„Netz weg – Feierabend“? Ein kleines Alltagsbeispiel mit Blick auf Notfallvorsorge
09.04.2024 / Oliver Flüs
Daten und Digitalisierung sind wichtige Faktoren und im Normalzustand unverzichtbar. „Internet und Cloud – das muss einfach da sein“. Ist das wirklich so? Internetzugang überall und ohne jede Störung ist ein unrealistisches Versprechen, eine entsprechende SLA-Forderung sinnlos. Man muss im „Offline-Fall“ auch nicht sein Schicksal hinnehmen, aber: „Gewusst wie“ muss jeder für die eigene Situation klären. Ein Alltagsbeispiel soll dies vorführen.
Neulich in der Apotheke …
Eigentlich ganz einfach, und schon viele Male innerhalb von wenigen Minuten erledigt: Hinein in die Apotheke um die Ecke, freundlich gegrüßt, leere Packung aus der Hausapotheke auf den Tisch gelegt, „einmal Nachschub hierzu bitte“ gesagt, neue Packung erhalten, bezahlt – und tschüss. Variante 2: Das Produkt ist ausnahmsweise nicht vorrätig. Dann wird eine Bestellung eingeleitet, bei Vorkasse-Zahlung neben einem Zettel mit Abholnummer zur Reservierung eine Quittung ausgestellt und ein frühester Abholzeitpunkt genannt.
Neulich gab es überraschend folgende Auskunft: „Das haben wir da, doch können es leider zurzeit nicht verkaufen. Der Internetanschluss ist gestört – wir können den Preis nicht nachschauen. Bitte versuchen Sie es heute Nachmittag noch einmal.“
Möglicher Schaden durch so eine „Offline-Situation“
Erster Gedanke nach kurzem Erstaunen: Warum ist die Apotheke unter den Umständen überhaupt geöffnet? Ein Blick zur Seite brachte die Erklärung. Dort stand die kleine Schlange derer, die nach und nach ihre mitgebrachten Papierrezepte einlösen konnten. Das funktionierte offenbar auch im Offline-Zustand (mal sehen, wie sich das mit zunehmendem Nutzungsanteil der Option „E-Rezept“ darstellen wird).
Also war kein völliger „service down“-Zustand zum Kerngeschäft gegeben. Aus wirtschaftlicher Sicht für die Apotheke dennoch übel: Unmittelbar fällt in so einem Zustand der komplette Umsatz aus, der sonst mit frei verkäuflicher Ware möglich ist. Außerdem: Je nach Dringlichkeit (Beispiel Erkältungszeit) wird die Kundschaft nicht bis zum Nachmittag warten können oder wollen. So lernt man dann womöglich eine weitere Apotheke in der Nähe kennen und findet deren Lage oder die dort erfolgende freundliche Behandlung sehr gut. Gute Kundenbindung aus Sicht der Apotheke mit dem Internet-Problem sieht anders aus. Je länger so ein Zustand andauert, desto schmerzhafter die unmittelbaren Einbußen und der mögliche Folgeschaden.
Schadensbegrenzung – aber richtig!
Interessante Entdeckung während der Wartezeit auf den Nachmittag: Die Apotheke verfügt über eine Webseite. Dort kann man Produkte suchen, ihre Verfügbarkeit prüfen, Vorhandenes zur Abholung reservieren usw. Gefundene Produkte und ihre Packungsgrößen werden dort mit Preisangabe angezeigt. Testergebnis aus Neugierde: Diese Webseite war erreichbar! Eventuell war hier also eine Art Überbrückungslösung statt „kein Verkauf ohne Internet“ denkbar: Ein Endgerät in der Apotheke mit Mobilfunk-basiertem Internet-Zugriff hätte ermöglicht, Preise zu vorrätiger Ware nachzuschauen.
Also dumm gelaufen, hätte man nur die richtige Idee gehabt, wäre alles kein Problem gewesen? Auf den ersten Blick kann man diesen Eindruck haben. Vorsichtige Verallgemeinerung: Wenn für den konkreten Fall so eine Lösungsalternative winkt, lohnt sich das Weiterdenken in dieser Richtung.
Kommt man tatsächlich mit Bedacht zu einer Ersatzlösung, die größeren Umsatz- oder Produktivitätsausfall vermeiden kann, ist es sinnvoll, sich für den Wiederholungsfall entsprechend vorzubereiten. Mit einer durchdachten Vorbereitung, und nur dann, kann man eine Notbetriebsoption zur Hand haben, die gut nützt.
Einfach drauflos improvisieren dagegen kann nach hinten losgehen, je nachdem, welche im Normalfall funktionierenden Abläufe man dabei einfach durchbricht. Wieso das denn? Nehmen wir noch mal das Beispiel mit der Apotheke. Wenn man einen Plan B zur normalen Vorgehensweise nutzt, muss man den Gesamtablauf berücksichtigen. Es reicht nicht, eine Klippe zu umschiffen, im Beispiel: den Preis auf unübliche Weise zu ermitteln. Es müssen auch Fragen zu Folgeschritten sinnvoll beantwortet werden. Bei Verkauf und Kassieren sind das etwa:
- Wie kommt die Entnahme der vorrätigen Ware als Information zum neuen Ist-Zustand in die Datenbank zur Lagerhaltung vor Ort? Eine solche Datenbasis muss es bei der Beispielapotheke offenbar geben, sonst wäre z.B. eine Kundenauskunft „vorrätig oder nicht“ über die Webseite der Apotheke nicht möglich.
Irgendwie sollte man die ausgegebene Ware notieren, handschriftlich oder digital. Ideal ist natürlich ein Format, das später ein Update für die Datenbank möglichst leicht macht.
- Funktioniert eine digitale Kasse noch vollständig, wenn man nicht Internet-fähig ist? Nutzt man eine moderne Lösung, die Kassieren, Kundenbeleg ausstellen und „Input für digitales Kassenbuch“ vereinigt, muss man hier sehr aufpassen.
Die zu erfassenden Daten dürfen bei Bezahlvorgängen im Offline-Zustand nicht weg sein. Hier muss man sich zumindest für Situationen absichern, in denen der Offline-Fall länger andauert. Wo werden solche Daten offline vorgehalten, für wie lange reicht der Speicherplatz, wann wird dieser womöglich zyklisch überschrieben, usw.? Entsprechende Details können auch davon abhängen, inwieweit Datenübergaben an SaaS- oder Cloud-Lösungen Teil der Verarbeitung sind. Vielleicht reicht schon ein Fotografieren oder Kopieren der Belege vor Ausgabe an die Kundschaft zur Absicherung. Das muss man dann auch geeignet vorklären und bewusst tun.
Wichtig, unabhängig davon, was man sich als Details zum Notbetrieb zurechtlegt: Das muss vom gesamten Personal beherrscht werden, das in die zu überbrückende Lage kommen könnte. Also: Aufschreiben, durchsprechen, wiederholt durchgehen, … – diese Schritte zur Notfallvorbereitung gehören dazu. Sonst waren die Ideen gut, die Detailausarbeitung hoffentlich auch – und trotzdem ist die schadensbegrenzende Wirkung fraglich.
Verschiedene Wege zur Überbrückung – welche(n) vorbereiten?
Der Netzanschluss ist ausgefallen: Je nach Abläufen und insgesamt noch zu überbrückenden Problemen im Arbeitsablauf können Ausweichlösungen mit hohem organisatorischem Anteil als zu kompliziert und aufwändig erscheinen. Was dann? Spätestens in diesem Moment sollte man noch einmal gedanklich zur gestörten technischen Lösung zurückkehren.
Bemühen wir erneut das Apothekenbeispiel: War ein DSL-Internetanschluss ausgefallen, besteht die Möglichkeit, dass ein Internet-Zugriff via Mobilfunk am Standort noch möglich war. Hier gibt es verschiedene Varianten, sich das zunutze zu machen: Notebook mit SIM- oder eSIM-Zugang zum Internet via Mobilfunkanbieter; Smartphone mit entsprechendem Zugang, das man für das eigentliche Endgerät zum WLAN-Hotspot werden lässt; usw. Auch hier gilt: Vorbereitete Lösungswege sind besser als ein Hoffen auf erfolgreiches Improvisieren. Geräte mit entsprechender Ausstattung müssen da sein. Smartphones mit fast leerem Akku und ohne Nachlademöglichkeit helfen nicht wirklich, Personal ohne sichere Kenntnis zur Aktivierung solcher Vernetzungsalternativen auch nicht.
Konsequenzen
Was zeigt das Weiterspinnen des kleinen Ereignisses aus der Apotheke:
Das Nachdenken über gezielten Umgang mit IT-Ausfällen wird mit zunehmender Digitalisierung von Arbeitsabläufen immer wichtiger. Was bietet die eingesetzte Technik an Ausweichoptionen, was kann man selbst bei der Arbeitsweise umorganisieren? Ist man insbesondere weder technisch noch organisatorisch offline-fähig, droht „vorübergehend geschlossen“, d.h. vollständiges Einstellen der Arbeiten.
Überbrückungsideen müssen dabei wie gesehen nicht genial oder technisch hochgradig aufwändig sein. Die Strategie „Improvisation muss reichen“ ist allerdings gefährlich: Die digital gestützten Abläufe werden stetig komplexer. Unüberlegtes Eingreifen an einer Stelle kann sogar mehr Folgeschaden anrichten, als es den Ausfallschaden bei Abwarten bis zum Störungsende reduziert. Wichtig: Es geht nicht darum, mit einer einzelnen Überbrückungsoption komplett die Lage zu retten. Nennenswerte Schadensbegrenzung mit überschaubaren Mitteln ist für viele Arbeitssituationen das sinnvollere und machbarere Ziel. Ebenfalls wichtig: Wenn eingreifen, dann richtig – gewählte Überbrückungsmaßnahmen müssen sicher beherrscht werden.
Optimal ist dabei, wenn eingesetzte digitale Lösungen gezielt die Situation phasenweiser Offline-Zustände berücksichtigen und hierzu technisch etwas anbieten. Hier ist der Lösungsanbieter gefragt. Dies betrifft sowohl die Schaffung entsprechender Funktionen und Optionen als auch eine Beratung und Unterstützung bei Wahl und Nutzung. Wer IT-Lösungen nutzt, kennt die eigenen Arbeitsabläufe. Eine selbständige Auseinandersetzung mit technischen Details wie realistischen Formen von Störungen ist damit nicht verbunden. Wer als Produktanbieter hier auf gezielte Nachfragen potenzieller Kunden wartet, verkauft womöglich sein Produkt unter Wert und schadet unnötig allen Beteiligten.