moayeri / Leiter Competence Center Akademie
Thomas Simon / Geschäftsführer und Datenschutzbeauftragter großer Konzerne
Nils Wantia / Leiter Competence Center Kommunikationslösungen

Die Ende Juli 2019 erfolgte Abkündigung von Skype for Business Online durch Microsoft hat eine intensive Diskussion darüber ausgelöst, welche Lösungen eine Organisation für Unified Communications & Collaboration (UCC) braucht und wofür. Im Folgenden wird auf Fragen in diesem Zusammenhang eingegangen.

Quastion-Answer

Ist Teams das neue SAP? Die Arbeitsabläufe in den Unternehmen müssen an die Software angepasst werden, die Anpassung der Software an die Bedürfnisse des Unternehmens gelingt schlicht nicht.

Vor dem Versuch bzw. der Versuchung, die Arbeitsabläufe in Organisationen einem fremdbestimmten Produkt anzupassen, kann nur gewarnt werden. Erstens würde dadurch eine große Abhängigkeit von einem Hersteller und einem bestimmten Produkt entstehen. Zweitens hängen Kommunikation und Arbeitskultur von Fähigkeiten und Präferenzen von Menschen ab. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind Menschen, die während der Arbeitszeit ihre Fähigkeiten für die Organisation nutzen. Der Nutzen für die Organisation wird umso größer sein, wenn jeder Mensch die Fähigkeiten einsetzt, von denen er mehr hat als andere. Simples Beispiel: Einem Menschen, der sich seit Jahren erfolgreich telefonisch mit anderen abstimmt, darf man das Telefon nicht wegnehmen. Wir haben es mit mündigen Menschen zu tun, die sich darauf einigen können, wie und unter Nutzung welcher Werkzeuge sie kommunizieren und zusammenarbeiten. Die Organisation muss durch Bereitstellung von Werkzeugen den Rahmen dafür schaffen. Das ist eine typische Aufgabe der Geschäftsleitung.

Quastion-Answer

Droht kein unbeherrschbarer Tool-Zoo, wenn der Vielfalt der Fähigkeiten und Präferenzen von Menschen Rechnung getragen wird?

In der Tat ist es nicht einfach, das Optimum zwischen einem engen Korsett von Tool-Vorgaben und Abläufen einerseits und einem unbeherrschbaren Zoo von Werkzeugen zu finden. Vor allem ist Tool-Redundanz zu vermeiden. Von zwei Lösungen mit weitgehend überlappendem Funktionsumfang sollte man sich für eine Lösung entscheiden. Es hilft, sich ein Bild darüber zu machen, welche Funktionen der im Markt verfügbaren Tools mit dem notwenigen Maß an Verlässlichkeit, Anwenderfreundlichkeit, Sicherheit etc. möglich und für die eigene Organisation nützlich sind. Die meisten Organisationen werden im Zuge dieser Betrachtung zu dem für sie optimalen Satz an UCC-Funktionen gelangen, die sie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung stellen wollen. Davon abhängig kann die Tool-Auswahl erfolgen, nicht umgekehrt. Und ganz wichtig: Die Entscheidung darf nicht von wenigen UCC-Experten im stillen Kämmerlein gefällt werden. Die Menschen, um die es geht, sollten auf geeignete Weise, direkt oder indirekt, in den Prozess eingebunden werden.

Quastion-Answer

Droht kein unbeherrschbarer Tool-Zoo, wenn der Vielfalt der Fähigkeiten und Präferenzen von Menschen Rechnung getragen wird?

Statt der Aufforderung „Wünsch Dir was“ muss man die technische und funktionale Sicht in einem Unternehmen zusammenbringen. Das ist keine einfache Aufgabe. Nichtsdestotrotz muss man sich dieser Aufgabe stellen. Eine Herausforderung in der Praxis besteht darin, dass die weitgehende Nutzung einiger potenziell mächtigen Lösungen wie Microsoft Teams die Umstellung zumindest einiger Arbeitsabläufe voraussetzt. Teams wird aber von der IT-Abteilung eingeführt. Mit den Arbeitsabläufen beschäftigt man sich dort kaum. Dort wo man das tut, interessiert man sich bislang weniger für die Technik. Am Beispiel Fax wird das Dilemma deutlich: Techniker stöhnen schon über die wegen der All-IP-Umstellung stark ansteigenden Zahl von fehlerhaften Fax-Übertragungen. Das ist die technische Sicht. Die funktionale Sicht kann aber eine andere sein. Man stelle sich eine Investmentbank vor, in der für die Depotverwaltung der Kunden seit Jahrzehnten Fax eingesetzt wird (signierte, verschlüsselte E-Mails sind ja nicht weit verbreitet). Oder man denke an eine Versicherung, die von Rechtsanwälten täglich viele Fax-Dokumente mit einer zweistelligen Seitenzahl empfängt. Fax ist nun mal die vermeintlich einzige schnelle Alternative zum Einschreiben mit Rückschein. Lösungen für solche Probleme können nur gemeinsam gefunden werden, nicht von der IT-Abteilung allein.

Quastion-Answer

Klingt das aber nicht nach einem endlosen Wunschkonzert, kaum zu bewältigen von einer personell ausgedünnten IT-Abteilung?

Hersteller arbeiten laufend an der Nutzbarkeit ihrer Produkte. Man sagt ja, die erste Version einer Software sollte am besten nicht die sein, die man produktiv einsetzt. Dass Microsoft jetzt schon die Umstellung auf Teams empfiehlt, kann sich als Eigentor erweisen, wenn zu viele Anwender zu viel am Produkt auszusetzen haben. Dafür, dass Microsoft unter Teams so viele verschiedene Funktionsblöcke zusammenführt, ist es zu früh dafür, von der Reife der Gesamtlösung auszugehen.

Quastion-Answer

Der Teams-Client ist hinsichtlich Nutzbarkeit zumindest umstritten. Ist die verordnete Nutzung eines solchen Tools überhaupt zumutbar?

Microsoft hat selbst erkannt und zugegeben, dass Teams für die Einbindung der reinen Telefon-/UC-User (ohne großen Collaboration-Bedarf) ungeeignet ist. Mit dem Skype for Business Server (S4B-Server) ist eine reine UC-/Telefonie-Integration besser möglich. Neben dem Umstand, dass man den S4B-Server ohne Cloud und im eigenen RZ betreiben kann, mag die bessere Integration der Telefonie bzw. Unified Communications ein Grund sein, dass Microsoft den S4B-Server zumindest bis Anfang 2024 unterstützen will. Was Instant Messenger (IM) betrifft, ist die Kommunikationswelt leider segmentiert. SMS ist nicht zukunftssicher und wird jetzt schon von den Providern künstlich verteuert. Was ist der IP-basierende Ersatz für SMS? Wenn man auf Standards Wert legt, findet man SIMPLE bzw. XMPP. Aber diese Standards sind in vielen Produkten nicht implementiert. Hersteller und Plattformbetreiber favorisieren in der Regel ihre proprietäre IM-Lösung und argumentieren damit, dass es zur Nutzung dieser Lösung den entsprechenden Client auf fast jedem Endgerät gibt. Aber so muss man seine Kommunikationspartner auffordern, einen proprietären Client zu nutzen. Wenn man IM-Nutzung auf das eigene Unternehmen beschränkt, kann man dafür eine einheitliche Lösung auswählen. Aber das ist sicherlich nicht der adäquate Ersatz für SMS. Ob es einen solchen Ersatz überhaupt geben wird, ist erstens ungewiss und wird zweitens nicht im Markt für Geschäftskunden entschieden, sondern im Kampf der Consumer-Giganten wie WhatsApp (hier gibt es aber Bedenken der Datenschützer!).

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Wofür brauche ich Teams, wenn ich nur telefonieren möchte, da reicht mein Smartphone. Wie binde ich Menschen in Teams ein, die mit Mobile, Mail und Messenger optimal ausgestattet sind?

Die drohende Abhängigkeit von einem Hersteller ist ein gewichtiges Argument gegen eine vermeintliche eierlegende Wollmichsau. Andererseits werden für eine Lösung mit großem Funktionsumfang hauptsächlich folgende Argumente bemüht: Erstens ist die Nutzererfahrung in der Regel besser als bei Nutzung mehrerer Lösungen. Zweitens drohen bei mehreren Lösungen Funktionsredundanz und –dopplung. Drittens sind der Betriebsaufwand und die Lernkurve für eine Lösung besser zu bewältigen als für mehrere Lösungen. Viertens können Verknüpfungen und Datenübergaben zwischen verschiedenen Funktionen sinnvoll sein. Beispiel: Ich arbeite einen Text aus, an dem alle Mitglieder eines Teams mitwirken sollen, und gebe in der Chat-Gruppe den Link zum Text an. Alle Mitglieder können gleichzeitig den Text an verschiedenen Orten und mit verschiedenen Clients bearbeiten. Ob solche Szenarien in Arbeitsabläufen vorkommen und als Rechtfertigung für eine komplexe Gesamtlösung ausreichen, muss jede Organisation für sich herausfinden.

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Warum soll ich mich für eine Vielzahl von elementaren Funktionen, die für das Unternehmen wesentlich sind, von einem Hersteller abhängig machen?

Microsoft Teams nutzt als Dateiablage Microsoft Sharepoint Online. Somit ist die Überführung einer vorhandenen Dateiablagestruktur in eine unter Teams prinzipiell möglich. Anders sieht das bei Chats aus. Stand heute bietet Microsoft keine Möglichkeit der Übernahme bestehender Chat-Nachrichten in eine neue Teams-Struktur an, selbst wenn die bestehenden Chat-Nachrichten aus Microsoft Teams selbst stammen, aber unter einem anderen Teams-Mandanten generiert wurden. Damit hat Microsoft bisher auch keine Lösung für die vollständige Fusion von zwei Teams-Mandanten. Das ist ein Problem.

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Wie werden aus Teams Daten gelöscht, entsprechend der DSGVO? Wie sieht ein solcher Löschprozess aus?

Den Knopf „alle personengebundenen Daten der Person x entfernen“ gibt es bei Teams nicht. Insofern braucht jedes Unternehmen für die Nutzung von Microsoft Teams eine Betriebsvereinbarung, die u.a. den Umgang mit Daten wie Chats der Mitarbeiter regelt.

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Wie werden zwei Teams miteinander verbunden, wenn zwei Firmen/Organisationseinheiten zusammengelegt werden? Wie sieht das im umgekehrten Fall aus?

Fusionen von Teams-Mandanten funktionieren bis dato nur für die Dateiablagen, über den Umweg Sharepoint Online, von Teams als Dateiablagestruktur genutzt. Microsoft bietet bisher keine Lösung für die Fusion anderer Teams-Daten als die Dateien an. Es gibt zum Beispiel keine Lösung für die Fusion von Chats. Der umgekehrte Fall, nämlich die Aufteilung des Datenbestands, kann nur als Aufteilung nach verschiedenen Teams sinnvoll funktionieren. Ob man in der täglichen Arbeit die Teams so aufteilt, dass ein Spin-off möglich wird, ist stark zu bezweifeln. Man nutzt eine Lösung wie Teams gerade für Gruppen, die sich nicht starr an Grenzen von Organisationseinheiten orientieren.

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Wie sieht eine vernünftige Kombination von Mobile, Mail, Teams, Telko, Konferenz mit Datei-Bearbeitung für die einzelnen Nutzergruppen aus und durch welche Produkte sind die geforderten Funktionen abzudecken?

Eine solche Gesamtlösung ist genau der Anspruch der UCC-Produkte. Was den Client betrifft, führt an einer nutzbaren Integration mobiler Endgeräte, also hauptsächlich Smartphones, kein Weg vorbei. Jede Lösung ist daher darauf abzuklopfen, ob und wie gut sie vom Smartphone aus genutzt werden kann. In den meisten Fällen braucht man auch eine Desktop-Integration, und das für die Desktop-Ausprägung, die in der Organisation genutzt wird, sei es Fat Clients oder Virtual Desktops. Die Audio-Video-Unterstützung auf virtuellen Desktops ist nicht selbstverständlich. Von den in der Frage genannten Funktionen, ist E-Mail die einzige, gesondert zu behandelnde. Die völlige Integration von E-Mail in UCC-Lösungen hat sich nicht durchgesetzt. E-Mail ist aber dank der Standardisierung keine große Herausforderung. Anders sieht es bei anderen Kommunikationsmedien und Zusammenarbeitsformen aus. Telefon-, Web- und Videokonferenzen müssen zunehmend unternehmensübergreifend genutzt werden können. Hierbei haben die Cloud-basierenden Lösungen ihre wichtigsten Stärken. Ideal wäre eine UCC-Umgebung, die für Mobile- und Desktop-Clients möglichst den gleichen Funktionsumfang bietet und die Nutzung von maximal zwei bis drei Plattformen erfordert.

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Was könnten die Hersteller besser machen?

Die gängigen Hersteller haben hinreichende Erfahrung in der Implementierung von reinen UC-Clients. Nehmen wir zum Beispiel den nun auslaufenden S4B-Client. Aus der Sicht des Anwenders ist das ein akzeptabler UC-Client mit angenehm aufgeräumter Nutzeroberfläche. Anstatt ihn zu entsorgen, hätte Microsoft ihm einen Anstrich in Teams-lila verpassen und das Backend auf Teams-Infrastruktur umstellen können. Damit würde man die reinen UC- bzw. Kommunikationsanwender abholen und sie nicht mit unnötigen Funktionen und einem Vollbild-Client quälen. Doch bislang verfolgt kein Hersteller diesen Ansatz. Stattdessen wird auf möglichst viele Funktionen in einem UCC-Client gesetzt.  

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