Die frühere Zigbee-Alliance ist in der Connectivity Standards Alliance CSA aufgegangen. Diese präsentiert im Herbst 2023 Matter 1.2 als Basis für herstellerübergreifende Vernetzung und Steuerung von IoT-Lösungen, jetzt insbesondere auch für den Smart-Home-Bereich. Errungenschaften bei IPv6-basierten Spezifikationen können als Grund dafür angesehen werden, dass hier herstellerübergreifend Bewegung in IoT-Standardisierung und Produktangebot kommt.
Matter 1.1 und 1.2: Erscheinen in 2023
Die Connectivity Standards Alliance CSA (siehe https://csa-iot.org) ist aus der Zigbee Alliance hervorgegangen. Dieser Zusammenschluss von Herstellern hat zunächst mit Zigbee und Zigbee IP eine Spezifikationsbasis für die Bildung von Wireless Personal Area Networks (WPANs) geschaffen.
Matter setzt auf dieser Idee der Vernetzung auf und bietet „ein Protokoll, um kompatible Geräte und Systeme miteinander zu verbinden.“ Das zugehörige Projekt der Zigbee Alliance trug die Bezeichnung „Connected Home over IP“ (Chip). Mit diesem Hintergrund erklärt sich leicht, dass Matter in seiner neuesten Version 1.2 mit aktueller Spezifikation und Software Development Kit (SDK) insbesondere die Unterstützung von neuen Gerätetypen wie Kühlschränke, Klimaanlagen, Geschirrspüler und Waschmaschine, Rauchmelder u.Ä. herausstellt.
Dabei ist Matter noch jung: Die Version 1.0 erschien im Oktober 2022, gefolgt von Version 1.1 im Frühjahr 2023 und jetzt der Ende Oktober 2023 frisch angekündigten Version 1.2 (siehe https://csa-iot.org/newsroom/matter-1-2-arrives-with-nine-new-device-types-improvements-across-the-board).
Das schon erwähnte SDK muss ebenfalls passend zu den Neuerungen weiterentwickelt werden. Außerdem: Die CSA bietet für Matter ein Zertifizierungsprogramm an. Es ist ein Zertifizierungsprozess inklusive Tool-basiertem Test des zu zertifizierenden Produkts in einem CSA Authorized Test Laboratory (ATL) zu durchlaufen. Wer diese Prozedur erfolgreich absolviert hat, setzt ein Signal der Kompatibilität zu weiteren, ebenfalls den aktuellen Matter-Standard unterstützenden Produkten auch anderer Hersteller.
Mindestens beim Übergang von Matter 1.0 auf Matter 1.2 mit den neuen Gerätetypen war also entsprechend viel Arbeit zu leisten. Innerhalb von knapp 12 Monaten ist das vergleichsweise rasant.
Kontrast zu dieser Dynamik: der lange Weg von Zigbee und Zigbee/IP zu Matter 1.2
Die in 2002 gegründete Zigbee Alliance hat mit Zigbee/IP eine Spezifikation herausgegeben, die WPANs auf IP-Kommunikation zum Gegenstand hat. Mit IP als Kommunikationsprotokoll lassen sich grundsätzlich auch größere Infrastruktur-Netze bilden sowie moderne Ideen wie Management via Cloud umsetzen.
Zigbee/IP hatte von vornherein das Ziel von „Mesh-Netzen“ vor Augen, schon im Erscheinungsjahr 2012.
Zehn Jahre später, in 2022/2023, kommt erkennbar Dynamik in die Idee, auf Basis von Matter? Irgendwo muss da ein technischer Knoten geplatzt sein. Herstellerinteresse an einer tragfähigen Basis für solche WPAN-Mesh-Netze, auch mit Produkten verschiedener Hersteller, war ja offenbar schon lange vorhanden.
Die Rolle von IPv6 in Bezug auf WPAN-Mesh-Netze und Matter
Was hat das alles mit IPv6 zu tun?
Zigbee/IP sieht klar die Nutzung von IPv6 vor. Allerdings gab es eine harte Nuss zu knacken:
WPANs sind nicht zuletzt für die Vernetzung von IoT-Geräten interessant, bei denen man ohne 230V-Verkabelung oder Power-over-Ethernet auskommen möchte. Die Alternative in Form batteriebetriebener Geräte ist allerdings wenig attraktiv, wenn eine geschwätzige Netzwerkschnittstelle permanent den Stromverbrauch hochhält. Genau das ist jedoch IPv6 in seiner ursprünglichen Spezifikation: sehr geschwätzig. Permanentes Lernen „aus der Netzumgebung“, um immer auf dem neuesten Stand zu sein, ist eine Grundidee bei IPv6-Mechanismen. Die IPv6-Header mit ihren vielen Bits für die Adressen machen Senden und Empfangen auch nicht gerade batterieschonend.
Die Aufgabenstellung, hier einen energiesparenden Kompromiss für IoT-Geräte zu schaffen, verkörpert die Abkürzung 6LoWPANs, für „IPv6 over Low-Power Wireless Personal Area Networks“. Der Einstieg der IETF in das Thema ist bereits über den informational RFC 4919 aus August 2007 zu erkennen.
Es hat viel Arbeit und zum Teil mehrere Anläufe gekostet, bis IPv6-Abwandlungen wie Header-Kompression, Neighbor Discovery mit einer Art „Schlaf-Modus“ und ein geschwätzarmes Routing-Protokoll RPL wirklich praxisreif waren: Updates für das Thema Neighbor-Discovery-Optimierung sind in November 2020 als RFC erschienen, Updates für RPL in April 2021.
Man muss kein Hellseher oder Insider sein, um einen Zusammenhang mit dem plötzlichen Durchstarten der CSA mit Matter 1.0, 1.1 und 1.2 in kurzer Folge ab 2022 zu mutmaßen. Auch die folgende Prognose erscheint nicht sehr gewagt:
Es wird nicht bei Smart-Home-Systemen als Marktsegment bleiben, für das Matter bzw. 6LoWPAN-Errungenschaften spannend sind. Das heißt allerdings auch: So könnte letztlich doch IPv6 mit Macht über IoT als Triebkraft in Umgebungen Einzug halten, die bei ihrer Büro-Vernetzung bislang eisern an IPv4 festgehalten haben. Zumindest Planer und zukünftige Betreiber von Gebäudeinfrastrukturen sollten das aufmerksam beobachten.