LoRaWAN in Smart-City-Anwendungen – ist es die richtige Lösung? Eine Übersicht

15.08.2023 / Fabian Lesjak

LoRaWAN ist ein viel beachtetes Protokoll für das Internet of Things (IoT). Was für Möglichkeiten gibt es eigentlich, um das Potenzial dieser Technologie in einer Smart City effektiv zu nutzen? Diese und weitere Fragen versuche ich im Folgenden zu beantworten.

Daten sind das neue Rohöl

Heute scheint in allen Bereichen zu gelten: je mehr Daten, desto besser! Man sammelt immer mehr Daten. Am besten sekündlich und in höchster Auflösung müssen sie vorliegen, egal um welches Anwendungsszenario es sich handelt! Daten sind das neue Rohöl. Man muss es schließlich nur noch geschickt auswerten.

Dass diese überspitzte und provokante Aussage nicht immer stimmt, beweist die Funktechnologie LoRaWAN. LoRaWAN steht dabei für Long Range Wide Area Network. In Zusammenhang mit LoRaWAN gibt es eine Reihe von Gründen, warum eine geringe Datenmenge und reduzierte Übertragungsrate gar keine schlechte Idee ist. Denn nur dann kann man die Vorteile der Technologie vollständig ausnutzen. Allen voran gibt es die Möglichkeit, Sensoren mit Akkus oder Batterien über viele Jahre hinweg (laut Werbung bis 10 Jahre) zu betreiben. Ein Traum für jeden Betreiber! Gleichzeitig werden Reichweiten von einigen Kilometern innerorts sowie zehn und mehr Kilometern in ländlichen Gebieten ermöglicht. Um diese zu erreichen, sind optimale Bedingungen vorausgesetzt, wie wenige Hindernisse oder sogar eine direkte Sichtlinie zwischen Sensor und Gateway. Dank dieser Reichweite können auch die entferntesten Anlagen mit Sensoren bestückt und in der Zentrale ausgewertet werden.

Finanziell ein geringerer Aufwand als vergleichbare IoT-Infrastruktur

Ein weiterer wichtiger Aspekt, welcher immer mit betrachtet werden muss, sind die Kosten. Hier ist zwischen den Anschaffungskosten und den laufenden Kosten zu unterscheiden. Da es sich um ein lizenzfreies Protokoll handelt, fallen keine laufenden Lizenzgebühren oder Ähnliches an. Jeder darf, unter Einhaltung der geltenden Regeln und Gesetze, das 868-MHz-Frequenzspektrum mit seinem eigenen LoRaWAN-Netzwerk nutzen (Regularien sind zum Beispiel Beschränkung der maximalen Sendeleistung auf 25 mW, d.h. 14 dBm, oder die maximal erlaubte Sendezeit von 36 Sekunden pro Stunde, d.h. 1 % der Zeit). Das Mieten eines Zugangs bei einem Betreiber eines Bestandsnetzes ist ebenfalls möglich. Anbieter wie The Things Network (TTN) [1] bieten die Möglichkeit, Komponenten gegen eine Gebühr in ein bestehendes LoRaWAN-Netz einzubinden. Der Start in das TTN-Netz mit bis zu 10 Geräten ist dabei zunächst kostenfrei. Bei einem eigenen Netz hingegen sind kaum laufende Kosten anzusetzen.

In Bezug auf die Anschaffungskosten sind hier die Sensorkosten zu berücksichtigen, die es je nach Anwendungsfall bereits für weniger als 20 Euro gibt. Wenn aufwendigere Messtechnik, wie beispielsweise CO2-Sensoren, installiert werden soll, steigen die Preise allerdings schnell in den dreistelligen Bereich. Doch im Vergleich zu anderen Technologien sind die Preise für IoT-Sensoren noch als kostengünstig einzuschätzen. Für den Aufbau eines eigenen Netzes benötigt man des Weiteren sogenannte Gateways, die – abhängig von der gewünschten Leistung – im drei- und vierstelligen Preissegment liegen können sowie einen LoRaWAN-Server, auf welchem die Daten eintreffen und entsprechend an die jeweiligen Applikationen weitergeleitet werden. Es stehen diverse Protokolle und Schnittstellen zur Auswahl, wie bspw. MQTT und HTTPS. Beim LoRaWAN-Server hängt der Preis stark vom Anwendungsfall ab. Ein eigenes Testnetz kann schon problemlos von einem einfachen Raspberry Pi betrieben werden. Um ein Netzwerk in einer Smart City umzusetzen, kann es je nach benötigter Leistung sinnvoll sein, einen virtualisierten Server in einem Rechenzentrum einzusetzen.

Die Nutzung eines LoRaWAN-Netzes in einer Smart City hängt insbesondere von den Sensoren ab, die von Anwendungsfall zu Anwendungsfall unterschiedlich sind. Eine Auswahl an möglichen Sensoren und damit verbundenen Anwendungsfällen wird im Folgenden vorgestellt:

  • Klima
    – Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Luftdruck
  • Raumklima
    – Helligkeit, CO2, VOC (Volatile Organic Compound)
  • Smart City
    – Füllstandsmessung, Parkplatzüberwachung, Feinstaubsensoren, Beleuchtungssteuerung,  Verkehrsmessungen mittels Radar (PKW, Fußgänger, Fahrräder), Grundwasserpegelmessung, Zählerauslesung

Wie genau funktioniert dieses LoRaWAN eigentlich noch mal?

Auf den genauen Aufbau eines LoRaWAN-Netzwerks und dessen Komponenten gehe ich hier nicht im Detail ein. Wer dazu mehr Informationen benötigt, den verweise ich auf den im Netzwerk Insider erschienenen Artikel von meinen Kollegen David Feuser und Sascha Förster aus dem August 2022: „Schonmal was von LoRaWAN gehört?“ [2]. Eine sehr kurze Zusammenfassung folgt hier:

Mithilfe eines LoRaWAN-Netzwerks können effizient kleinere Datenmengen von beispielsweise Sensoren über weite Entfernungen sicher übertragen werden. Dazu werden die besagten Sensoren, eine oder mehrere Antennen und ein zentraler Server benötigt. Dieser LoRaWAN-Server besteht aus einem Netzwerkserver und einem Anwendungsserver. Diese sind in Abbildung 1 dargestellt. Hier wurde das Softwareprodukt Chipstack für beide Server eingesetzt. Die auf dem Server eintreffenden Daten können dann nach eigenem Belieben ausgewertet und weiterverwendet werden. In einer Smart City können so unzählige Anwendungsfälle kabellos umgesetzt werden. Das bedeutet, dass gerade nachträgliche Installationen in abgelegenen Orten beinahe wartungsfrei realisierbar sind. Auch in denkmalgeschützten Gebäuden vereinfacht dies den Einbau von Sensortechnik. Ein Batterie- oder Akkuwechsel wird erst nach Jahren notwendig.

Abbildung 1: Netzwerktypologie eines LoRaWAN-Netzwerks

Selbst die beste Technologie hat Einschränkungen

An dieser Stelle weise ich auch noch einmal auf die Limitierungen der Technologie hin. Es können vor allem keine größeren Datenmengen transferiert werden. Für die Übertragung von Bildern oder gar Videos bietet sich die Technologie also nicht an. Generell dauert die Übertragung größerer Datenmengen länger und folglich wird mehr Sendezeit verbraucht. Dies ist aufgrund der Beschränkungen im 868-MHz-Band relevant, welche oben erläutert wurden. Aus diesem Grund ist der Transfer von kleinen Datenpaketen mit Mess- und Zustandswerten im 15- oder 30-Minuten-Takt eines der am besten geeigneten Anwendungsszenarien.

Smart City: Anwendungsbeispiele

Die „Stadtwerke der Stadt Aachen Aktiengesellschaft“ (STAWAG) nutzt bereits ein LoRaWAN-Netzwerk zur Erhebung unterschiedlichster Daten. Dazu werden laut einem der Projektpartner, der Firma regio iT, mit 16 Antennenstandorten über 90 % des Stadtgebiets abgedeckt. Dies entspricht einer Fläche von mehr als 140 km². Es wird zusätzlich ein Ausbau des Netzwerks im dritten Quartal 2023 geplant [3], Es werden unter anderem Verkehrsdaten oder auch Daten aus dem Fernwärmenetzwerk erfasst. In Summe erprobt die STAWAG 20 Anwendungsfälle, welche dem Bereich Smart City zuzuordnen sind. Mithilfe von Leckage-Sensoren können Leckagen an verschiedensten Stellen im Fernwärmenetzwerk erfasst werden. Ein Ziel der STAWAG ist es ebenfalls, bestimmte Entstörungsmaßnahmen mithilfe von LoRaWAN umzusetzen. Dadurch soll der Personalaufwand bei Entstörungseinsätzen reduziert werden. Um dies zu realisieren, wird eine Modbus-LoRaWAN-Schnittstelle erprobt, da die bestehende Zählerinfrastruktur der Endabnehmer auf Modbus basiert. Für die Fernübertragung werden die Zählerdaten über die Schnittstelle und das LoRaWAN-Netzwerk übertragen [4].

Um die ehrgeizigen Ziele der Stadt Aachen in Bezug auf die Verkehrswende zu erreichen, werden zunächst viele Daten über die Ist-Situation benötigt. Hier setzt der nächste Anwendungsfall von LoRaWAN in einer Smart City an. Dabei handelt es sich um den Einsatz in der Verkehrsanalyse, Planung und Leitung. Auch dazu setzt die STAWAG das LoRaWAN-Netzwerk ein. Sensoren auf Basis von Radarsensortechnik führen Verkehrszählungen durch und senden mithilfe des LoRaWAN-Netzwerks die Daten an eine Zentrale. Dadurch können hilfreiche Rückschlüsse auf die Verkehrssituation gezogen werden. Die beliebige Positionierung dieser Sensoren ist durch die flexible kabellose Installation jederzeit und überall im versorgten Stadtgebiet möglich, insbesondere Lichtmasten eignen sich hierfür. Auch die Verkehrsleittechnik kann mithilfe von Live-Informationen angepasst werden, d.h. bildet sich in einer Gegend ein Verkehrsstau, können an anderer Stelle die Leitsysteme angepasst werden. Das gleiche kann für Parkhäuser und Parkplätze mithilfe von Sensortechnik ermöglicht werden. Alle diese Sensoren kommen ohne weitere Infrastruktur (wie Stromanschlüsse) vor Ort aus und können leicht und schnell installiert und auch wieder entfernt werden. Diese Vorteile sind Gründe dafür, warum der Einsatz von LoRaWAN in Smart-City-Anwendungen einen vielversprechenden Ansatz darstellt und warum die STAWAG diese in Aachen auch bereits erprobt. Hier wird für die Auswertung der erhaltenen Daten auf die Plattform e2Watch der Firma regio iT gesetzt  [5].

Das sind nicht alle Anwendungsfälle. Es gibt unzählige Möglichkeiten, um eine Stadt zu einer Smart City zu machen, darunter smarte Bewässerung der städtischen Parks, Datenerfassung in allen kommunalen Gebäuden zum Raumklima und Energieverbrauch, Füllstanderfassungen in öffentlichen Mülleimern oder Wasserauffangbehältern, Leckage-Erkennung in Ab- und Frischwasserleitungen, Verkehrsplanung und -steuerung, Steuerung der Straßenbeleuchtung in Abhängigkeit von der Benutzung und viele weitere.

Fazit

Wenn in den nächsten Jahrzehnten immer mehr Städte in Deutschland eigene Smart-City-Anwendungsfälle realisieren, werden diese mit hoher Wahrscheinlichkeit auf LoRaWAN-Netzwerke setzen. Das muss nicht für jeden Anwendungsfall die optimale Lösung sein, und diese Entscheidung muss immer für den Einzelfall getroffen werden. Neben LoRaWAN existieren natürlich auch noch andere vergleichbare Alternativen, die eingesetzt werden können, darunter weitere Varianten eines Low-Power Wide Area Network (LPWAN), wie SIGFOX und Mioty. Auf Basis des Mobilfunknetzes existieren ebenfalls Alternativen wie 5G mMTC und NarrowBand-IoT. Wenn die Entscheidung für die LoRaWAN-Technik gefallen ist, kann dies wahlweise als eigenes Netzwerk oder durch die Anmietung eines Zugangs zu einem Bestandsnetzwerk umgesetzt werden. Am Beispiel der Stadt Aachen sieht man, dass insbesondere die Umsetzung in Kooperation mit mehreren Teilnehmern erfolgversprechend ist. Hier haben sowohl der lokale Internetanbieter, die Stadtwerke und die Firma regio iT kooperiert. Die Vorteile der LoRaWAN-Technik sind vielfältig. Eine stetig steigende Anzahl an Sensoren und Aktoren ermöglichen immer neue Use Cases. Das LoRaWAN-Netzwerk kann dabei das Rückgrat der Datenwelt einer Smart City darstellen. Ohne effiziente Datenübertragung bringt der beste Smart-City-Sensor keinen Mehrwert. Mithilfe von LoRaWAN ist genau diese Datenübertragung flexibel und kostengünstig im Stadtgebiet einer Smart City umsetzbar.

Quellen

[1] The Things Network (25.07.2023, 11:45) https://www.thethingsnetwork.org/

[2] Schonmal was von LoRaWAN gehört? (22.07.2023, 9:30) https://www.comconsult.com/schonmal-was-von-lorawan-gehoert/

[3] regio iT Vortrag am Thementag „Smart City Infrastructure – aber wie“ des Center Smart Commercial Building (05.07.2023) https://smart-commercial-building.de/

[4] STAWAG Pressemitteilung: Fernwärme-Hausanschlüsse im Blick – LoRaWAN-Technologie zur Fernüberwachung (25.07.2023, 12:49) https://www.stawag.de/ueber-uns/presse/aktuelles/pressemeldungen/fernwaerme-hausanschluesse-im-blick-lorawan-technologie-zur-fernueberwachung/

[5] Vorstellung des Aachener LoRaWAN-Netzes der STAWAG und regio iT (25.07.2023, 8:55) https://aachen-transparent.de/meeting/3274/file/10691/

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