aus dem Netzwerk Insider Juli 2025
Letzten Monat hat Dr. Moayeri über die digitale Souveränität und die „üblichen Verdächtigen“ im Bereich Betriebssysteme, Office-Pakete und Virtualisierung geschrieben sowie die mögliche Rolle von Open Source.
Der Status Quo
Es gibt noch einen weiteren Aspekt bei der digitalen Souveränität, und das ist die Hardware. Und auch hier sind wir sehr stark von US-amerikanischen Unternehmen abhängig. Die allermeisten unserer Server und Clients laufen mit Intel- oder AMD-CPUs, viele Netzwerk-Komponenten mit proprietären Chips der Hersteller oder mit Broadcom-Chips.
Auch Lancom, ein Netzwerk-Ausrüster aus unserer unmittelbaren Umgebung in Aachen, setzt Chips von Broadcom ein.
Und dann gibt es ja noch die Zukunftstechnologien „künstliche Intelligenz“ und Quantencomputing.
Bei der künstlichen Intelligenz (KI) sind wir auf Hardware-Ebene erstaunlicherweise abhängiger von amerikanischen Unternehmen als bei der Software an sich. Viele aktuelle KI-Modelle werden als Open Source veröffentlicht und lassen sich (in der Theorie) lokal ausführen und nutzen. Die Bedienoberflächen sind ebenfalls quelloffen und komfortabel.
Aber worauf führt man die KI aus? Auch da bleiben aktuell einige wenige (US-amerikanische) Hersteller, mit weitem Abstand Marktführer ist hier NVIDIA. Die meisten leistungsfähigen KI-Modelle sind für die Beschleuniger von NVIDIA optimiert. Wenn sie überhaupt auf anderer Hardware laufen, dann meist mit merklich schlechterer Performance. Und hier drehen wir uns ein wenig im Kreis: Der eigentliche Grund, warum NVIDIA hier führend ist, ist der Software-Stack CUDA, den NVIDIA für die Programmierung bereitstellt.
Im Bereich des Quantencomputings ist die Situation glücklicherweise eine andere. Es gibt mehrere Forschungsinstitute in Deutschland, die sich mit Quantencomputing beschäftigen und konkurrenzfähig sind. Ein wichtiger Punkt dabei: Hier geht es nicht um „Wald-und-Wiesen“-Hardware, sondern um große, empfindliche und komplizierte Maschinen, die bei extrem tiefen Temperaturen betrieben werden müssen. Quantencomputing ähnelt daher aktuell eher einer Grundlagenforschung. Ob es Deutschland oder Europa schaffen werden, daraus auch einen wirtschaftlichen Erfolg zu erzielen, wird sich zeigen.
Aber können wir wenigstens im Bereich der CPUs mehr Souveränität erreichen?
CPUs und digitale Souveränität
Es scheint fast so, als wären wir auch bei der Hardware weit von einer Souveränität entfernt. Und in vielen Bereichen ist dies auf absehbare Zeit kaum zu ändern. Aber es gibt zwei Lichtblicke.
Auch bei der Hardware gibt es zunehmend Bestrebungen, freie und offene Architekturen zu schaffen. Ein beliebtes Beispiel ist hier die OpenRISC-Architektur. Es gibt erste Systeme, die mit modernen RISC-CPUs ausgestattet und (theoretisch) für alltägliche Aufgaben geeignet sind. Aber mit der Leistung aktueller Server- und Desktop-CPUs von Intel und AMD können diese CPUs nicht mithalten. Außerdem muss der Befehlssatz, der nicht mit dem „klassischen“ x86 kompatibel ist, von Betriebssystem und Software unterstützt werden. Und hier sind wir wieder im Bereich des Textes meines Kollegen. Denn RISC-Unterstützung bieten aktuell nur einige wenige Linux-Distributionen, sodass wir wieder im Bereich Open-Source-Software auskommen.
Der zweite Lichtblick ist ein britisches Unternehmen, das auf unser alltägliches Leben indirekt sehr viel Einfluss hat: ARM Holdings Limited. Die von ARM entwickelten, gleichnamigen CPUs sind heute in (nahezu) jedem Smartphone verbaut, und ohne sie wäre der Siegeszug des Smartphones in dieser Form wahrscheinlich nie zustande gekommen.
Mittlerweile sind ARM-CPUs auch aus dem Smartphone- und Tablet-Bereich in die Welt von Notebooks, Servern und sogar Netzwerk-Komponenten gewandert. Das heißt: Theoretisch gibt es eine europäische Alternative (wenn auch nicht aus der EU) zu Intel, AMD und Broadcom. Und im Server-Bereich gibt es bei den großen Cloud-Anbietern bereits Instanzen, die mit ARM-Server-CPUs laufen. In „normalen“ Rechenzentren sind diese aber noch nicht angekommen.
Beide Lichtblicke sind noch sehr schwach, da wir uns erst am Anfang dieser Entwicklung befinden – mit Ausnahme von ARM-CPUs in Mobilgeräten.
Die Herstellung von CPUs – ebenfalls nicht zu unterschätzen
Bleibt noch ein Knackpunkt: Wer stellt die CPUs her? Auch hier gibt es eine signifikante Abhängigkeit: Im Server- und Desktop-Bereich stellt lediglich Intel seine CPUs im großen Stil selbst her – und dies auch nicht vollständig. Die meisten CPU-Hersteller verlassen sich auf die Taiwan Semiconductor Manufacturing Company Limited, auch bekannt als TSMC. Aufgrund der geografischen Lage und der politischen Rahmenbedingungen in China ist auch hier ein erhebliches Risiko vorhanden.
Dadurch wird bei der Chip-Herstellung ebenfalls nach mehr Souveränität gesucht. Es gibt einige Investitionen in diesem Bereich, aber eine Chip-Fabrik (oder „Fab“) ist ein Multi-Milliarden-Euro-Investment und der Bau einer Fab dauert eine Weile. Hier gab es, auch von Intel, einige Bestrebungen, in Europa zu investieren. Die aktuelle wirtschaftliche Lage hat aber zu Verzögerungen geführt. Bis Europa hier souverän ist, wird wahrscheinlich noch viel Zeit vergehen.
Fazit
Digitale Souveränität hört nicht bei der Software auf. Und so viele Möglichkeiten sich aktuell auftun, so lange wird es dauern, bis diese wirklich nutzbar sind. Und nutzbar sind diese Möglichkeiten nur in Verbindung mit entsprechender Software. Und damit sind wir wieder da, wo wir letzten Monat im Geleit des Netzwerk Insiders angefangen haben.