aus dem Netzwerk Insider Januar 2022
Menschen sind sehr unterschiedlich. Der eine oder andere mag sicherlich seine Dienstreisen vermissen. Schließlich gibt es viel zu sehen und irgendwas erlebt man immer: Eine schöne Stadt an einem Sommerabend, eine nette Begegnung im Zug oder ein Depp auf der Autobahn. Vielleicht möchte man auch einfach nur mal raus und seine Umgebung verändern. nach vielen Monaten an kläglich wenigen unterschiedlichen Orten.
Trotzdem vermisse ich meine Dienstreisen nicht. Natürlich sind immer nette Dinge dabei, doch am Ende des Tages kosten sie vor allem unglaublich viel Zeit.
Doch hier geht es nicht um Vorlieben. Nach wie vor gilt die Binsenweisheit: „Wir sind hier nicht bei ‚wünsch dir was‘, sondern bei ‚ist so'“. Dienstreisen sind für den Großteil der Beschäftigten zur Ausnahme geworden.
Das belegen Zahlen, die der Verband Deutsches Reisemanagement (VDR) bei insgesamt 800 Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen erhoben hat: Nach jährlich stetig steigenden Zahlen bis zur Pandemie ist die Zahl der Geschäftsreisen 2020 jäh um über 80 Prozent zusammengebrochen (siehe Abbildung 1). Für Hotels, Autoverleiher, Reiseveranstalter und viele mehr ist das natürlich fatal.
Aber für einen Großteil der ehemals Reisenden lautet eine der verblüffendsten Erkenntnisse aus den letzten 18 Monaten: Das geht ja!
Es gibt Alternativen zur Dienstreise. Die hat es bereits vor der Pandemie gegeben, aber konsequent genutzt wurden sie bis dahin nicht. Jetzt, nachdem wir quasi dazu gezwungen wurden, stellen viele von uns fest, dass es auch anders geht. Und diese Erkenntnis wird bleiben, ganz egal wie lange diese Pandemie noch anhält (siehe auch Erlebnis versus Flexibilität, Insider 12/2020).
Aktuell planen deutsche Unternehmen laut VDR mit ca. 30 Prozent weniger Dienstreisen als vor der Pandemie. Im Vergleich zu dem initialen Einbruch von über 80% klingt das geradezu moderat, doch im Kontext der bis dahin stetig steigenden Zahlen bleibt die Prognose beachtlich.
Die Gründe dafür liegen ebenfalls auf der Hand: Neben der Zeitersparnis für die Nicht-Reisenden können die Unternehmen hohe Kosten einsparen. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) handelt es sich dabei um rund 11 Milliarden Euro allein im vergangenen Jahr 2020, vermutlich sogar noch deutlich mehr.
Die Alternative: Virtuelle Meetings
Doch wie sieht sie eigentlich aus, die schöne neue Welt ohne Dienstreise?
Bereits unmittelbar nach Beginn der Pandemie geisterte bereits ein sehr konkretes Bild durch die Medien. Die Videokonferenz als glänzende IT-Waffe zur Bewältigung der Bürden durch die Pandemie.
Sie wurde sozusagen zum Inbegriff der digitalen Sofortmaßnahmen. Zoom wurde auf einen Schlag weltberühmt, nicht zuletzt, da das Unternehmen in einer turbulenten Zeit den Spagat zwischen Consumer- und Enterprise-Markt gemeistert hat und damit schlagartig die Nutzerbasis vervielfachen konnte. Letztlich zogen alle Anbieter mit und die gesamte Branche wurde zum Überflieger, allen voran Microsoft, Cisco und eben Zoom.
Für viele Unternehmen und Behörden bedeutet dies einen erheblichen Sprung bei der Digitalisierung der Kommunikation, insbesondere wenn diese vor der Pandemie noch stark auf On-Prem-Telefonie mit Fokus auf Tischtelefonen in den Büros basierte.
Denn im Homeoffice sind plötzlich neue Lösungen gefragt, um die Kommunikation aufrecht zu erhalten und damit die Kontrolle nicht an eine von den Anwendern gut gemeinte und eilig eingeführte Schatten-IT verloren geht.
Dass auch in diesen Fällen häufig auf Videokonferenzen (auf neudeutsch: Meeting-Lösungen) gesetzt wurde, mag an der allgemeinen Hype-Stimmung der Branche gelegen haben.
Sicher ist allerdings auch, dass hierfür ein nicht unerheblicher Teil der 11 Milliarden Euro aus den Einsparungen der Dienstreisen wieder verbraucht worden sein dürfte. Dazu zählen neben ggf. notwendigen einmaligen Investitionen für Laptops, Webcams und Headsets auch die (laufenden!) Kosten dieser Meeting-Lösungen.
Es gibt gute Gründe, weshalb es sich bei den eilig eingeführten Lösungen geradezu ausschließlich um Dienste aus der Cloud handelt. Vor allem musste es schnell gehen und nichts lässt sich so schnell umsetzen wie eine Cloud-Lösung. Doch günstig sind diese Lösungen sicherlich nicht, zumal sie die Kommunikation im Kern nur um einen zusätzlichen Dienst erweitern, der im Sinne von Unified Communications ohnehin längst Bestandteil einer modernen Kommunikationslösung sein sollte.
Allerdings entwickeln sich die Anbieter längst weiter. Künftig wird die reine Meeting-Lösung, also das Vorzeigeprodukt der Pandemiebewältigung, eher zum Nischenprodukt und der Videokonferenzdienst in den Gesamtlösungen aufgehen. So bietet inzwischen selbst Zoom vollständige Lösungen für Unified Communications an, inklusive der klassischen Telefonie. Bei Cisco Webex oder Microsoft Teams ist dies ebenso wie bei vielen weiteren Lösungen längst möglich. Auch Anbieter, die sich bisher auf Unified Communications beschränkt haben, nehmen Videokonferenzen in ihre Standardangebote mit auf.
Der große Preiskampf lässt allerdings noch etwas auf sich warten. Bislang ging es den Herstellern vor allem darum, Anteile des plötzlich sehr viel größer gewordenen Kuchens zu ergattern. Wir müssen abwarten, wie sich der Markt künftig entwickelt.
Merkmale virtueller Meetings
Doch was bedeutet das nun für Unternehmen und öffentliche Einrichtungen? Ist die Videokonferenz damit ‚gelöst‘ und künftig Teil aller Produkte?
In gewisser Weise ja, denn der Basisdienst Video ist heutzutage keine allzu große Herausforderung mehr. Hier gibt es bereits eine Unmenge von Lösungen und es werden gefühlt täglich mehr.
Allerdings hat sich die Branche in viele Richtungen weiterentwickelt.
Zunächst gehört dazu natürlich die Qualität der Video- und Audioübertragung, unterstützt durch Codecs, Optimierungsalgorithmen und die Infrastruktur sowohl der Anbieter als auch der Teilnehmer. Erst ab einer gewissen Mindestqualitätsschwelle kann eine Lösung sinnvoll genutzt werden. Unterhalb dieser wird insbesondere die Audio-Kommunikation schwierig bis unmöglich, da Worte verloren gehen, unverständlich oder so lange verzögert werden, sodass sich die Teilnehmer ungewollt gegenseitig ins Wort fallen.
Die Hersteller geben sich daher zu Recht große Mühe, die Qualität mit aufwändiger Infrastruktur, komplexen Codecs und Optimierungsalgorithmen zu verbessern (und zu bewerben). Glücklicherweise haben inzwischen die meisten Dienste einen Zustand erreicht, in dem diese Mindestschwelle in der Regel deutlich überschritten wird.
Bei den Anwendern lassen sich allerdings häufig individuelle Vorlieben beobachten. Diese basieren jedoch meist auf eigenen Beobachtungen und spiegeln in der Regel nicht die Qualität des zugrundeliegenden Dienstes.
Denn für die Qualität der Videokonferenz ist letztlich insbesondere die „letzte Meile“ entscheidend: Die Internetverbindung der Teilnehmer, die Qualität bzw. Störungen lokaler WLANs, der verwendete Client sowie die Qualität von Kamera und Headset.
Im hochformalen Fachjargon heißt es schlicht: „Shit in, shit out“ – ohne ordentliche Eingangsdaten kann es auch kein gutes Ergebnis geben. Es gilt also, bei typischen Problemen zuerst anzusetzen. Unterschiede zwischen den etablierten Anbietern machen dagegen den kleineren Anteil aus.
Doch auch funktional hat sich einiges getan, sodass sich die Dienste ganz offensichtlich voneinander unterscheiden. So bieten einige Dienste mittlerweile umfangreiche Konfigurationsmöglichkeiten für die Ansicht der einzelnen Videobilder. Interessante Teilnehmer können in den Vordergrund gestellt, Inhalte nach Belieben angeordnet und in unterschiedlicher Größe dargestellt werden.
Sehr beliebt ist inzwischen die Anpassung des eigenen Hintergrunds. Während sich vor einigen Jahren noch kaum jemand für diese Funktion interessiert hat, wird sie inzwischen sehr häufig genutzt, um beispielsweise die Umgebung im Homeoffice unkenntlich zu machen. Einen ähnlichen Ansatz gibt es auch für den Audiokanal: Hier wird versucht, Hintergrundgeräusche auszublenden, wie beispielsweise Straßenlärm, Hundegebell oder einen Staubsauger.
Vielfach werden diese Funktionen als Methoden der Künstlichen Intelligenz beworben. Tatsächlich handelt es sich dabei um ein großes Spektrum von mehr oder weniger beeindruckenden Funktionen, mit deren Hilfe sich insbesondere die großen Anbieter von der Konkurrenz absetzen möchten.
Dazu gehört auch die Einführung umfangreicher Interaktionsmöglichkeiten über den Audio- und Videokanal hinaus. So können Reaktionen (Daumen hoch, Applaus etc.) per Knopfdruck oder automatische Gestenerkennung übermittelt werden. Teilweise sind auch deutlich darüber hinaus gehende Funktionen für gemeinsame Whiteboards, Umfragen, Word-Clouds etc. verfügbar.
All diese Dinge können einen echten Mehrwert generieren, vorausgesetzt natürlich, dass sie genutzt werden. Insbesondere müssen die Anwender die Lösung kennen und verstehen. Dies wird umso schwieriger, wenn virtuelle Meetings eingesetzt werden, um Dienstreisen zu ersetzen. Denn in diesem Fall sind häufig unterschiedliche Unternehmen mit unterschiedlichen Kommunikationslösungen beteiligt. In diesem Fall gibt es immer Gäste, die sich auf einer fremden Lösung bewegen müssen.
Von den Anwendern wird also eine entsprechend hohe Medienkompetenz in einem recht speziellen Feld erwartet. Einerseits gehört diese inzwischen zu den Standardkompetenzen eines Wissensmitarbeiters. Wer sich allerdings häufig auf unterschiedlichen Lösungen bewegt, kennt sicherlich die eine oder andere Eigenart oder hat zumindest bereits des Öfteren erlebt, wie andere Anwender mit diesen Herausforderungen zu kämpfen haben. Es sieht nicht nur vieles anders aus als in der gewohnten Umgebung, meist bietet der Browser-Client auch nicht dieselbe Funktionalität/Bedienoberfläche wie ein nativer Client. Gleichzeitig möchte oder kann kaum jemand diverse Clients parallel auf seinem Rechner installieren.
Ganz gleich, wie sich die Lösungen künftig weiterentwickeln, der Punkt der intuitiven Benutzbarkeit wird absolut zentral bleiben.
Alternativen zur Alternative: Hybride Meetings
Interessant wird es noch einmal, wenn es um die Integration von zusätzlichen Endpunkten geht. Vor der Pandemie wurden die Meeting-Lösungen von einem klaren Trend zu mehr (kleinen) Videoendpunkten am Arbeitsplatz getrieben.
Unter dem Stichwort ‚Huddle‘ wurden kleine Besprechungsräume eingerichtet, die dazu dienen sollten, Menschen spontan zusammenzubringen und zu mehr Kommunikation anzuregen.
Mit den Kontaktbeschränkungen fand dieser Trend ein jähes Ende, doch in Zeiten geringer Inzidenzen ließen sich in den vergangenen Monaten Versuche beobachten, die Menschen nicht nur digital, sondern auch persönlich wieder zusammenzubringen.
In diesem Kontext bewegen sich sogenannte hybride Meetings, die letztlich wieder das gesamte Leistungsspektrum der Meeting Solution abfragen. Die Anwender sollen sowohl virtuell über beliebige Clients als auch persönlich – ggf. zusammen mit anderen – in einem Besprechungsraum an einem Meeting teilnehmen können. Die Herausforderung bei solchen Meetings besteht darin, dass die virtuellen Teilnehmer durch das Format nicht automatisch zu Teilnehmern zweiter Klasse degradiert werden, die sich damit begnügen müssen, dass sie dem Großteil des Meetings überhaupt folgen können, während Kommentare im Raum oder Zeichnungen auf einem Whiteboard nur schwer nachzuverfolgen bleiben.
Hier ist die Integration der Hardware und letztlich Kompetenz der Anwender im Umgang damit entscheidend. Dabei hilft natürlich ein konsistentes Portfolio, so dass der Anwender die Bedienung im Wesentlichen nur einmal erlernen muss.
Hybride Meetings sind bislang noch eher eine Randerscheinung, zumal wir gerade eine Phase mit erhöhten Inzidenzen durchleben und viele Anwender wieder im Homeoffice arbeiten. Doch früher oder später wird dieser Anwendungsfall an Bedeutung gewinnen, da zukünftig auch wieder verstärkt Präsenzarbeit bevorzugt werden wird. Denn eine solche Umstellung kann nicht plötzlich vollzogen werden. Auch muss eine Lösung ggf. saisonbedingt angepasst werden. Hier kann die Fähigkeit zur Durchführung hybrider Meetings einen deutlichen Zugewinn an Flexibilität bedeuten.
Die Fortentwicklung der Alternative: Virtuelle Veranstaltungen
Viele Meeting-Lösungen können inzwischen deutlich mehr als virtuelle oder hybride Meetings, bei denen jeder Teilnehmer im Wesentlichen dieselbe Rolle einnimmt und als einer von vielen möglichen Sprechern gilt.
Je größer das Meeting ist und je ungleicher der aktive Part zwischen den Teilnehmern verteilt wird, desto weniger Sinn ergibt das Standard-Format eines Meetings.
In einem virtuellen Workshop mit 5 Personen ist es unter normalen Umständen nicht wirklich notwendig, spezielle Rollen zu verteilen. Stellen Sie sich den CEO eines internationalen Konzerns vor, der vor möglichst allen Mitarbeitern zeitgleich seine neue Vision verkünden möchte. Technisch können solche Meetings durchaus auch mit Tausenden Teilnehmern durchgeführt werden, praktisch ergibt das allerdings keinen Sinn. Zu viele Anwender würden ihr Mikrofon nicht stummschalten, sei es, weil sie Probleme mit der Technik haben oder nicht mehr am Platz sitzen. Zwischenmeldungen oder -fragen können die Sitzung schnell ins Chaos stürzen, und wenn der CEO selbst Probleme mit der Technik oder ihrer Bedienung hat, kann er kaum unterstützt werden.
Aus diesem Grund gibt es seit langer Zeit Formate, die die Durchführung von diversen Veranstaltungen unterstützen. Das Spektrum reicht von dem erwähnten internationalen Event mit Tausenden Teilnehmern, unterstützenden Produzenten und Moderatoren über kleinere Versammlungen mit Expertenbefragungen bis hin zu Seminaren oder Lehrveranstaltungen, die einem Referenten erweiterte Möglichkeiten zur Organisation seiner Zuhörerschaft geben. Nicht zuletzt können Lehrer ihre Klasse in virtuelle Kleingruppen unterteilen und dann selbst zwischen den Gruppen wechseln.
Letztlich lassen sich gar mehrtägige Großveranstaltungen organisieren, inklusive der zugehörigen Organisations- und Werbekampagne, einer begleitenden Webseite und Integration eines Studios mit umfangreicher Technik für die zentrale Moderation. Zumindest in dieser Hinsicht haben die vergangenen 18 Monate bedeutende Verbesserungen mit sich gebracht und die Fülle an neuen Funktionen hat viele Veranstaltungsformate überhaupt erst ermöglicht.
Denn bei diesen Formaten können Funktionen wie ein moderierter Chat, Umfragen oder virtuelle Reaktionen sehr wichtig sein, um die Interaktion mit dem Publikum lebendig zu halten und den Austausch gerade bei großen Teilnehmerzahlen nicht anonym zu gestalten. Wenn der direkte Kontakt zu dem Menschen fehlt, braucht es neue Wege, damit der Datenstrom aus dem Internet nicht beliebig wird, wie so viele weitere Quellen, die parallel verfügbar sind.
Fazit
Ebenso wenig wie das Telefon wird die Videokonferenz den persönlichen Kontakt jemals ersetzen können. Aber sie kann uns dabei unterstützen, die immer weiter ausufernden Reisezeiten zu reduzieren und somit die Kontrolle über unsere Kalender zurückzugewinnen. Es ist zwar irgendwie bezeichnend, dass dafür erst eine globale Pandemie notwendig war, doch am Ende können wir sogar noch etwas Gutes dabei mitnehmen. Und wenn es nur die Erkenntnis ist, dass die Dienstreise wohl nicht immer notwendig war.
Bei der ComConsult bieten wir unsere Veranstaltungen quasi seit Beginn der Pandemie entweder ausschließlich virtuell oder mittlerweile auch hybrid an. Virtuelle Veranstaltungen sind einfach nicht dasselbe, da sind wir uns in der Regel unter Teilnehmern und Referenten einig. Jedoch ist es derzeit das Beste, was sich aus der Situation machen lässt. Und auch im Projektgeschäft fände ich es schade, dauerhaft vollständig auf Dienstreisen verzichten zu müssen. In einem neuen Projekt ergibt es durchaus Sinn, sich zu Beginn persönlich zu treffen. Das erleichtert das Kennenlernen und damit in der Regel auch die Projektarbeit. Danach können regelmäßige Besprechungen und kurzfristige Abstimmungen gern virtuell stattfinden. Hier kommt auf die Dauer auch die Zeitersparnis zum Tragen.
Insofern bleibt zu hoffen, dass wir bald aus dem vollen Portfolio der Möglichkeiten schöpfen können und Besprechungen und Veranstaltungen je nach Format, Distanz, lokalen Regeln oder Vorlieben entweder persönlich, hybrid oder virtuell durchführen können. Aber bis dahin gibt es zumindest Alternativen.