Übernahme von Unify durch Mitel ist beschlossen – wie geht es jetzt weiter?

12.10.2023 / Leonie Herden

Die Nachricht, dass Atos Unify den Geschäftsbereich für Unified Communications und Collaboration an Mitel verkaufen will, ist im Januar förmlich wie eine Bombe eingeschlagen und hat viel Raum für Spekulationen geschaffen (siehe [1]). Nun, ein Dreivierteljahr später, ist der Deal beschlossene Sache: Unify wird Teil von Mitel. Was heißt das für die Kunden, Partner und nicht zuletzt für die Mitarbeiter von Unify? Ein paar Informationen sind zumindest durch Mitel kürzlich veröffentlicht worden (siehe [2]), die im Folgenden kurz zusammengefasst und bewertet werden.

Mitel vergrößert Marktanteile

Durch die Übernahme der Geschäftsbereiche Unified Communications and Collaboration (UCC) sowie Communication and Collaboration Services (CCS) von Atos ist Mitel nach eigener Aussage nun weltweit die Nummer 2 im Enterprise-Segment für Unified Communications. Untermauert wird dies durch die Angabe, über 75 Millionen Nutzer in über 100 Ländern zu bedienen. In Summe kommen Mitel und Unify auf über 5.500 Reseller, Service-Provider und Technologie-Partner. Zudem sei man nun europaweit führend im Bereich UC und DECT-basierter Kommunikation. Tatsächlich prüfen lassen sich die Angaben zwar nicht, jedoch besteht kein Zweifel daran, dass die Hersteller klassischer Kommunikationstechnik versuchen, mit Konsolidierung und strategischen Partnerschaften auf die immer größere Marktmacht von Microsoft zu reagieren.

Personelle Veränderungen

In [2] heißt es weiter, dass Tarun Loomba, der bisherige Präsident und Chief Executive Officer von Mitel, weiterhin an der Spitze des Unternehmens stehen wird. Sein Pendant aufseiten Unify, Marcus Hänsel, wird zukünftig als Chief Sales Officer den Vertrieb und den Service auf globaler Ebene verantworten. Hiermit möchte man einerseits signalisieren, dass sich nach dem Zusammenschluss an der Führung des Unternehmens nichts ändert. Andererseits soll mit der Besetzung von Marcus Hänsel an der Spitze des Vertriebes das Vertrauen in die Produkte von Unify gestärkt werden. Schließlich lagen die Herausforderungen, mit denen sich Unify in der Vergangenheit beschäftigen musste, eher im Bereich der Service-Organisation und weniger in den konkreten Produkten.

Wie sich die weiteren Führungskräfte und Mitarbeiter von Unify nun in die neue Unternehmensstruktur integrieren, steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest. Zunächst sollen die Führungskräfte ihre Positionen unverändert fortführen. Wie das konkret vonstattengehen soll, wird zumindest derzeit nicht öffentlich kommuniziert. Hier wird es sicherlich im Laufe des nächsten Jahres noch die eine oder andere Überraschung geben, wir dürfen also gespannt sein. Nach Aussage des CEO von Mitel ist die Übernahme ein großer Schritt sowohl für die beteiligten Unternehmen als auch für die gesamte Branche:

„Dies ist ein großer Meilenstein für Mitel und Unify sowie für die gesamte Kommunikations- und Kollaborationsbranche”, kommentiert Tarun Loomba. „Unify bringt eine starke geografische Präsenz, ein reichhaltiges Portfolio, tiefgreifende Unternehmenskompetenz und ein talentiertes Team mit, die die Stärken von Mitel perfekt ergänzen. Ich freue mich sehr auf die Zukunft, die wir gemeinsam gestalten werden – ebenso wie auf die Innovationen im Bereich Kommunikation, die wir für unsere Kunden, Partner und Mitarbeitenden bereithalten.“ (siehe [2])

Auswirkungen auf die Produktpalette

Die Auswirkungen auf die Produktpalette sind an dieser Stelle bewusst unklar formuliert. Kurzfristig wird sich für Kunden sowie Service-Partner zunächst nichts ändern, bestehende Verträge laufen weiter und auch der Service wird mit dem bekannten Service-Personal weiterlaufen. Mitel wird zukünftig sicherlich von den Stärken von Unify, insbesondere in Sparten wie dem Gesundheitswesen, öffentlichen Auftraggebern sowie dem Finanzsektor profitieren. Wie sich die Produktpaletten jedoch weiterentwickeln, das heißt, welche Produktlinien fortgeführt oder miteinander verschmolzen werden, kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht valide abgeschätzt werden. Anfang 2024 werden erste Aussagen zur strategischen Ausrichtung erwartet, bis dahin müssen wir uns wohl oder übel noch gedulden.

Versprochen wird jedoch schon jetzt, dass es fließende Übergänge und adäquate Migrationszeiten sowie -szenarien geben wird. Ob dieses Versprechen auch aus Kundensicht den tatsächlichen Bedarf abdeckt, kann derzeit niemand garantieren.

Fazit

Die Übernahme von Atos Unify durch Mitel stellt eine weitere, vielleicht sogar die einschneidendste disruptive Veränderung des Konzerns dar. Schließlich befinden sich sowohl die Mitarbeiter als auch die Produkte von Mitel und Unify zum Teil in direkter Konkurrenz zueinander. Natürlich wird in Richtung der Öffentlichkeit derzeit von einer Ergänzung der Produktpaletten und Kunden gesprochen. Doch möchte eine Mitel tatsächlich sämtliche Produkte von Unify als eigenständige Produktlinien weiterentwickeln und mit Service-Leistungen versorgen? Ist nicht eher davon auszugehen, dass unrentable Produktlinien aus dem Hause Unify sukzessive durch vielversprechendere aus dem Hause Mitel ersetzt werden?

Vielleicht sollten wir hier jedoch nicht zu sehr den Teufel an die Wand malen, schließlich bietet die Übernahme des Portfolios auch die Chance, die Produkte beider Marken durch eine gemeinsame Entwicklung zu stärken. Wir werden die Entwicklungen jedenfalls mit Spannung weiterverfolgen und darüber berichten.

Verweise

[1]  https://www.comconsult.com/atos-will-den-geschaeftsbereich-unified-communications-collaboration-an-mitel-verkaufen/

[2]  https://news.mitel.com/English/press-releases/press-release-details/2023/Mitel-Closes-on-Transaction-with-Atos-to-Acquire-Unify/default.aspx

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