aus dem Netzwerk Insider Januar 2024
Für Unternehmen ist eine einwandfreie und zuverlässige Mobilfunkverbindung im gesamten Gebäude von essenzieller Bedeutung. Ursachen für mangelnde Mobilfunkversorgung können eine zu große Distanz zum Mast des Mobilfunknetzbetreibers sein oder Bausubstanzen wie Metall und Stahl, die die Durchdringung der Funkwellen erheblich erschweren bis unmöglich machen. Doch was ist zu tun, wenn die Firmen-Endgeräte keinen Empfang haben?
Frederik Stückemann hat an der FH Aachen Elektrotechnik mit dem Schwerpunkt Kommunikationstechnologien studiert und ist vor zwei Jahren über seine Masterarbeit zum Thema 5G bei ComConsult eingestiegen. Seitdem beschäftigt er sich im ComConsult Competence Center Funknetze mit Mobilfunkmessung und -simulation und berät Unternehmen zu privaten 5G-Netzen und Inhouse-Mobilfunkversorgung. In diesem Interview erzählt er, warum in den meisten Gebäuden einer Konzernzentrale die Kommunikation nur teilweise oder gar nicht mehr möglich war.
Ein weltweit agierender Konzern hat ComConsult damit beauftragt, eine Mobilfunkmessung für die Zentrale in Deutschland durchzuführen. Wie war die Ausgangslage?
Die Kommunikation innerhalb des Unternehmens ist stark auf Mobilfunk ausgerichtet. Der Kunde nutzt als Hauptprovider die Telekom. Das Problem ist, dass die Telekom keinen Mobilfunkmast in der Nähe der Konzernzentrale hat. Aufgrund der Entfernung des Mastes und auch wegen der Verbauung von Stahl und Metall in den Gebäuden ist die Mobilfunkversorgung in einigen Bauten auf dem Campus extrem schlecht, was eine Kommunikation schwer bis unmöglich macht. Wenn also beispielsweise ein Mitarbeiter im Lager mit seinem Handy Kontakt zu einem Kollegen aufnehmen möchte, um einen Fehler an einer Maschine zu melden, ist das teilweise gar nicht möglich. Als Notlösung gibt es zwar stationäre Telefonanlagen, doch das ist ja nicht mehr zeitgemäß und löst das Problem des schlechten Mobilfunks auch nicht.
Wie groß ist das Gelände der Konzernzentrale?
Insgesamt handelt es sich um eine Fläche von rund 45.000 Quadratmetern. Es befinden sich zehn Gebäude auf dem Campus mit jeweils einem Untergeschoss, einem Erdgeschoss und ein oder zwei Obergeschossen. Die Gebäude sind sehr unterschiedlich. In einigen Bauten befinden sich Produktionshallen, in anderen Lagerflächen mit Blechdächern oder Büroeinheiten in Betonbauweise. Neun der zehn Gebäude sollten von uns gemessen werden.
Welches Equipment verwendest du bei der Mobilfunkmessung?
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten für die Mobilfunkmessung. Zum einen haben wir den passiven Scanner von Rohde & Schwarz, das ist der TSMA6B. Das ist ein Scanner, der nur „zuhören“ kann. Er nimmt auf, was an Mobilfunk unterwegs ist, kann allerdings keine Daten senden und keine aktiven Tests wie Durchsatzmessung mit Geschwindigkeit oder Latenzen durchführen. Der Vorteil an diesem passiven Scanner ist, dass wir mit ihm beim Kunden alle drei oder vielleicht auch vier Provider und auch alle Technologien – also 2G, 4G, 5G – parallel messen können. Wir müssen also nicht pro Provider jeweils einmal durch das Gebäude laufen, sondern können in einem Durchgang sofort alles gleichzeitig messen. Das QualiPoc von Rohde & Schwarz ist ein smartphonebasiertes Werkzeug, mit dem wir aktive Messungen durchführen können. Mit diesem Tool sind beispielsweise Durchsatzmessungen, Ping-Tests und Tests der Telefonie möglich. Der Nachteil ist, dass man jeweils nur einen Provider mit einer Technologie messen kann und man neun Mal durch alle Gebäude gehen muss, um alle Möglichkeiten durchzumessen. Wir verwenden in den meisten Projekten den passiven Scanner. So auch im vorliegenden Projekt.
Welche technischen Parameter schaut ihr euch bei der Messung an?
Es gibt zwei grundlegende Parameter, die wichtig sind. Zum einen ist es die Signalstärke, die angibt, was bei dem Gerät von der Sendeleistung überhaupt ankommt. Zum anderen ist es die Signalqualität, die wir auswerten. Kriterien sind hier zum Beispiel, ob es viel Rauschen oder Überschneidungen mit anderen Signalen gibt.
Welche Provider habt ihr gemessen?
In einer ersten Vorbetrachtung schauen wir uns mithilfe einer Software an, wo sich die nächsten Mobilfunkmasten befinden. Der Kunde hat zwar wie gesagt als Hauptprovider die Telekom, gemessen haben wir jedoch alle Provider, denn es ist kaum Mehraufwand und möglicherweise können wir oder der Kunde die Messdaten ja zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal gebrauchen. Der Mast von der Telekom war über einen Kilometer vom Standort des Kunden entfernt, sodass klar war, dass das Signal nicht sehr gut sein konnte.
Wie verliefen die Messungen vor Ort?
Auf einem Tablet haben wir uns den Gebäudeplan angeschaut und sind dann mit dem passiven Scanner von Raum zu Raum, von Etage zu Etage, von Gebäude zu Gebäude gelaufen. Im Plan haben wir mit Punkten gekennzeichnet, wo wir uns gerade befinden. Zuerst hatten wir drei Tage für die Messungen eingeplant. Nach zwei Tagen hatten wir die Messungen in den neun Gebäuden abgeschlossen.
Mir hat die Arbeit beim Kunden Spaß gemacht. Ich finde es interessant, wenn die Mitarbeiter vor Ort auf mich zukommen und mich fragen, was ich da mache. Und wenn ich ihnen dann sage, dass wir wegen dem Mobilfunk da sind, kommen Fragen, was wir denn daran machen können, dass der Empfang so schlecht ist und so weiter. Die Gespräche mit den Mitarbeitern sind für mich immer sehr unterhaltsam.
Wie sahen die Messergebnisse aus?
Mit einer Software haben wir uns auf der Karte die Verfügbarkeit und Qualität der Signale im jeweiligen Gebäudeteil genau angeschaut. Drei Häuser waren relativ gut versorgt und bei sechs Gebäuden war die Signalübertragung schwach beziehungsweise unzureichend. Grundsätzlich war der Empfang in den unteren Geschossen schwächer und wurde besser, je weiter wir nach oben kamen. In den oberen Etagen war 2G und maximal LTE 4G verfügbar. 5G war an dem Standort so gut wie nicht vorhanden.
Die Ergebnisse waren für den Kunden doch sicher keine Überraschung.
Das ist richtig. Es war eine strategische Entscheidung der Geschäftsleitung, eine umfangreiche und vollumfängliche Mobilfunkmessung durchführen zu lassen, um schwarz auf weiß zu haben, wie der Status quo ist.
Welche Anforderungen bestanden an die Dokumentation der Ergebnisse? Was beinhaltete der Messbericht genau?
Es gibt zwei Darstellungsweisen: einen Report in Form einer Tabelle und eine grafische Darstellung in Form des Gebäudeplans. Wir haben zum einen eine Tabelle erstellt, in die wir jedes Gebäude und jede Etage eingetragen haben. Dort haben wir vermerkt, ob die Messergebnisse hinsichtlich der Parameter 2G, 4G, 5G, Signalstärke und Signalqualität gut, ausreichend oder nicht ausreichend waren. Diese Methodik ist an den globalen Standard des Bewertungskatalogs von WiredScore angelehnt. Zum anderen visualisieren wir die Messergebnisse direkt im Gebäudeplan. Der Kunde kann sehen, wo genau wir Messungen vorgenommen und welche Messpunkte wir gesetzt haben. Auch hier haben wir uns an WiredScore orientiert und die Bereiche rot, gelb oder grün eingefärbt – je nachdem, ob der Mobilfunk gut, ausreichend oder nicht ausreichend war.
Welche Maßnahmen zur Verbesserung des Mobilfunks im Gebäude hat ComConsult dem Kunden empfohlen?
Wir haben dem Kunden dazu geraten, im ersten Schritt auf die Telekom zuzugehen und gemeinsam zu überlegen, ob es eine Möglichkeit gibt, einen Mast in der Nähe des Konzerngeländes aufzubauen.
Eine recht einfache Option, die Kommunikation innerhalb des Unternehmens zu verbessern, ist die Telefonie über WLAN abzuwickeln. Diese Technologie nennt sich WiFi-Calling und wurde mit 4G eingeführt. Man telefoniert nicht über das Mobilfunksignal an sich, sondern baut einen VPN-Tunnel zur Basisstation des Mobilfunkproviders auf und telefoniert über das WLAN. Diese Technologie ist jedoch nicht immer zuverlässig, weil nicht alle Endgeräte sie unterstützen. Ein großer Nachteil an dieser Variante ist auch, dass keine Notrufe abgesetzt werden können, weil eine Ortung nicht möglich ist.
Eine weitere und sicher auch die eleganteste Lösung, den Mobilfunk auf dem Gelände zu verbessern, ist die Investition in ein Inhouse-Mobilfunksystem. Bei dieser Variante würde man eine autarke Basis-Station des Providers zum Beispiel im Keller eines Gebäudes auf dem Firmengelände aufbauen. Man würde überall Koaxial- oder Glasfaserkabel verlegen und ein entsprechendes Mobilfunksignal über eigene, nur für die Firmengebäude ausgerichtete Antennen ausstrahlen. Die Installation eines solchen Systems ist allerdings sehr aufwändig und kostenintensiv und man müsste pro Gebäude schätzungsweise einen mittleren sechsstelligen Betrag investieren.
Die günstige Variante vom Inhouse-Mobilfunksystem ist der Mobilfunk-Repeater. Hier greift man das Mobilfunksignal außerhalb des Gebäudes mit einer entsprechend guten Antenne auf und verteilt es innerhalb des Gebäudes. Da es jedoch Einschränkungen bei der Gebäudefläche gibt und das Signal von außerhalb recht gut sein muss, kam diese Variante für unseren Kunden eher nicht infrage.
Ob und welche Maßnahmen der Kunde am Ende umgesetzt hat, entzieht sich meiner Kenntnis.
Besteht bei den Unternehmen ein erhöhter Bedarf an Beratung zum Thema Mobilfunk?
Ja, immer mehr Unternehmen haben Probleme mit dem Mobilfunk. Gerade bei Neubauten wird die Verglasung immer extremer, teilweise haben wir Drei- oder Vierfachverglasung einschließlich Verglasung mit Metallbedampfung. Für die Energieeffizienz sind das Pluspunkte, doch für ein Mobilfunksignal sind das natürlich sehr schlechte Voraussetzungen. Leider wird der Aspekt des Mobilfunks bei der Planung von Gebäuden oft wenig berücksichtigt. Wir sind schon froh, wenn die Architekten WLAN-Accesspoints einplanen, was sie oft genug nicht machen, obwohl das der absolute Standard ist. Das Thema Mobilfunk wird bei der Planung ganz hintenangestellt. Da denkt meistens keiner dran. Erst wenn es zu spät ist und das Gebäude schon zur Hälfte steht, fällt auf, dass das Handy gar keinen Empfang mehr hat. Dann ist das Kind jedoch schon in den Brunnen gefallen.