aus dem Netzwerk Insider Oktober 2021
Am 14.07.2021 hat die Bundesnetzagentur die Allgemeinzuteilung für WLAN-Nutzungen im 6-GHz-Bereich veröffentlicht [1]. Zunächst einmal eine gute Nachricht, schließlich stehen jetzt auch in Deutschland zu den bisher 22 Kanälen weitere 24 Kanäle bzw. eine zusätzliche Bandbreite von 480 MHz für WLAN-Anwendungen zur Verfügung. Die Freigabe folgte somit der Freigabe des 6-GHz-Bandes in den Vereinigten Staaten mit einer Verzögerung von 16 Monaten und der Freigabe des Electronic Communications Committe (ECC) vom November 2020, jetzt auch entsprechend in Europa. Können nun die Probleme im WLAN, wie zum Beispiel zu wenig Bandbreite oder durch Interferenzen nahezu nicht nutzbare Kanäle, endlich gelöst werden? Obwohl für die Praxis noch zahlreiche Probleme ungeklärt sind, versuchen wir mit diesem Artikel etwas Licht ins Dunkel zu bringen.
Vorneweg ist anzumerken: 6-GHz-WLAN kann zurzeit nur mit dem WLAN-Zugriffsverfahren gemäß IEEE-Standard 802.11ax genutzt werden. Ältere Standards, wie IEEE 802.11b/g, können nur 2,4-GHz nutzen, IEEE 802.11a und IEEE 802.11ac nutzen exklusiv das 5-GHz-Band und IEEE 802.11n ist im 2,4-GHz- und 5-GHz-Band verfügbar.
Die Wi-Fi-Allianz spendiert dem 6-GHz-WLAN sogar seit Januar 2021 eine eigene Zertifizierung, nämlich Wi-Fi 6E. Bei Wi-Fi 6 handelt es sich um die Zertifizierung für IEEE 802.11ax und bei Wi-Fi 6E um eine Zertifizierung für Geräte, die Wi-Fi-6-Features auch im 6-GHz-Band unterstützen. Derzeit verfügen bereits 33 Produkte bereits über ein entsprechendes Zertifikat (Stand 25.08.2021).
Die Standard-Erweiterung IEEE 802.11ax wurde am 9. Februar 2021 verabschiedet und beschreibt Erweiterungen in der physikalischen Schicht (PHY) und der Sicherungsschicht (MAC) hinsichtlich zahlreicher Mechanismen, die die Effizienz des WLANs entscheidend erhöhen sollen. Das Ganze nennt sich daher auch High Efficiency WLAN (HE) als Abgrenzung zu Very High Throughput WLAN (VHT) bzw. IEEE 802.11ac und High Throughput (HT) bzw. IEEE 802.11n. Der IEEE-Standard 802.11ax deckt dabei den Frequenzbereich von 1,0 GHz bis 7,125 GHz ab.Zwischenfazit: IEEE 802.11ax ist seit langem der erste WLAN-Standard, der den gesamten zur Verfügung stehenden Frequenzbereich abdeckt. Daher ist auch die Nutzung des 2,4-GHz-Bandes, welches aufgrund der wenigen nutzbaren Kanäle in der letzten Zeit immer mehr gemieden wurde, neu zu bewerten.
Bevor wir uns jetzt ins neu entdeckte 6-GHz-Land begeben, schauen wir uns kurz die wesentlichen Änderungen und Vorteile von IEEE 802.11ax an. Diese stehen ja mittlerweile auch außerhalb des 6-GHz-Bandes zur Verfügung:
Mehr Leistung
Kein neuer WLAN-Standard ist bisher ohne eine Erhöhung der maximal möglichen Bitrate ausgekommen. Daher steigt diese von bisher 6,9 GBit/s auf 9,6 GBit/s. Ermöglicht wird dies hauptsächlich durch die Verbesserung der Modulations- und Codierungs-Verfahren zur Übertragung der Daten über die Luftschnittstelle. Für die Nachrichtentechniker unter uns: Es handelt sich um QAM[3] 1024 mit den Coderaten 3/4 und 5/6. Bei IEEE 802.11ac war bei QAM 256 Schluss. Weitere Unterschiede zum Vorgänger-Standard IEEE 802.11ac sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
Mehr Effizienz: OFDMA und MU-MIMO
Die maximal mögliche Bitrate ist jedoch nicht die wichtigste Änderung. Außerdem wird sie in der Praxis momentan nicht erreicht. Das überrascht übrigens wenig, da die maximale Bitrate auch bei WLAN-Produkten der Vorgänger-Standards nie erreicht wurde – zumindest nicht, bevor sie von Produkten, die den jeweiligen Nachfolger-Standard unterstützten, überholt worden sind. Beispielsweise verfügen Access Points aus dem Enterprise-Bereich in der Regel über höchstens 4 Sende- und Empfangszüge, was das Aussenden von maximal 4 parallelen Datenströmen („Spatial Streams“) und somit einer maximalen Bitrate von etwa 3,5 GBit/s entspricht. Die maximal mögliche Bitrate gemäß Standard wird jedoch nur mit 8 Spatial Streams erreicht.
Aus diesem Grund ist die maximal mögliche Bitrate nicht alles und tatsächlich nicht entscheidend. Viel wichtiger ist eine weitere Neuerung bei IEEE 802.11ax: OFDMA.
OFDMA steht für Orthogonal Frequency Division Multiple Access. OFDM ist bereits seit IEEE 802.11a/g das Standard-Modulationsverfahren für WLAN. Bei OFDM wird der Übertragungskanal in mehrere Unterträger aufgeteilt, vergleichbar mit einer parallelen Schnittstelle für Drucker. Über jeden Unterträger wird also ein Teil der Daten zwischen Sender und Empfänger übertragen. Bezogen auf einen Übertragungskanal mit einer Bandbreite von 20 MHz gibt es bei IEEE 802.11ac 52 und bei IEEE 802.11ax 234 Unterträger. Bei IEEE 802.11ax heißt das Ganze dann OFDMA, wobei MA für Multiple Access steht. Die Idee, die dahintersteckt, ist verblüffend einfach. Sah man bisher vor, dass alle Unterträger alle Daten zum selben Empfänger transportierten, können die Unterträger jetzt auf mehrere Empfänger aufgeteilt werden, d.h. mehrere Empfänger können gleichzeitig mit Daten versorgt werden. Hierfür werden die Unterträger zu unterschiedlich breiten Resource Units (RU) gruppiert, wobei jede RU gewissermaßen ein Datenhäppchen für einen bestimmten Empfänger trägt.
Die RU variabler Größen ermöglichen es also, unterschiedlich große Datenpakete an mehrere Clients gleichzeitig zu verschicken. Natürlich funktioniert OFDMA in beide Richtungen, d.h. vom Access Point zu mehreren Clients und auch von mehreren Clients zum Access Point. Gleichzeitiges Senden zu mehreren Clients erfordert eine genaue Koordination. Hierfür sendet der Access Point ein Multi-User Request to Send (MU-RTS), welches von allen Clients empfangen und von den Stationen, die an der speziellen MU-Übertragung beteiligt sind, mit einem Clear to Send (CTS) beantwortet wird (siehe Abbildung 3).
Für die gemeinsame Koordination in Upload-Richtung kommen zwei weitere Nachrichten-Typen hinzu: Der Access Point versendet einen Buffer Status Report Poll (BSRP), über den er alle ax-Clients abfragt, ob sie Daten senden möchten. Diese antworten schließlich mit einem Buffer Status Report (BSR). Diese Steuerungskommunikation (MU-RTS, BSRP, BSR) erforderte eine Erweiterung der Distributed Coordination Function (DCF), dem hauptsächlich genutzten Medienzugriffsverfahren beim WLAN. Diese Erweiterung verlangt nach einem neuen Aufbau der Steuerungspakete im WLAN, der sogenannten Control Frames. Spätestens jetzt muss jedem klar sein, dass sowohl Access Points als auch Clients OFDMA unterstützen müssen, damit das Ganze reibungslos funktioniert. Selbstverständlich operiert IEEE 802.11ax abwärtskompatibel zu älteren Clients. Es ist jedoch zu erwarten, dass OFDMA in einer gemischten Umgebung durch Übertragungen älterer Clients ordentlich ausgebremst werden kann, wie in Abbildung 4 ersichtlich.
Neben der Erweiterung der OFDM-Datenraten für Single-User-Übertragungen und der Implementierung von OFDMA für Multi-User-Übertragungen sieht IEEE 802.11ax weitere Mechanismen zur Erhöhung der Effizienz vor. Ein Beispiel hierfür ist Multiuser MIMO [6] (MU-MIMO).
Unter MIMO allgemein wird Versand mehrerer paralleler Datenströme verstanden. Seit der Einführung von IEEE 802.11n verfügen Access Points und Clients über mehrere Sende- und Empfangszüge, mit deren Hilfe es möglich ist, mehrere parallele Datenströme über dieselbe Frequenz zu versenden, sogenannte Spatial Streams (siehe Abbildung 5).
Die erste Erweiterung von MIMO kam mit dem Standard IEEE 802.11ac und nannte sich Multiuser-MIMO (MU-MIMO). MU-MIMO nutzt den Umstand aus, dass Access Points in der Regel über mehr Sende- und Empfangs-Einheiten als Clients verfügen. Mit MU-MIMO ist es dann möglich, die Spatial Streams auf mehrere Clients aufzuteilen, also Daten gleichzeitig an mehrere Teilnehmer zu übertragen. Mit der Einführung von IEEE 802.11ax gelingt dies sowohl in Sende- als auch in Empfangsrichtung. Vergleichbar mit OFDMA wird für Uplink-MU-MIMO auch eine Koordination zwischen den beteiligten Sendern benötigt. Dies regelt der Access Point mit speziellen Trigger-Frames (siehe Abbildung 6).MU-MIMO erfordert ebenfalls eine Unterstützung aller beteiligten Sender sowie eine passende geografische Anordnung der Clients um den Access Point herum. Die Access Points müssen zusätzlich in der Lage sein, ihre Abstrahlung in bestimmte Richtungen, nämlich zu den Clients hin, zu fokussieren. Dies wird in der Fachsprache Beamforming genannt.
Zwischenfazit: Zur Steigerung der Effizienz bei IEEE 802.11ax tragen wesentlich die Mechanismen OFDMA und MU-MIMO bei, da beide eine Versorgung mehrerer Clients gleichzeitig mit Daten versprechen. Voraussetzung ist wie immer eine breite Unterstützung seitens Clients und Access Points.
Weitere Änderungen, die IEEE 802.11ax mit sich bringt, sind BSS Coloring oder eine verbesserte Stromverbrauchssteuerung namens Target Wait Time.
BSS Coloring: Kampf gegen Gleichkanalstörungen
BSS Coloring adressiert das Problem der Gleichkanalstörungen im WLAN. Gerade im 2,4 GHz-Band stehen nur wenige Kanäle zur Verfügung, was dazu führt, dass sich Funkzellen mehr oder weniger stark überlappen. Möchte nun eine Station (Client oder Access Point) auf das Medium zugreifen, muss sie zuvor prüfen, ob der Kanal frei ist. Das nennt man Clear Channel Assessment (CCA). Die Station bewertet zunächst den Empfangspegel, und zusätzlich wird geprüft ob eine weitere Station den Kanal mit einer Übertragung belegt.
Diese Prüfung erfolgt nicht nur in der eigenen Funkzelle, sondern auch in allen benachbarten Funkzellen auf demselben Kanal im Empfangsbereich. Mit steigender Anzahl sich überlappender Funkzellen sowie aktiver Endgeräte sinkt die Wahrscheinlichkeit, erfolgreich auf das Medium zugreifen zu können. Zudem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Übertragungen anderer Stationen nicht erkannt werden und sich diese während der Übertragung überlagern. Die Folge ist, dass Datenpakete verloren gehen. In Fachkreisen wird dieser Effekt oftmals als „Hidden Station Problem“ bezeichnet. IEEE 802.11ax markiert nun Übertragungen aus unterschiedlichen Funkzellen (BSS – Basic Service Set). Das nennt man BSS Coloring, wobei es sich nicht um eine Farbe handelt, sondern um einen numerischen Wert (siehe Abbildung 7).
Die Stationen können nun anhand der BSS Color feststellen, ob eine Übertragung aus der eigenen Funkzelle oder einer benachbarten Funkzelle (OBSS – Overlapping BSS) stammt. Sobald eine Übertragung aus einer benachbarten und nicht der eigenen Funkzelle stammt, kann unter gewissen Umständen dennoch gesendet werden, zumindest gelten für das Clear Channel Assessment großzügigere Regeln (siehe Abbildung 8).
Zusammengefasst ist BSS Coloring ein weiterer Baustein des High-Efficiency-Baukastens innerhalb von IEEE 802.11ax. Auch hier gilt wieder, dass eine breite Unterstützung dieser Features seitens der Clients notwendig ist, damit es funktioniert. Wer meint, er könnte seine Umgebung mit neuen Access Points ausstatten und dann vom neuen Standard profitieren, der irrt. Es ist also unbedingt notwendig, die Client-Landschaft ebenfalls zu erneuern.
Mehr Kanäle braucht das Land
Besser als Gleichkanalstörungen mittels BSS Coloring zu bekämpfen ist es sicherlich, mittels zusätzlicher Kanäle dafür zu sorgen, dass diese Störungen überhaupt nicht entstehen. Es wird also Zeit, sich den neu zur Verfügung stehenden 6-GHz-Bereich genauer anzusehen. Um dies richtig einordnen zu können, schauen wir uns zunächst an, wie die Situation bezüglich des für WLAN verfügbaren Spektrums in Deutschland bzw. Europa momentan aussieht. Es stehen die in Tabelle 3 dargestellten Frequenzen für die Nutzung durch WLAN zur Verfügung.
Auf den ersten Blick sehen wir 27 Kanäle, die theoretisch zur Verfügung stehen. Es gibt jedoch zahlreiche Einschränkungen. Das 5-GHz-Band teilt sich in mehrere Bereiche auf, die alle unterschiedlich reguliert sind. Zum einen sind die Sendeleistungen unterschiedlich, zum anderen können einige Kanäle nur im Innenbereich und nur in Verbindung mit Dynamic Frequency Selection (DFS) zwecks Erkennung von Primärnutzern, wie zum Beispiel Wetterradar, genutzt werden. Die 5 SRD-Kanäle sind zwar für die Nutzung durch WLAN freigegeben, stehen jedoch auf zahlreichen Produkten in Europa nicht zur Verfügung.
Die Anzahl der oben dargestellten Kanäle bezieht sich auf eine Kanalbandbreite von 20 MHz. Zur Steigerung der Bitrate werden im WLAN üblicherweise mehrere Kanäle zu einem breiteren Kanal gebündelt. So sehen die Standards Kanäle mit 20, 40, 80 und 160 MHz vor. Möchte man davon Gebrauch machen, ergibt sich in Abhängigkeit von der Kanalbandbreite die in Abbildung 9 gezeigte Situation.
Hier zeigt es sich wieder, dass die maximal mögliche Bitrate, für die 160 MHz breite Kanäle benötigt werden, aktuell nur sehr eingeschränkt nutzbar ist. Schließlich steht in diesem Fall nur ein überlappungsfreier Kanal zur Verfügung. Im 2,4-GHz-Band ist eine Kanalbündelung überhaupt nicht sinnvoll möglich. Derzeit stellt die Verwendung von 40 MHz breiten Kanälen für den 5-GHz-Bereich wohl einen guten Kompromiss zwischen Datenrate und Anzahl der überlappungsfreien Kanäle dar.
Diese Situation ändert sich jetzt mit der Einführung des 6-GHz-Bandes. Mit der neuen Regulierung steht nun der Frequenz-Bereich von 5,945 GHz bis 6,425 GHz zur Verfügung. Das sind 480 MHz bzw. 24 weitere Kanäle bei 20 MHz Kanalbandbreite.
In Abbildung 10 ist zu sehen, dass jetzt 3 zusätzliche Kanäle bei einer Breite von 160 MHz zur Verfügung stehen, bei 40 MHz und 80 MHz sieht es entsprechend besser aus. Nun gibt es selbstverständlich auch für die Nutzung des 6-GHz-Bands Regeln, die von der Bundesnetzagentur innerhalb der zuvor bereits erwähnten Allgemeinzuteilung zusammengefasst sind. Unterschieden wird zwischen zwei Geräteklassen: Geräte mit geringer Leistung in Innenräumen (Low Power Indoor bzw. LPI) und Geräte mit sehr geringer Leistung (Very Low Power Devices bzw. VLP). Die Tabelle 4 zeigt die wichtigsten Parameter für die Regulierung von 6-GHz-WLAN in Deutschland bzw. für Europa. Weitere Details können in der Allgemeinzuteilung der Bundesnetzagentur [1] nachgelesen werden.
Die gute Nachricht: Die Regeln sind vergleichsweise einfach und im Gegensatz zum 5-GHz-Band über den gesamten Frequenzbereich einheitlich. Es gibt kein DFS, also keine Radar-Erkennung. Die Sendeleistung ist zumindest für LPI-Geräte ordentlich und verspricht ähnlich große Funkzellen wie im 5-GHz-Band.
Die nicht so gute Nachricht: Im Außenbereich sind nur VLP-Geräte mit einer geringen Sendeleistung von 25 mW zugelassen. Damit lässt sich kein Outdoor-WLAN aufbauen. Für LPI ist die Einschränkung interessant, dass Access Points über eine integrierte Antenne verfügen müssen. Das macht deren Einsatz insbesondere im Bereich Industrie und Logistik schwieriger, da dort gerne mit externen Antennen, die über eine spezielle Abstrahlcharakteristik verfügen, gearbeitet wird.
Letztendlich erschwert das Verbot eines batteriebasierten Betriebs uns WLAN-Planern die Arbeit, da die Access Points, die wir für WLAN Site Surveys an ein Stativ befestigt aufstellen, nicht mehr mit unserer mobilen Stromversorgung betreiben können.
Zum Glück gibt es (noch) keinen „Bundes-WLAN-Controller“
Verglichen mit den Vereinigten Staaten stehen uns in Europa deutlich weniger Kanäle zur Verfügung. Dort sind es nicht 24, sondern bis zu 59 Kanäle bzw. bis zu 7 Kanäle bei 160 MHz. Allerdings sind dort die Regeln komplexer. Bezogen auf Access Points gibt es dort eine weitere Geräteklasse, nämlich Standard Power. Geräte dieser Klasse können im Innen- und Außenbereich betrieben werden, und zwar mit einer Sendeleistung von 36 dBm bzw. 4 W EIRP. Allerdings ist für diese Geräteklasse die Nutzung der sogenannten Automated Frequency Coordination (AFC) zwecks Vermeidung von Interferenzen mit anderen Funkanwendungen bei 6 GHz obligatorisch [7]. Es handelt sich im Prinzip um eine Datenbank, in der alle 6 GHz-Funkanwendungen einschließlich ihrer Geo-Koordinaten, des Kanals, der Sendeleistung und der Antennenabdeckung gespeichert sind. Möchte ein Access Point in der entsprechenden Betriebsart senden, muss er sich zunächst mit dem AFC-Provider verbinden und seine Sendeparameter aushandeln. Interessant ist, das AFC in den USA offenbar noch nicht zur Verfügung steht.
Darüber hinaus zeigt die Wi-Fi-Allianz Interesse an einer weltweiten Anwendung von AFC: Wi-Fi Alliance development efforts on this innovative AFC system are ongoing, with the aim of ensuring worldwide adoption, interoperability, security, and reliability expected of Wi-Fi [8]. Damit wäre möglicherweise der Einsatz der Geräteklasse Standard Power auch in anderen Ländern möglich.
Handover und Scanning
Bei so vielen Kanälen kann das Thema Handover bzw. Roaming, also der Wechsel eines WLAN-Clients von einer Funkzelle zur nächsten, zum Problem werden. Es ist dabei zu bedenken, dass letztendlich der Client die Handover-Entscheidung treffen muss. Hierfür bewertet er ständig die Qualität seiner Funkverbindung und sucht nach neuen, besseren, Funkzellen. Clients suchen verfügbare Access Points mittels Scanning.
Unterschieden wird dabei zwischen aktivem Scanning und passivem Scanning. Beim aktiven Scanning senden Clients Probe Requests aus, die von den Access Points mit Probe Responses beantwortet werden. Beim passiven Scanning empfangen die Clients die Beacon Frames, die von jedem Access Point regelmäßig für jedes WLAN-Profil (SSID) ausgesendet werden und erhalten somit alle benötigten Parameter, die zur Verbindung mit dem WLAN benötigt werden.
Man kann sich leicht vorstellen, dass dieser Vorgang, der auf jedem Kanal durchgeführt werden muss, umso länger dauert, je mehr Kanäle zur Verfügung stehen. Dieses Problem wurde erkannt, und die Standards beschreiben mehrere Mechanismen, um einen guten Kompromiss zwischen einem beschleunigtem Handover-Verhalten und einer möglichst geringen Auslastung der Kanäle durch die hierfür benötigten Management-Frames (Channel Utilization) zu erzielen. Zu den derzeit vorgesehenen Mechanismen gehören beispielsweise Out-of-Band Scanning oder Preferred Channel Scanning.
Out-of-Band Scanning funktioniert nur mit Multi-Band Access Points, also Access Points, die neben ihrem 6-GHz-Radio noch über ein weiteres aktives Radio im 2,4- und/oder 5-GHz-Band verfügen. Clients versenden sogenannte Directed Probe Requests in diesen Bändern, und die Access Points antworten hierauf mit entsprechenden Probe Responses. Diese Probe Responses beinhalten überdies sogenannte Reduced Neighbor Reports, innerhalb derer informiert wird, auf welchem 6-GHz-Kanal ein bestimmtes WLAN-Profil zusätzlich empfangen werden kann.
Preferred Channel Scanning bedeutet nichts anderes, als dass Scanning im 6-GHz-Band nur auf einer reduzierten Anzahl von Kanälen durchgeführt wird, und zwar auf jedem vierten 20 MHz-Kanal. Bei diesen ausgewählten Preferred Channels handelt es sich gleichzeitig immer um den „primary channel“ eines 80-MHz-Kanals. Das kann bedeuten, dass diese Methode nur innerhalb eines 80-MHz-Kanal-Planes funktioniert. Darüber hinaus soll es unaufgeforderte Probe Responses geben, mit deren Hilfe benachbarte Access Points ihre Umgebung über ihr Vorhandensein informieren.
Welche dieser Methoden es einheitlich bis in die Produkte aller Infrastruktur- und Endgeräte-Hersteller schaffen werden, wird die Zukunft zeigen. Zumindest scheint aktuell vieles davon noch mit Konjunktiven behaftet zu sein. Hier kann die Wi-Fi-Allianz helfen, indem die sinnvollsten Verfahren innerhalb der Zertifizierungen vorgegeben werden.
Produktsituation
Ja, es gibt bereits zahlreiche Produkte, die 6-GHz-WLAN bzw. Wi-Fi 6E unterstützen. Verfügbar sind Chipsätze für Clients, Mobiltelefone, Access Points und Internet-Router für den Consumer-Bereich. Ein Beispiel für einen Client-Chipsatz ist der Intel AX210. Für diesen Chipsatz sind derzeit Treiber für Linux und für Windows 11 verfügbar. Windows-10-Nutzer sind somit im Moment noch außen vor. Beim Hersteller Broadcom sind die Chipsätze BCM4375 und BCM4389 verfügbar. Letzterer ist beispielsweise in einem Smartphone des Herstellers Samsung verbaut. Hersteller wie Linksys, Netgear und Asus, die unter anderem den Consumer-Bereich bedienen, bieten Geräte mit Tri-Band-Radio für 2,4 GHz, 5 GHz und 6 GHz an. Bisher waren diese Geräte jedoch für den deutschen Markt nicht verfügbar, was sich demnächst allerdings ändern könnte.
Im Enterprise-Segment sieht es momentan noch dünn aus. So ist vom Hersteller HPE/Aruba der AP635 angekündigt [9]. Ob der Access Point bereits überall bestellbar ist, ist unklar. Es gibt zwar einen Ordering Guide, jedoch ist im Kleingedruckten des Datenblattes zu lesen, dass das Gerät von der FCC, dem US-amerikanischen Gegenstück zur Bundesnetzagentur, noch nicht für den Verkauf freigegeben ist. In einem Internet-Shop in der Schweiz ist der Access Point lieferbar, in einer deutschen Filiale desselben Anbieters nur bestellbar, aber nicht lieferbar. Nun denn, zumindest gibt es ein vollständiges Datenblatt: Der Access Point verfügt über interne Antennen und drei Radioteile. Bei 6 GHz bietet er einen maximalen Durchsatz von 2,4 Gbit/s bei 160 MHz Kanalbandbreite und zwei Spatial Streams. Interessant ist übrigens, dass im Datenblatt die Gerätekategorie mit Low Power Indoor (LPI) angegeben wird. Damit ist klar, dass das Gerät nur im Innenbereich und mit einer maximalen Sendeleistung von 200 mW betrieben werden kann. Für den Betrieb in den USA wird folglich auch kein AFC benötigt. Für den Netzwerk-Anschluss stehen zwei Ports RJ45 gemäß IEEE 802.3bz mit einer maximalen Bitrate von 2,5 GBit/s zur Verfügung. Die Energieversorgung erfolgt mittels PoE gemäß IEEE 802.3at/bt Klasse 4, die Leistungsaufnahme beträgt also maximal 25,5 W.
Der Hersteller Extreme Netzworks hat ebenfalls einen Access Point mit 6-GHz-Radio angekündigt [10]. Es handelt sich um den AP4000, der sowohl über die Campus Controller von Extreme als auch die Extreme Cloud IQ betrieben werden kann. Wie das Modell von HPE Aruba verfügt der AP4000 über 2×2 MIMO und 2 Spatial Streams und interne Antennen. Der Verkaufsstart in den USA ist für den Herbst dieses Jahres geplant, einen entsprechenden Termin für Europa gibt es bislang nicht.
Insgesamt sieht es momentan noch sehr dünn aus, was die Verfügbarkeit von 6-GHz-Access-Points, speziell in Europa, angeht. Das liegt sicherlich unter anderem daran, dass noch nicht alle EU-Länder die Freigabe des Electronic Communications Committe (ECC) vom November 2020 in nationales Recht umgewandelt haben. Der deutsche Hersteller Lancom Systems gibt an, dass die für die Nutzung des 6-Ghz-Bandes notwendige ETSI-Norm (ETSI EN 303 687) derzeit im Entwurfsstatus vorliegt und „daher die Hersteller ihre künftigen Produkte bereits über einen „Notified Body“ – durch die EU benannte Prüfstellen – prüfen und darüber ihre Konformität mit EU-Recht bestätigen lassen können“ [8]. Des Weiteren gibt Lancom an, dass die Hersteller erst ab Erscheinen der finalen Norm ihre „Produkte in Eigenregie prüfen und die Konformität zur geltenden EU-Norm erklären“ können [11].
Auch wenn es derzeit wenige verfügbare Produkte gibt, zeichnen sich bereits einige Fakten ab. Access Points, die in Europa betrieben werden, sind mit internen Antennen ausgestattet und operieren als LPI-Gerät. Dies ist alleine schon durch die Vorgabe der ECC bzw. der Bundesnetzagentur festgelegt. Es wird sich hauptsächlich um Tri-Band-Access Points handeln, also um Geräte mit Radios für 2,4 GHz, 5 GHz und 6 GHz. Darüber hinaus erwarten wir vergleichbare Optionen für den Netzwerk-Anschluss wie bisher auch, nämlich ein oder zwei Anschlüsse für Gigabit Ethernet oder IEEE 802.3bz. Was die Energieversorgung angeht, ist es durchaus möglich, dass gerade High-End-Produkte nicht oder nur mit reduzierter Leistung mit der bei PoE gemäß IEEE 802.3at maximalen Leistung von 25,5 W auskommen werden. Folglich müssten Switches für den Anschluss solcher Geräte über PoE gemäß IEEE 802.3bt mit einer maximalen Entnahmeleistung bis 71,3 W verfügen.
Zusammengefasst bleibt festzuhalten, dass es wohl noch einige Zeit dauern kann, bis eine vernünftige Produktauswahl über viele Hersteller verfügbar sein wird. Erste Modelle werden noch nicht alle wichtigen Features anbieten, sodass es wie immer ratsam ist, bei der Einführung einer neuen Technologie die erste Modellserie zu überspringen.
Planungsaspekte und Anwendungsfälle für 6-GHz-WLAN
Selbst wenn der 6-GHz-Bereich nicht so weit von den bisher genutzten Frequenzen entfernt ist und somit keine großen Überraschungen hinsichtlich der Größe der Funkzellen zu erwarten sind, ist die Verfügbarkeit von Mess- und Planungstools erforderlich. Dies bezieht sich sowohl auf die Möglichkeit, eine Simulation für 6-GHz-WLAN durchzuführen als auch auf entsprechende Site Surveys vor Ort. Für Letzteres sind entsprechende Mess-Adapter erforderlich, die mit den üblichen Mess- und Planungstools wie zum Beispiel Ekahau Pro oder AirMagnet Survey zusammenarbeiten.
Neben Planungsaufgaben geht es beim Messen immer auch um die Fehlersuche und somit um Protokollanalyse. War es bereits für IEEE 802.11ac zunehmend komplizierter geworden, geeignete Hardware für die Aufzeichnung von IEEE-802.11-Paketen zu finden, wird sich diese Situation für 6 GHz wohl kaum verbessern. Es wird zumindest anfänglich bei den Optionen bleiben, einen Wi-Fi-6E-Access Point als Capture Probe sowie einen Linux-Rechner mit einem unterstützten Adapter und mit Wireshark zu verwenden, oder die getunnelte Kommunikation zwischen einem Access Point und einem WLAN Controller im LAN abzugreifen.
Neben der Beschaffung von Mess- und Planungstools sollte man sich über geeignete Anwendungsfälle für den Einsatz von 6-GHz-WLAN Gedanken machen. Angesichts der momentanen Produktsituation bleibt hierfür noch ausreichend Zeit.
Anfänglich wird sich 6-GHz-WLAN insbesondere gut für den Aufbau eines WLANs im Büro-Umfeld eignen. Die Access Points sind derzeit ohnehin nur mit internen Antennen verfügbar. Außerdem ist zu erwarten, dass gerade die im Büro-Umfeld benötigten Endgeräte aufgrund der vergleichsweise kurzen Produktzyklen relativ schnell mit 6-GHz-Adaptern ausgestattet sein werden. Im Hinblick auf das lang ersehnte Wireless Only Office ließe sich natürlich die Chance nutzen, mit 6-GHz-WLAN wie auf der grünen Wiese neu anzufangen. Da 6-GHz-WLAN ausschließlich für Geräte gemäß IEEE 802.11ax zur Verfügung steht, müssen keine Altlasten mehr mitgeschleppt werden. Zudem wären neue Features wie OFDMA, MU-MIMO oder BSS Color einheitlich verfügbar und nutzbar. Die wegfallende Anforderung nach Abwärtskompatibilität wird dafür sorgen, dass Management-Frames deutlich kleiner werden und damit automatisch auch das Grundrauschen abnimmt. Darüber hinaus fordert Wi-Fi 6E den Einsatz von WPA 3, es bietet sich also die Chance, sich von allen Sicherheitsaltlasten wie WEP, TKIP etc. zu trennen. Trennung von Altlasten bedeutet daher neben mehr Leistung auch mehr (Betriebs)-Sicherheit.
Der große zur Verfügung stehende Frequenzbereich lässt sich vielseitig nutzen. Es können nicht nur hohe Bitraten dank einer höheren Anzahl breitbandiger Kanäle erreicht werden, auch eine Mandantenfähigkeit kann im WLAN einfacher umgesetzt werden. Verfolgen viele derzeit eine Mandantentrennung mittels mehrerer WLAN-Profile (SSIDs) auf derselben Frequenz, lässt sich das zukünftig noch besser über eine Trennung in Frequenzbereiche umsetzen. Um das vorherige Beispiel aufzugreifen, bliebe dann das 6-GHz-Band exklusiv den reinen Office-Clients vorbehalten, wobei andere Endgerätetypen wie zum Beispiel alles, was zur Medientechnik gehört, ins 5-Ghz-Band wandert. Das 2,4-GHz-Band wird dann ggf. frei für Anwendungen der GLT, sei es mittels IEEE 802.11-WLAN oder anderer Funktechniken in 2,4 GHz-Band.
Sicherlich wäre 6-GHz-WLAN ebenfalls für den Einsatz im Industrie- und Logistik-Bereich interessant. Dort angesiedelte Anwendungen könnten genauso gut von den Vorzügen eines von Altlasten befreiten WLANs profitieren. Zudem ist in diesen Bereichen oftmals eine sehr hohe Dichte an Access Points erforderlich. Es ist jedoch zu erwarten, dass eine Migration auf 6 GHz in diesem Bereich vergleichsweise länger dauern könnte, da die Produktzyklen sowie die mit deren Erneuerung verbundenen Investitionen für Endgeräte im Industriebereich deutlich größer sind. Wie bereits erwähnt werden die im Industriebereich beliebten externen Antennen mit speziellen Abstrahlcharakteristiken aufgrund von Regulierungsbeschränkungen vorerst nicht verfügbar sein.
Ebenso bleibt Outdoor-WLAN und Outdoor-Mesh den etablierten Frequenzbereichen vorbehalten, da 6GHz-Access-Points mit brauchbaren Sendeleistungen nur für den Innenbereich tauglich sind. Denkbar ist jedoch die Nutzung des 6-GHz-Bandes als Mesh-Backhaul im Innenbereich. Insbesondere im Heimbereich oder in anderen Bereichen, die nur umständlich zu verkabeln sind, könnte das eine brauchbare Alternative darstellen.
Zusammenfassung und Ausblick
6-GHz-WLAN ist von der Bundesnetzagentur und von der ECC freigegeben und nutzbar. Das ist zunächst eine gute Nachricht. Es bringt uns viele neue Kanäle und damit die Aussicht auf ein störungsfreieres WLAN. Mit Wi-Fi 6E bietet sich zukünftig die Chance, alte Zöpfe abzuschneiden und ein betriebssichereres WLAN zu implementieren – zumindest vorläufig.
Das IEEE hat schon längst die Arbeit am nächsten WLAN-Standard aufgenommen: IEEE 802.3be oder Extremely High-Throughput (EHT). Soweit bekannt sind die Design-Ziele, wen überrascht es, die Erhöhung der Bitrate auf 40 GBit/s und eine Erhöhung der Kanalbandbreite auf 320-MHz! Damit wären wir hinsichtlich der Anzahl der verfügbaren überlappungsfreien Kanäle wieder beim Anfang. Bis es denn so weit ist, wird hoffentlich noch etwas Zeit vergehen. Momentan sind zu dem, was wir mit Wi-Fi 6E haben werden, noch viele Detailfragen zu klären und Ungereimtheiten aufzulösen. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Regulierungsbehörden erbarmen und uns weitere WLAN-Kanäle spendieren oder zumindest die Nutzung im Außenbereich ermöglichen. Wir werden am Ball bleiben und über die zukünftigen Entwicklungen im Bereich WLAN berichten.
Quellen und Verweise
[1] www.bnetza.de/wlan6ghz, abgerufen am 24.08.2021
[2] https://www.wi-fi.org/ – abgerufen am 25.08.2021
[3] Quadratur Amplituden Modulation
[4] MCS: Modulation and Coding Scheme | BPSK: Binary Phase Shift Keying | QPSK: Quadrature Phase Shift Keying | QAM: Quadratur-Amplitudenmodulation
[5] Florian Hojnacki, Conceptual Design and Evaluation of IEEE 802.11ax Wi-Fi Networks, Master Thesis at TH Köln
[6] Multiple Input, Multiple Output
[7] https://www.arista.com/assets/data/pdf/Whitepapers/Arista-6GHz-WiFi-WP.pdf – abgerufen am 25.08.2021
[8] https://www.wi-fi.org/news-events/newsroom/ – abgerufen am 25.08.2021
[9] https://www.arubanetworks.com/assets/ds/DS_AP630Series.pdf – abgerufen am 25.08.2021
[10] https://www.extremenetworks.com/extreme-networks-blog/extreme-customer-sends-packets-flying-through-6-ghz-space/ – abgerufen am 25.08.2021
[11] https://www.lancom-systems.de/blog/2021-kommt-das-6-ghz-wlan-europas-schritt-in-ein-neues-funk-zeitalter/ – abgerufen am 25.08.2021