Apple Silicon – Nischenprodukt oder Vorbild?

15.12.20 / Dr. Markus Ermes

Markus Ermes

Apple hat vor kurzem die ersten Systeme auf Basis der eigenen ARM-CPUs angekündigt. Manche sehen darin einen Paradigmenwechsel, der auch für andere Hersteller relevant werden könnte. Aber wie wahrscheinlich ist das? Und spielt das jenseits der Clients überhaupt eine Rolle?

Warum eigenes Silizium?

Apple hat sich aus verschiedenen Gründen für die Entwicklung einer teilweise eigenen CPU entschieden. Teilweise deswegen, weil sie immer noch auf der ARM-Architektur basiert, die in vielen Smartphones und Tablets vorhanden ist.

Der vielleicht wichtigste Grund ist die Unabhängigkeit von anderen CPU- und GPU-Herstellern. Man muss nicht mehr auf Intel warten bis die neue Prozessorgeneration kommt. Gerade jetzt, wo Intel Schwierigkeiten mit seinen Fertigungsprozessen und folglich seiner Roadmap hat, ist dies nachvollziehbar. Ferner kann die Übernahme von ARM durch Nvidia bei der Entscheidung von Apple eine Rolle gespielt haben, denn in einer Zeit von Marktkonzentration möchte Apple wahrscheinlich nicht von anderen großen Herstellern (weder Intel noch Nvidia) abhängig sein.

Ebenfalls ist davon auszugehen, dass die neuen, eigenen CPUs für Apple günstiger sind als die Modelle von Intel. Das heißt, der Gewinn pro System nimmt nochmal etwas zu. Hier hatte Apple zwar in den letzten Jahren nie Probleme, aber mehr Gewinn macht natürlich die Anleger glücklich.

Zudem kommt das Betriebssystem aus dem eigenen Hause. Nach mehr als einem Jahrzehnt Erfahrung mit ARM-CPUs und der notwendigen Betriebssystemoptimierung für iPhone, iPod und iPad weiß Apple sehr genau, was die CPUs mit dem neuen Betriebssystem „Big Sur“ leisten können.

Um Kompatibilität sicherzustellen wird es, wie damals beim Umstieg von PowerPC auf Intel, eine Emulationsschicht geben. Ob und wie gut diese funktioniert, kann man noch nicht sagen. Zwar sind erste Ergebnisse von Apple positiv, doch wie diese Lösung sich außerhalb des Labors verhält, bleibt abzuwarten.

ARM-CPUs in „Non-Apple“-Clients

Auch wenn Apple es (mal wieder) so darstellt, als wären sie die ersten mit speziell entwickelten ARM-CPUs für Client-Systeme: Sie sind es nicht. Microsoft hat es schon vor ein paar Monaten vorgemacht: Das Surface X mit dem „SG1“-Prozessor. Dieser wurde in Kooperation mit Qualcomm auf Basis des Snapdragon entwickelt und enthält sogar ein 4G-Modem. Auch hier gibt es ein spezielles Windows mit Emulationsschicht für „klassische“ x86-Software.

Dieses Gerät an sich zeigte in Tests eine zufriedenstellende Performance, doch war der Mangel an ARM-optimierter Software sehr präsent. Die Emulation half zwar, zeigte aber Schwächen bei sehr ressourcenintensiven Applikationen.

Apple hat hier übrigens einen „Vorteil“: Software-Entwickler sind an die Entscheidungen von Apple gebunden, ob sie wollen oder nicht. Wenn Apple sagt: „Ihr entwickelt jetzt für ARM!“, dann müssen die Entwickler dies tun. Zum Glück sieht man in den entsprechenden Entwicklungstools nicht viel davon, sondern muss das Programm nur (auch) für die neue Architektur kompilieren.

Andere Hersteller haben Windows-Geräte mit ARM-CPUs ebenfalls im Angebot. Durchgesetzt haben sie sich nicht. Und gerade im Unternehmensumfeld, in dem Spezialanwendungen eine wichtige Rolle spielen, ist man häufig auf Intel-CPUs angewiesen.

ARM-CPUs im Rechenzentrum

Für das Rechenzentrum spielt die Entscheidung von Apple auf absehbare Zeit keine größere Rolle. Es gibt bereits einige Bestrebungen, ARM-CPUs ins Rechenzentrum zu bringen. Und die dafür verfügbaren CPUs, z.B. der „Cavium ThunderX2“, spielen bei der Performance in einer ganz anderen Liga. Sowohl die Kernzahl als auch der unterstützte Arbeitsspeicher sind um ein Vielfaches größer.

Viel Bewegung hat sich hier noch nicht gezeigt. Diese CPUs sind zwar in Nischen durchaus attraktiv, insbesondere dann, wenn man viele Prozesse mit geringen Anforderungen an den einzelnen CPU-Kern nutzen will. Im Linux-Bereich wird die CPU-Architektur beispielsweise schon lange unterstützt, womit eine große Zahl von Open-Source-Tools verfügbar sind.

Im Bereich der Virtualisierung bieten diese CPUs noch nicht annähernd die Leistung und den Funktionsumfang oder die Herstellerunterstützung, die man für ein modernes Rechenzentrum benötigt. Die vielen Kerne nutzen dann wenig, da man unterschiedliche Applikationen nicht streng voneinander trennen kann. Es gibt jedoch zwei Ausnahmen: Container, die bereits eine grundlegende Isolierung unterstützen und High-Performance-Computing, in dem eine solche Trennung kontraproduktiv wäre.

Für die allermeisten Unternehmen bedeutet dies: ARM-CPUs bleiben im Rechenzentrum erst mal uninteressant. Das kann sich ändern, wenn die großen Hypervisor-Entwickler (VMware, Red Hat, Microsoft) eine Unterstützung dieser CPUs ankündigen.

Fazit

Der Umstieg von Apple auf die eigenen ARM-CPUs bedeutet nicht das Ende von Intel und Microsoft. In der eigenen Nische überwiegen die Vorteile für Apple, sonst hätte man diesen Schritt wahrscheinlich nicht unternommen.

Vor allem in Unternehmen wird sich auf absehbare Zeit wenig ändern. Weder in Windows-Clients noch im Server-Bereich bieten ARM-CPUs aktuell die Kompatibilität oder Performance, die man benötigt, um die eigenen Anwendungen reibungslos zu betreiben. Dies gilt insbesondere für die Virtualisierung im Rechenzentrum.

Das mag sich mit der zunehmenden Nutzung der Cloud irgendwann ändern. Aber nur, weil es dann möglich ist, seine Arbeit unter Zuhilfenahme ARM-basierter Systeme auszuüben, heißt das nicht, dass man sie dann auch mit ihrer Hilfe ausüben muss. Ob und wann ARM-CPUs für Intel eine Gefahr darstellen können, ist vorerst nicht absehbar.