aus dem Netzwerk Insider Mai 2025
Die Veränderungen bei VMware hören nach der Übernahme durch Broadcom einfach nicht auf. Was wurde diesmal angedroht? Die minimale Anzahl der Prozessorkerne zu erhöhen, die man lizensieren muss. Glücklicherweise hat das Feedback in den einschlägigen Foren Broadcom dazu gebracht, diese Änderung nicht umzusetzen.
Was ändert sich diesmal?
Eines vorweg: Diesmal geht es weder um eine neue oder wegfallende Lizenzstufe noch um eine direkte Preiserhöhung. Ursprünglich von einem einzelnen Distributor an seine Kunden gemeldet und von der Fachpresse aufgenommen, ging es „nur“ um die minimale Anzahl Lizenzen, die für die Nutzung von VMware-Produkten erforderlich ist. Waren es bisher 16 Prozessorkerne, die man lizensieren musste, sollen es bald 72 sein. Das hätte gerade in kleinen Umgebungen mit wenigen kleinen Servern erhebliche Mehrkosten bedeutet.
Ein Beispiel: Baut man einen 3-Knoten-Cluster auf, von denen jeder Knoten über 16 CPU-Kerne verfügt, so nutzt man eigentlich 48 Kerne, hätte aber in Zukunft 50 % mehr Kerne lizensieren müssen, um überhaupt VMware nutzen zu können. Und ein 3-Knoten-Cluster ist für einige kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) schon eine Hausnummer! Es gibt eine Menge KMUs, die mit einem oder zwei Servern ebenfalls gut auskommen könnten. Man kann über VMware sagen, was man will: Die Administration einer VMware-Umgebung ist durchaus bequem. Selbst an Stellen, an denen es komplizierter wird, ist eine schnelle Google-Recherche meist genug, um sich Schritt für Schritt erklären zu lassen, was man tun kann. Denn auch das muss man VMware lassen: Es hat sich im Laufe der letzten 20 Jahre eine große und hilfsbereite Nutzerbasis geschaffen.
Die befürchteten Auswirkungen
Bei vielen KMUs ist die Frage aufgekommen, ob sie sich VMware noch leisten können. Denn aus reiner Bequemlichkeit oder Angst vor einer Umstellung ein Vielfaches der bisherigen Lizenzkosten zu zahlen, kann schnell existenzbedrohend werden. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die schon in einem früheren Artikel genannte Bündelung der Lizenzen auf wenige Stufen. Dadurch hätte sich eventuell noch der zusätzliche Kostenpunkt ergeben, dass für einzelne Funktionen ein größeres „Paket“ lizensiert werden muss, von dem 90 % der Funktionen nicht benötigt werden.
Das alles hat dazu geführt, dass viele Unternehmen sich nach Alternativen zu VMware umsehen müssen, und das ist nicht einfach. Es spielen unzählige Faktoren in eine solche Auswahl hinein, von unbedingt notwendigen Funktionen über den erforderlichen Know-how-Aufbau bis hin zu den Auswirkungen auf bestehende Systeme, die derzeit mit VMware virtualisiert werden.
Gerade der letzte Punkt mag auf den ersten Blick vielleicht etwas weit hergeholt wirken, ist jedoch für viele Kunden von entscheidender Bedeutung. Zahlreiche aktuelle Dienste und Anwendungen werden vom jeweiligen Hersteller als virtuelle Appliance angeboten und sind nur auf bestimmten Virtualisierungslösungen getestet. An erster Stelle steht dabei oft VMware, die bei vielen Herstellern die einzig offiziell unterstützte Plattform ist.
Betreibt man diese Lösung auf einer anderen Virtualisierungslösung, mag es technisch kein Problem darstellen und alles gut laufen. Doch da man nicht die vom Hersteller unterstützte VMware-Lösung einsetzt, steht man bei Problemen mit der virtuellen Appliance ziemlich alleine da. Im Zweifelsfall wird der Hersteller jeglichen Support ablehnen, solange das Problem nicht auch auf einer VMware-Lösung reproduziert wurde. Sollte die Appliance zudem für die eigene Firma kritisch sein, möchte man dieses Risiko möglicherweise nicht eingehen.
Und hier beißt sich die Katze in den Schwanz: Wo man früher auch in mittelgroßen Umgebungen die Möglichkeit hatte, für einzelne, nur für VMware zertifizierte Lösungen eine kleine Umgebung mit 16 Kernen zu lizensieren, ist selbst das mittlerweile nicht mehr möglich!
Glücklicherweise hat Broadcom nach durchgängig negativem Feedback zu diesen Plänen einen Rückzieher gemacht und die geplanten Änderungen nicht umgesetzt.
Aber selbst wenn die minimale Anzahl der zu lizensierenden Prozessorkerne nicht erhöht wird, stellt man sich unweigerlich die Frage: Konnte Broadcom sich nicht denken, wie die Kunden auf diese Pläne reagieren würden? Doch – und die Motivation, diesen Plan trotzdem zu verfolgen, möchte ich im nächsten Abschnitt erläutern.
Warum macht es Broadcom seinen langjährigen Kunden so schwierig?
Die einfache Antwort auf diese Frage: Um mehr Profit zu machen!
Aber wie kann man mehr Profit erzielen, wenn man Kunden vergrault? Dafür muss man sich anschauen, welchen Aufwand ein KMU mit einer kleinen Umgebung für Broadcom bedeutet. Denn mit der entsprechenden Lizenz hat auch ein kleiner Kunde mit einem einzelnen Server Anspruch auf Support-Leistungen. Viele kleine Kunden zu unterstützen bedeutet jedoch potenziell einen deutlich höheren Aufwand als sich auf (vergleichsweise) wenige, große Kunden mit eigener IT-Abteilung und einem zentralen Ansprechpartner zu konzentrieren. Zudem ist zu erwarten, dass KMUs ohne Virtualisierungs-Spezialisten auch dann den VMware-Support in Anspruch nehmen, wenn das Problem eigentlich beim Kunden liegt. Zwar kann eine solche Anfrage schnell abgelehnt werden, doch verursacht sie dennoch zusätzlichen Aufwand für den Support.
Daher ist, zumindest kurz- bis mittelfristig, damit zu rechnen, dass Broadcom durch die verringerten Support-Kosten mehr Geld einspart, als es durch die verlorenen Kunden hätte einnehmen können. Das bestätigt (leider) auch das Jahresergebnis von Broadcom. Ob dies langfristig so bleibt, wird sich erst noch zeigen. Denn selbst große und langjährige VMware-Kunden wenden sich aufgrund der neuen Kostenstruktur von Broadcom ab und suchen nach Alternativen.
Wird Broadcom durch den Rückzieher viele Kunden behalten oder sogar neue hinzugewinnen? Wahrscheinlich nicht, denn Broadcom unternimmt aktuell sehr viel, um das Vertrauen seiner Kunden zu verspielen.
Was kann man als KMU machen?
Hier muss ich leider sagen: Aktuell hat man nicht viele Möglichkeiten, zumindest wenn man Systeme einsetzt, die als virtuelle Appliance nur für VMware zertifiziert sind. Man kann:
- die Virtualisierung, die uns die letzten 20 Jahre begleitet hat, wieder an den Nagel hängen. Sollte es möglich sein, die virtuelle Appliance auch auf einem physischen Server zu installieren, können Anschaffungs- und Betriebskosten eines kleinen Servers für einzelne Anwendungen und Dienste durchaus günstiger sein als ein VMware-Abo. Das gilt mit dem neuen Lizenzmodell selbst für 16 Prozessorkerne und nicht erst ab 72!
- die Hersteller der betroffenen virtuellen Appliances kontaktieren und um eine Unterstützung für andere Lösungen bitten und ggf. andere Support-Bedingungen aushandeln. Dieser Ansatz ist natürlich der angenehmste, da man dadurch mehr Flexibilität beim Einsatz der Appliance erhält. Allerdings ist hier zu sagen: Damit verursacht man dem Hersteller einen erheblichen Aufwand, der sich in den Kosten der Appliance niederschlagen könnte. Außerdem wird sich nicht jeder Hersteller darauf einlassen, wenn man nur einer von (sehr) vielen Kunden ist. Hier könnte sich erst etwas ändern, wenn eine größere Anzahl von Kunden ähnliche Wünsche äußert. Glücklicherweise haben einige Hersteller die Problematik bei Broadcom erkannt und arbeiten bereits an Alternativen.
- die virtuellen Appliances ohne Support betreiben. Allerdings birgt dies je nach Kritikalität der Appliance, dem eigenen Know-how und der Häufigkeit von Problemen mit der Appliance ein gewisses Risiko.
- die Kröte schlucken und hoffen. Sieht man gar keinen Ausweg, so kann man den unschönen Weg gehen und sich auf den Deal mit Broadcom einlassen. Hier ist das Abo-Modell vielleicht noch ein kleiner Trost, da man die Lizenzen für einen kürzeren Zeitraum, im optimalen Fall das minimale Jahr, erwirbt. In dieser Zeit kann man möglicherweise eine Migration zu einem anderen Hersteller bewerkstelligen, oder der Hersteller der Appliance kann weitere Virtualisierungslösungen unterstützen. Zusätzlich muss man in diesem Fall hoffen, dass Broadcom die angedachte Preiserhöhung nicht durch die Hintertür wieder einführt.
Egal für welche Möglichkeit man sich entscheidet oder ob man noch einen anderen Weg findet: Einfach und angenehm wird es nicht, und zumindest werden kurzfristig signifikante zusätzliche Kosten entstehen.
Fazit
Broadcom stand kurz davor, das Leben seiner kleineren Kunden noch schwerer zu machen und hat erst im letzten Moment einen Rückzieher gemacht. Das ist zwar extrem unfair gegenüber den Kunden, aber leider bestätigen die Zahlen Broadcoms Vorgehen. Wo es möglich ist, sollten sich die derzeit im Stich gelassenen oder finanziell stark belasteten Kunden nach Alternativen umsehen. Leider ist dies nicht immer einfach umzusetzen, und es muss in jedem Fall mit einem erheblichen Aufwand und einem merklichen Komfort-Verlust gerechnet werden.
Einen Lichtblick gibt es vielleicht: Durch das Vorgehen von Broadcom entwickelt sich aktuell wieder ein signifikanter Markt für Virtualisierungslösungen, und mehrere Herausforderer sind in den Ring gestiegen. Hoffen wir, dass die Gewinner in diesem Ringkampf am Ende die Kunden und Endnutzer sind!