Interview: Generationenwechsel bei ComConsult
01.03.23 / mit Thomas Simon sprach Christiane Zweipfennig
aus dem Netzwerk Insider März 2023
Jedes Jahr wollen sich nach Schätzungen der KfW mehr als 75.000 Firmeninhaber in Deutschland aus ihren Unternehmen zurückziehen. Fachkräftemangel und demografischer Wandel sind Ursachen dafür, dass ein Nachfolger immer schwerer zu finden ist. Jedes Unternehmen sollte sich daher frühzeitig mit der Planung der eigenen Nachfolgeregelung beschäftigen. Wichtige Prozessschritte werden nur oberflächlich behandelt, wenn das Thema zu spät angegangen wird.
Thomas Simon ist seit 1995 Geschäftsführer der ComConsult GmbH. 2025 wird er nach dreißig Jahren seine Position als Geschäftsführer abgeben. In diesem Gespräch erzählt er davon, wie er seine Nachfolger auf ihre neue Führungsrolle vorbereitet hat.
Thomas, kannst du bitte kurz zusammenfassen, wie sich ComConsult entwickelt hat und deine Karriere verlaufen ist?
Angefangen hat alles im Jahr 1986 mit einer Garagenfirma, die sich mit Softwareentwicklung beschäftigte. Als ich von der Uni kam, bin ich in diese Firma als Teilhaber eingestiegen. Es folgten zwei Umzüge innerhalb des Aachener Stadtgebietes. Mein Geschäftspartner hatte währenddessen mit dem Bau eines Bürogebäudes im Aachener Industriegebiet auf der Pascalstraße begonnen, in das wir 1991 einzogen. Vom Leiter Systemprogrammierung bin ich 1995 zum Geschäftsführer aufgestiegen, indem ich ein neues Unternehmen gründete. Ich hatte meine eigenen Vorstellungen, wie man mit dem Unternehmen umgehen sollte und habe den Bereich der Beratung ausgegliedert. Es entstand die ComConsult Beratung und Planung GmbH. 1996 kam Dr. Moayeri als technischer Direktor mit an Bord, der bis heute Miteigentümer und Gesellschafter ist. 2019 habe ich die ComConsult Akademie, die mein damaliger Geschäftspartner zwischenzeitlich gegründet hatte, erworben. Im gleichen Jahr wurde das Unternehmen in die heutige ComConsult GmbH umbenannt.
Wie hat sich die Mitarbeiterstruktur im Laufe der Zeit geändert?
Gestartet haben wir vor fast dreißig Jahren mit rund 20 Mitarbeitern. Das Unternehmen ist organisch gewachsen. Heute sind es rund 90 Mitarbeiter, angefangen vom Fuhrparkleiter bis zum Doktor-Ingenieur.
Es hat sich in der Praxis eine Faustregel bewährt: Spätestens mit 55 Jahren sollte sich ein Geschäftsführer Gedanken über seine Nachfolge machen. Wie war das bei dir?
Ich war 60, als ich anfing, mich konkret mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ein Anlass war die Nachfrage einer Bank in Zusammenhang mit einem Kredit. Wenn die Nachfolgeregelung nicht schriftlich formuliert ist, werden die Kredite teuer, weil das Risiko höher ist.
Welche Lösungen standen zur Debatte?
Wir haben die verschiedenen Varianten einer internen und externen Lösung durchgespielt. Zum einen war es eine Erwägung, das Unternehmen an einen Investor wie zum Beispiel ein großes Ingenieurbüro zu verkaufen. In diesem Fall hätten wir uns an eine größere Firma angelehnt, ich wäre noch für eine Weile dabei geblieben und irgendwann ausgestiegen. Das wäre eine Standardlösung gewesen, die durchaus üblich ist. Die zweite Überlegung war, im Innenverhältnis durch geeignete Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter eine Alternative aufzubauen. Auch bei dieser Lösung, Personen aus den eigenen Reihen der Unternehmung als Geschäftsführer in Position zu bringen, war es natürlich ebenfalls das Ziel, dass ich irgendwann ausscheide.
Die Entscheidung fiel auf die Lösung, die Nachfolge der Geschäftsleitung durch interne Mitarbeiter sicherzustellen. Gab es für die möglichen Kandidaten ein Auswahlverfahren?
Wir haben 2019 einen basisdemokratischen Aufruf an die Mitarbeiter gestartet und die Frage gestellt, wer sich für die Aufgabe als Geschäftsführer geeignet hält. Es haben sich viele Mitarbeiter gemeldet. Teilweise haben wir auch selbst Mitarbeiter angesprochen. Die Bewerber kamen aus unterschiedlichen Bereichen, das war ein durchaus interessanter Mix. Es hat sogar eine Auszubildende vor meinem Schreibtisch gesessen. Da war ich total verblüfft, dass sich jemand in diesem Alter eine solche Aufgabe zutraut. Ich habe ihr gesagt, sie müsse noch warten, sie sei die übernächste Generation.
Welche Erwartungen hattest du an die neue Geschäftsleitung?
Viele der Bewerber hatten sich für Technik interessiert. Fakt ist jedoch, dass die Aufgabe eines Geschäftsführers jede Menge Tätigkeiten und Aufgaben umfasst, die mit Technik überhaupt nichts zu tun haben. Es ist ja bei vielen mittelständischen Firmen im IT-Bereich das Problem, dass der „Tekkie“ auch gleichzeitig der Geschäftsführer ist und sich im Wesentlichen nicht um die Organisation kümmert. Der Geschäftsführer verantwortet unter anderem den reibungslosen Ablauf der betrieblichen Unternehmensprozesse. Im Innendienst ist eine zentrale nicht-technische Aufgabe der Personalbereich. Dazu kommen die Abteilungen Buchhaltung, Finanzen und Controlling. Und auch die Abläufe beim Fuhrparkmanagement und im Sekretariat muss er im Auge haben.
Neben dem operativen Geschäft ist der Geschäftsführer auch für die strategische Ausrichtung des Unternehmens zuständig.
Ja. Das strategische Thema Firmenwachstum ist natürlich eine Personalfrage. Die inhaltliche strategische Ausrichtung des Unternehmens ist eine technische Frage. Hier unterstützen bei uns die Mitarbeiter in den einzelnen Competence Centern, die zum Beispiel neue Themen vorschlagen. Entscheidend war für uns, jemanden zu finden, der ein Händchen für Organisation hat und sich nicht nur für Technik interessiert.
Für welche Kandidaten habt ihr euch entschieden?
Am Ende der Bewerbungen hatten wir uns für zwei Kandidaten entschieden: Daniela Gies für den Innendienst mit den eben beschriebenen Aufgaben und Thomas Steil für den Außendienst mit Aufgaben wie Kundenkontaktpflege, Akquisition, Referententätigkeit und Projektarbeit.
Warum habt ihr euch für zwei und nicht nur für einen Geschäftsführer entschieden?
Für mich war klar, dass es keinen Sinn macht, alle Aufgaben auf eine Schulter zu legen, so wie ich es bisher gemacht habe. Ich bin mit dem Unternehmen groß geworden. Ich muss in vielen Dingen gar nicht mehr überlegen, sondern krame in meiner Erfahrungskiste, weil wir zum Beispiel ein ähnliches Problem schon mal vor zwanzig Jahren hatten. Mit meinem Erfahrungshorizont und Bauchgefühl entscheide ich manche Sachen in zehn Minuten, wo andere länger überlegen müssen. Ich kenne das Unternehmen eben in- und auswendig. Deshalb wollten wir die Aufgaben auf zwei Personen verteilen.
Wie hast du die beiden angehenden Geschäftsführer auf ihre neue Rolle vorbereitet? Gab es für die Einarbeitung der Nachfolger einen Plan?
Einen ausgearbeiteten Plan für die Einarbeitung hatte ich nicht. Dafür arbeite ich als Geschäftsführer viel zu intuitiv. Ich habe meine Aufgaben im laufenden Betrieb sukzessive an die jungen Kollegen übergeben. Wenn zum Beispiel morgens die Aufforderung bei mir einging, ein Angebot zu prüfen, habe ich sie einfach weitergegeben. Ich habe meinen designierten Nachfolger im Prozess der Angebotserstellung genau an meine Stelle gesetzt. Ich habe eine Zeit lang noch Fragen beantwortet, mich dann jedoch ganz aus dem Prozess zurückgezogen. Das geschah recht schnell. Ein großes Thema, das ich frühzeitig an die Nachfolger abgegeben habe, war die Personalgewinnung. Da gibt es bei uns zwei große Standbeine. Zum einen gewinnen wir Nachwuchs, indem wir Fachschulabsolventen zum Beispiel zum Fachinformatiker Systemintegration ausbilden, die nach ihrer Ausbildung von uns übernommen werden können. Zum anderen sind es Hochschulabgänger, die wir ansprechen wollen. Ich habe den zukünftigen Geschäftsführern die Aufgabe gestellt, sich zu überlegen, wie ComConsult am Job-Markt bekannter werden kann durch beispielsweise Jobmessen und Internetpräsenz. Hier entstanden schnell neue Ideen, die ich so nie entwickelt hatte und der Personalgewinnungsprozess dynamisierte sich. Heute führe ich überhaupt keine Personalgespräche mehr. Auch die Gehaltsgespräche habe ich an die Nachfolger abgegeben. Es gibt eine Vielzahl an Innen- und Außendienstthemen, die ich nach und nach auf die neuen Geschäftsführer übertragen habe. Zum Beispiel der Bereich Versicherungswesen. Da haben wir natürlich Mitarbeiter, die sich mit Schadensabwicklungen und so weiter beschäftigen. Jedoch müssen die Vorgänge kontrolliert werden. Kooperationen mit anderen Firmen betreue ich auch nicht mehr. Aus dem Akquisitionsgeschäft bin ich ebenfalls so gut wir raus und akquiriere nur noch selten größere Projekte. Ich trete nach außen hin als Geschäftsführer nicht mehr in Erscheinung.
Ist die Übergabe aller Aufgaben an die neuen Geschäftsführer jetzt abgeschlossen?
Ja, nach vier Jahren ist die Phase der Übergabe meiner Aufgaben an die designierten Geschäftsführer nahezu abgeschlossen, alle Prozesse sind glattgezogen. Es gibt noch vereinzelte Themen wie beispielsweise die Betriebsprüfung, die ich noch begleite, weil ich die Historie der letzten Jahre kenne und sie deshalb einfacher abzuwickeln ist. Doch auch die Betriebsprüfung werde ich jetzt abgeben.
Thomas Steil ist zum 1.1.2023 Geschäftsführer der ComConsult GmbH geworden. War das so geplant?
Ja. Der Termin 1.1.2023 war so geplant. Daniela Gies ist zwischenzeitlich für ein Jahr in Mutterschutz bzw. Elternzeit gegangen. Durch diese Unterbrechung wurde ihre Einarbeitungszeit hinten drangehängt und demensprechend verschiebt sich bei ihr der Termin auf den 1.1.2024.
Welche weiteren Schritte folgen jetzt?
Ich bin jetzt 64 Jahre alt. Geplant war, dass ich mit 65 in Rente gehe. Zum 1.1.2024 gebe ich die Geschäftsführungsaufgaben komplett ab. Ich werde dann mit einem gewissen Zeitverzug zum 1.1.2025 auch als Geschäftsführer abtreten.
Denkst du, dass sich ComConsult durch die neue Geschäftsführung verändern wird?
Ja, das ist doch klar. Es gibt ja das alte Sprichwort: „Wie der Herr, so das Gescherr“. Wenn ich nicht mehr die Einstellungsgespräche führe, sondern die nachfolgenden Geschäftsführer, wird sich auch die Auswahl der neuen Mitarbeiter ändern. Das Einstellen von Mitarbeitern ist ja durchaus auch eine persönliche Angelegenheit. Ich habe immer Leute ausgewählt, bei denen ich mir vorstellen konnte, dass sie mit mir persönlich zusammenarbeiten können. Und so wird es in Zukunft vielleicht andere Menschen geben, die bei ComConsult arbeiten, denn ich wähle sie ja nicht mehr aus, sondern die neuen Geschäftsführer. Darüber hinaus werden sich auch die Schwerpunkte verschieben. Wenn ich auf bestimmte Dinge Wert gelegt habe als Geschäftsführer, ist es sicher so, dass die beiden neuen Geschäftsführer andere Dinge für wichtig erachten. Und sicher wird auch die Tatsache, dass eine jüngere Generation das Ruder übernimmt, auf längere Sicht einen Wandel zur Folge haben. Ich bin ja beruflich bedingt mit der Digitalisierung groß geworden. Ich kann meinen Rechner noch bedienen. Manche in meinem Alter können nicht mal mit ihrem Handy vernünftig umgehen. Ich bin nicht bei Facebook, Instagram, LinkedIn und so weiter. Für mich sind das, auch aus Sicherheitsgründen, keine Kommunikationskanäle. Mein Kommunikationskanal ist das Telefon. Microsoft Teams ist da ein Sonderfall. Das funktioniert ja auch gut. Ich war auch immer der Meinung, Homeoffice sei ein Teufelswerk, weil ich meine Mitarbeiter um mich haben wollte. Es hat zwar bei uns immer schon eine Homeoffice-Regelung gegeben, doch ich habe hier, zum Teil auch gezwungenermaßen durch die Pandemie, umdenken müssen. Kurzum: Die jungen Geschäftsführer ticken da ganz anders und werden alleine aufgrund ihres Alters einen anderen Blick auf viele Dinge haben.
Ist es dir schwergefallen, deine Aufgaben abzugeben?
Einige Mitarbeiter haben sich sicher gefragt: „Wird er wirklich aufhören? Schafft er es tatsächlich, die Geschäftsführung abgeben?“ Meine Antwort ist: „Ja klar mache ich das. Locker!“ Vielleicht bleibe ich ja Mitarbeiter bei ComConsult und arbeite noch als Projektleiter in Projekten mit. Das hängt ein bisschen von der Auftragslage ab. Ich wäre dann eben kein Geschäftsführer mehr, sondern Senior-Berater.
Freust du dich auf deine Zeit als Rentner?
Ja. Mein Hobby war immer, Geschäftsführer von ComConsult zu sein. Ich habe jetzt andere Hobbys. Ich werde das Problem haben, was alle Menschen haben, die in Rente gehen: Ich werde keine Zeit mehr haben. Zum einen habe ich jetzt immer noch Projekte, die keiner machen will. Ich baue noch ein Rechenzentrum mit auf und vielleicht mache ich noch etwas für einen großen Neubau in Frankfurt. Wenn mir das zu bunt wird mit den Projekten, wende ich mich anderen Hobbys zu. Ich werde mehr Rad fahren. Ich jage. Damit bin ich schon beschäftigt. Vielleicht baue ich auch mal wieder was, das könnte auch sein.
Bist du noch oft im Büro?
Nein, das liegt ja in der Natur der Sache. Wenn ich alle Aufgaben abgebe, muss ich ja auch nicht mehr anwesend sein. Präsent bin ich noch durch das Bild von mir, das über der Kaffeemaschine hängt. Manche meinen ja, dass es in dem Bild eine Videokamera gibt und ich deshalb genau weiß, wer wann vor der Kaffeemaschine steht. Wenn du mich jetzt fragen würdest, ob sich jemand irgendwann trauen wird, dieses Bild abzuhängen, könnte ich dir keine Antwort geben. Meine Vermutung jedoch ist, dass es irgendwann so kommen wird. Vielleicht bekommt das Bild ja auch einen Platz in der Eingangshalle auf einer Staffelei.
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