Kann man sich IPv4-Adressen bald nicht mehr leisten?

01.02.2022 / Dr. Johannes Dams

Johannes Dams

In den letzten Monaten haben wir uns in Blogs immer wieder dem Thema IPv6 gewidmet. Auf unsere Sonderveranstaltungen im Dezember haben wir eine deutliche Resonanz wahrgenommen. Dabei werden wir nicht müde darauf hinzuweisen, dass IPv6 in absehbarer Zeit auch für Unternehmensnetzwerke wichtig wird oder bereits wichtig ist.

Und wie der Kollege Dr. Moayeri in seinem Blog-Beitrag darstellte, scheint auch auf politischer Ebene der steigende Bedarf an IPv4-Adressen und insbesondere der monetäre Anreiz zum Verkauf von IPv4-Adressen angekommen zu sein. Dort war insbesondere zu lesen, dass das amerikanische Verteidigungsministerium den Verkauf von IPv4-Adressen zu Marktpreisen plant. Diese Tendenzen werden in Zukunft sicherlich durch die Preisentwicklung für IPv4-Adressen am freien Markt weiter befeuert.

Preisentwicklung von IPv4-Adressen

Tatsächlich ist gerade im letzten Jahr ein besonders starker Anstieg der Preise für IPv4-Adressen auf dem freien Markt zu verzeichnen. In den entsprechenden Auktionsplattformen finden sich aktuell (Stand Januar 2022) Preise von bis zu 60 US-Dollar pro IPv4-Adresse. Ausreißer gehen sogar darüber hinaus, wie Abbildung 1 zeigt.

Abbildung 1: Beispiel-Preisansicht (03.01.2022) angebotener IPv4-Adressbereiche [1]

Wo Anfang 2020 der Preis noch bei ungefähr $20,50 lag und bis Anfang 2021 sogar einigermaßen moderat auf ca. $25,00 stieg, sehen wir im letzten Jahr einen rasanten Anstieg von über 200%. Der Verlauf der Preise ist für das Beispiel der Auktionsplattform IPv4.global in Abbildung 2 dargestellt.

IPv4-Adressen werden kostenpflichtig

In der Tat schlagen sich diese Entwicklung sowie die Tatsache, dass IPv4-Adressen nur noch begrenzt über die RIPE als Vergabeorganisation zu beziehen sind, bereits auf Preise von Webhostern durch. Dies berichteten Ende vergangenen Jahres verschiedene entsprechende Online-Medien [2, 3]. Der Webhoster Hetzner bietet nun für seine Dedicated Root Server die Möglichkeit, gezielt auf IPv4 zu verzichten und so zu sparen [4]. Tatsächlich hat Hetzner zeitgleich auch die Preise für zusätzliche IPv4-Adressen mehr als verdoppelt [5].

Auch wenn gerade große Unternehmen mit eigenen Rechenzentren diese Entwicklung noch nicht spüren, ist es sicherlich nur eine Frage der Zeit, bis auch hier für einige Anwendungen die Frage aufkommt, ob man IPv4-Adressen als Add-On benötigt. Im Endeffekt ergibt sich dann die Diskussion, den eigenen IPv4-Adressvorrat aufzulösen und in Geld zu verwandeln.

Zwar sind derartige Beispiele noch recht selten anzutreffen, dennoch ist zu erwarten, dass auch in Zukunft immer mehr Hoster und Anbieter IPv4 gesondert berechnen werden. Langfristig kann IPv6 hier also nochmal attraktiver werden.

Abbildung 2: Preisentwicklung von IPv4-Adressen am Beispiel einer Auktionsplattform [1]

Schlussfolgerung

Natürlich soll dieser Artikel nicht zum hastigen Verkauf des IP-Vorrats verleiten und auch nicht dazu aufrufen, IPv4 zum Spekulationsobjekt zu machen. Worauf dieser Beitrag jedoch hinweisen soll, ist auf die sich offensichtlich weiter verschärfende Knappheit von IPv4-Adressen. Denn das Angebot bestimmt den Preis, und ein steigender Preis deutet in diesem Fall auf einen steigenden Bedarf und ein geringeres Angebot hin.

Das deckt sich ebenfalls mit unserer Erfahrung, dass Kunden wieder vermehrt über IPv6 als Notwendigkeit sprechen. In diesem Sinne kann ich nur appellieren, IPv6 nicht aus dem Blick zu verlieren. Irgendwann wird dies mit hoher Sicherheit für die meisten Netze relevant. Eine vollständige Migration kann durchaus je nach Komplexität viele Jahre in Anspruch nehmen und sollte daher nicht verschlafen werden. Mindestens einen entsprechenden Know-how-Aufbau sollte man beginnen, falls dies noch nicht geschehen ist.

Literaturhinweise

[1] IPv4.GOBAL/Hilco.Sterambank, Internetseite: https://auctions.ipv4.global, abgerufen am 03.01.2022

[2] Bert Ungerer (09.12.2021). Server- und Webhoster Hetzner: IPv4 als kostenpflichtige Option, heise.de. https://www.heise.de/news/Hetzner-IPv4-als-kostenpflichtige-Option-6289710.html

[3] Sebastian Grüner (08.12.2021). Hetzner bringt IPv6-Only für Root Server, golem.de. https://www.golem.de/news/hosting-hetzer-bringt-ipv6-only-fuer-root-server-2112-161642.html

[4] Hetzner Online GmbH (07.12.2021). News: IPv6 Only für Dedicated Root Server. https://www.hetzner.com/de/news/12-21-ipv6-only/

[5] Hetzner Online GmbH (08.12.2021). IPv4-Preise – Preisanpassung von IPv4-Adressen. https://docs.hetzner.com/de/general/others/ipv4-pricing/

IPv6: Grundlagen, Migration, Betrieb
05.08.-06.08.2024 online

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