Haben Sie schon mal den Polizeifunk abgehört?

Joachim Wetzlar

Nein? Aber Sie haben bestimmt schon gehört, dass man damals Radios mit einem kleinen Eingriff so verstellen konnte, dass sich der Abstimmknopf – bildlich gesprochen – weiter nach links drehen ließ. Links hörte man bei ca. 87 MHz den „Europieps“ und darunter dann den Polizeifunk im 4m-Band. Es wurde in analoger Frequenzmodulation (FM) gesendet.

Der Europieps ist Geschichte. Der analoge Polizeifunk auch. Stattdessen ist TETRA angesagt. Nein, ich meine nicht die bekannten Milchtüten, sondern das Terrestrial Trunked Radio. Dabei handelt es sich um ein digitales Bündelfunknetz, das bereits vor 25 Jahren entwickelt wurde. Es wird in Deutschland bei Frequenzen um 400 MHz betrieben.

Über eine Basisstation können gleichzeitig bis zu vier Endgeräte in unterschiedlichen „Zeitschlitzen“ kommunizieren. Das Endgerät überträgt im Normalfall Daten mit 7,2 kBit/s, die meist mit digitalisierter Sprache belegt sind. Jedoch gibt es auch einen Kurznachrichtendienst und die Möglichkeit der Übertragung von Paketdaten. TETRA ist im Übrigen ein zellulares Netz. Endgeräte können sich also von Basisstation zu Basisstation bewegen, ohne die Verbindung zu verlieren. Das kennen Sie vom Mobilfunk.

Eine Besonderheit von TETRA ist die Möglichkeit der sicheren Verschlüsselung. Ein Sicherheitsmodus (TEA2) ist sogar auf den Schengen-Raum beschränkt und lässt sich nur aktivieren, wenn man eine passende Schlüsselkarte des BSI in sein Funkgerät einsetzt. Die sieht aus wie eine SIM-Karte. Dieses Feature wird insbesondere von den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) genutzt.

Deutschland rühmt sich damit, inzwischen über das weltweit größte TETRA-Netz zu verfügen. Im vergangenen Jahr gab es ca. 4.700 Basisstationen, die 99,2% des Territoriums abdeckten (siehe [1]). Und der Ausbau ist immer noch nicht abgeschlossen, wie wir bei unserem regelmäßigen Studium öffentlicher Ausschreibungsunterlagen feststellen.

Die BOS wollten mit TETRA nicht nur sprechfunken, sondern auch Daten übertagen. Bei der Polizeikontrolle könnte also der Beamte z.B. Ihr Fahrzeug-Kennzeichen in seinen Computer eintippen und dann über TETRA mit einer Datenbank abgleichen. Allerdings müssen sich die BOS auf “Voice-only” beschränken, weil die eingesetzten Endgeräte nicht mehr hergeben.

Nun leben auch Polizisten im 21. Jahrhundert und wissen, was man mit Smartphones anstellen kann. Ein Polizist kann heute Ihr Kennzeichen einfach abfotografieren und mit einem Cloud Service abgleichen. Viele andere Einsatzmöglichkeiten lassen sich für Smartphones bei den BOS denken.

Nur, Mobilfunk ist nicht zuverlässig, wie Sie gerade jetzt wieder bei einem Provider erleben durften. Deswegen – so erfährt man aus verschiedenen Quellen – gab es Pläne, ein eigenes hochverfügbares und hochsicheres LTE-Netz für die BOS zu errichten. Man schielte zu diesem Zweck auf einen Frequenzbereich bei 450 MHz, der Ende dieses Jahres frei wird.

Die Bundesnetzagentur hat sich Mitte November jedoch dazu entschieden, diesen Frequenzbereich für kritische Infrastrukturen zu reservieren. In [2] heißt es: „Diese Frequenzen eignen sich besonders gut, um damit eine flächendeckende, hochverfügbare und zugleich schwarzfallsichere Funknetzinfrastruktur unter anderem in den Bereichen Strom, Gas, (Ab-)Wasser und Fernwärme aufzubauen.“

Diese Entscheidung ist aus zwei Gründen weitsichtig. Erstens ist es meines Erachtens Unsinn, die BOS ein LTE-Netz aufbauen zu lassen, das wahrscheinlich “schon” in 20 Jahren einsatzbereit sein wird. Dann kommen wahrscheinlich gerade die ersten 7G-Smartphones mit irgendwelchen tollen Funktionen für jedermann auf den Markt – auch für Polizisten.

Und zweitens könnte man mit 5G bereits jetzt ein hochverfügbares Netz für die BOS bereitstellen. Das gelänge mit einem Trick. 5G wird nämlich in der nächsten Ausbaustufe (ab ca. 2022) ein Feature unterstützten, das sich „Slicing“ nennt. Ein Slice ist ein virtuelles Mobilfunknetz auf einer physischen Netzinfrastruktur, ähnlich wie VLANs auf einem physischen Switch. Und wie VLANs sich über mehrere Switches unterschiedlicher Hersteller erstrecken können, so kann sich auch ein Slice grundsätzlich über mehrere Mobilfunknetze unterschiedlicher Provider erstrecken.

Verfügbarkeit könnte sich also zukünftig mittels redundanter Provider erzielen lassen. Und Sicherheitsfunktionen bietet der Mobilfunk ebenfalls. Ganz einfach gesagt bräuchte man eine spezielle SIM-Karte, um sich in den erdachten BOS-Slice einbuchen zu können. Ich bin gespannt, ob unsere Behörden auf diese Idee kommen. Und ob die Provider mitspielen werden.

[1] https://www.bdbos.bund.de/DE/Digitalfunk_BOS/digitalfunk_bos_node.html

[2] https://www.bundesnetzagentur.de/SharedDocs/Downloads/DE/Sachgebiete/Telekommunikation/Unternehmen_Institutionen/Frequenzen/OffentlicheNetze/450MHZ/Praesidentenkammerentscheidung450MHz.pdf

ComConsult Certified Wireless Engineer

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