Wi-Fi 7 – Jetzt schon? Wirklich?

20.09.2022 / Dr. Johannes Dams

Johannes Dams

Gerade bei Neubauten oder Konzepterstellungen berücksichtigen wir in den meisten Projekten mittlerweile WLAN gemäß IEEE 802.11ax, auch Wi-Fi 6 genannt. Ebenso kommt die Anforderung nach WLAN im 6-GHz-Band gemäß Wi-Fi 6E immer wieder in Konzepten vor. Auch wenn man anmerken muss, dass Letzteres insbesondere in konkreten Planungen seltener eine Rolle spielt, sollte es in Bezug auf die Zukunftsfähigkeit berücksichtigt werden. Bei zwei meiner letzten WLAN-Projekte wurde vom Kunden sogar schon das Thema Wi-Fi 7 angesprochen und hierzu Input gewünscht. Doch ergibt das jetzt schon Sinn?

Realistisch betrachtet muss man anmerken, dass die meisten unserer Kunden im Bestand bisher noch nicht einmal Wi-Fi 6 unterstützen. Tatsächlich leben WLAN-Komponenten gerne um die 5 Jahre. Daher ist eine flächendeckende Wi-Fi-6-Abdeckung nicht der Normalfall.

Das 6-GHz-WLAN kommt auch häufig selbst bei Neubauten hinsichtlich der verwendeten Komponenten noch nicht infrage. Somit erscheint ein Sprung zu Wi-Fi 7 irgendwie verfrüht. Natürlich kann man den grundsätzlichen Wunsch nach Zukunftsfähigkeit in Konzepten und WLAN-Planungen, welcher dahintersteht, verstehen und ebenso unterstützen.

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass es noch gar keine Wi-Fi-7-Zertifizierung der WiFi Alliance gibt und der entsprechende Standard, welcher zukünftig IEEE 802.11be heißen wird, noch nicht fertiggestellt ist. Damit sind Details der technischen Parameter, wie sie beispielsweise bei einer Planung zu berücksichtigen wären, vor allem Spekulation.

Gemäß der aktuellen Timeline der IEEE soll der Standard 802.11be im Mai 2024 dem Standards Board als finale Version vorliegen. Verabschiedet wird er dann üblicherweise einige Monate später. Allerdings wissen wir bereits aus Erfahrung, dass es hierbei zu einigen Verzögerungen kommen kann und noch zusätzliche Zeit vergehen wird, bis entsprechende Produkte in üblichen Büro- oder Produktionsnetzen im Enterprise-Umfeld eingesetzt werden.

Trotzdem gibt es schon erste Entwurfsversionen des Standards und erste Chipsätze, welche die aktuellen Entwürfe unterstützen. So hat Qualcomm beispielweise ein entsprechendes Produkt im Mai dieses Jahres vorgestellt [1, 2]. Doch wann tatsächliche Produkte im professionellen WLAN-Markt verfügbar sein werden, ist noch fraglich. Ähnlich wie bei anderen WLAN-Standards sind hier vermutlich kleinere Hersteller recht schnell, selbst wenn der Standard dann noch nicht fertiggestellt sein wird. So gibt es bereits eine Ankündigung eines koreanischen Herstellers für Anfang 2023 [3].

Besteht entsprechender Bedarf?

IEEE 802.11be wird – wie auch die vergangenen Standards – technisch noch mal an den Bruttodatenraten schrauben. So werden teilweise über 40 Gbit/s auf der Luftschnittstelle unter Idealbedingungen versprochen. In der Wirklichkeit werden diese Datenraten in üblichen Büro- oder Produktionsumgebungen sicherlich nur in Ausnahmefällen erreichbar sein, insbesondere auch aufgrund der regulatorischen Vorgaben.

Wenn man sich bereits jetzt Gedanken über den nächsten WLAN-Standard macht, sollte man sich überlegen, ob es überhaupt einen realistischen Bedarf in dieser Größenordnung gibt. Für die meisten Kunden gilt, dass im Büroumfeld der tatsächliche Datenratenbedarf selbst bei IEEE 802.11ac noch nicht ausgereizt wird. In Einzelfällen kann dieser natürlich von Interesse sein, sodass hier ein ernster Mehrwert mit Wi-Fi 7 zu sehen ist. Im üblichen Zeitrahmen von wenigen Jahren bis zum nächsten Hardware-Austausch spielt Wi-Fi 7 jedoch meist keine Rolle. Bei längerfristigen Betrachtungen, z.B. in Bezug auf die Verkabelung eines Neubaus, ist ebenfalls zu erwarten, dass eine Planung, welche Wi-Fi 6 berücksichtigt, bei Nutzung von Wi-Fi-7-Hardware in Zukunft eine höhere Datenrate bietet.

Technische Details

Bevor wir also final beurteilen können, ob Wi-Fi 7 für ein bestimmtes Projekt oder einen Kunden eine Rolle spielt, müssen wir die konkreten technischen Details des Standards kennen. Diese stehen aktuell nur teilweise fest, da der Standard bisher lediglich ein Entwurf ist.

Trotzdem lassen sich schon einige Rahmenbedingungen feststellen, welche Grundlage des neuen Standards sind.

Die maximal unterstützte Bandbreite wird auf 320 MHz erhöht, was folglich auch die beworbene Bruttodatenrate steigert. In der Praxis haben wir ja bereits in der Vergangenheit gesehen, dass diese nicht unbedingt nutzbar ist. Um eine ausreichende Anzahl überlappungsfreier Kanäle zur Verfügung zu haben und aufgrund des im Vergleich geringen verfügbaren Spektrums, beschränken wir die Kanalbandbreite meist schon jetzt deutlich.

Darüber hinaus wird die maximale Kodierung von 1024-QAM bei IEEE 802.11ax nun auf 4096-QAM (auch 4k-QAM) erhöht. Das führt insgesamt natürlich dazu, dass sich die theoretisch erreichbare Bruttodatenrate verbessert. Um diese zu erreichen, ist eine entsprechend gute Signalqualität notwendig. Diese Werte werden flächendeckend in den meisten Installationen wohl weniger zu erlangen sein.

Weitere Änderungen umfassen eine Erhöhung der Anzahl möglicher Spatial Streams auf 16, sofern die Komponenten eine ausreichende Anzahl an Antennen aufweisen, und eine flexiblere Kombinationsmöglichkeit der Ressource Units bei OFDMA (Multiple RU per User), wie es bei Wi-Fi 6 eingesetzt wird.

Abbildung 1: Schema Multi-AP-Verbindung

Ein besonderer Fokus liegt darauf, dass WLAN-APs besser miteinander arbeiten. Der Standard bietet die Möglichkeit, dass mehrere APs dasselbe Endgerät mit Daten versorgen. Dies kann, wie in Abbildung 1 dargestellt, gleichzeitig geschehen. Ein Endgerät kann mehrere Links zeitgleich aufrechterhalten, um die verfügbare Datenrate zu erhöhen. Dies passiert beispielsweise über die Funkmodule für die unterschiedlichen Frequenzbänder. Es wird also möglich, gleichzeitig 2,4 GHz, 5 GHz und 6 GHz zu verwenden.

Ist es denn nun sinnvoll, Wi-Fi 7 jetzt schon zu berücksichtigen?

Ob man WiFi 7 schon jetzt in einer Planung oder insbesondere in einem Konzept berücksichtigt, ist sicherlich eine Frage der Anforderungen, die man an das WLAN stellt. Wie bei bisherigen WLAN-Erneuerungen kann man mit einer heute üblichen Planung und der Berücksichtigung einer gewissen Marge bei der Signalstärke eine für Wi-Fi 7 plausible Planung umsetzen.

Ein technisch sinnvolles Konzept für IEEE 802.11ax (Wi-Fi 6) wird einer späteren Wi-Fi-7-Implementierung nicht entgegenstehen. Unterschiede werden sich in Zukunft vor allem in Bezug auf Umgebungen und Anwendungen mit besonders hohen Anforderungen ergeben. Grundsätzlich muss man sich jedoch fragen, ob die technischen Parameter zur Bereitstellung der sehr hohen Datenraten überhaupt erfüllbar sind. Dies betrifft die mögliche Kanalbandbreite, Signalstärke, Anzahl verbauter Antennen etc. Man sollte also nicht glauben, dass in einem realistischen Szenario demnächst mehr als 30 Gbit/s am Endgerät über WLAN verfügbar sein werden.

Allerdings ist klar, dass genaue Planungsparameter derzeit ohnehin nicht festlegbar sind, da auch der Standard noch nicht feststeht und es keine Erfahrung hierzu gibt.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine funktionierende Planung des WLANs gemäß IEEE 802.11ax im 2,4-, 5- und 6-GHz-Band auch ein WLAN gemäß IEEE 802.11be ermöglicht. Dies gilt unter anderem aufgrund der geplanten Abwärtskompatibilität. Jedoch kann nur sehr bedingt eine Aussage zur tatsächlichen Qualität und Performance des Wi-Fi-7-WLANs gemacht werden. Eine aktuelle Planung lässt sich somit nicht bezüglich der bereitgestellten Datenrate beurteilen.

Wir werden in Zukunft erst einmal beobachten müssen, wie sich der Standard entwickelt und wann hier erste ernstzunehmende Produkte im Enterprise-Umfeld erscheinen. Es wird sicherlich noch einige Zeit dauern, bis Wi-Fi 7 für die meisten unserer Kunden relevant wird.

Verweise und Quellen:

[1]  Simon Lüthje, „Wi-Fi 7: Qualcomm stellt erste Systeme mit neuem 802.11be-Standard vor“, https://basic-tutorials.de/news/wi-fi-7-qualcomm-stellt-erste-systeme-mit-neuem-802-11be-standard-vor/, abgerufen am 23.08.2022

[2] Qualcomm, WiFi 7, Produktseite https://www.qualcomm.com/products/features/wi-fi-7

[3] Mediatek, Pressmitteilung, https://corp.mediatek.com/news-events/press-releases/mediatek-shows-the-worlds-first-live-demos-of-wi-fi-7-technology-to-customers-and-industry-leaders

[4] Evgeny Khorov; Ilya Levitsky; Ian F. Akyildiz, “Current Status and Directions of IEEE 802.11be, the Future Wi-Fi 7”, IEEE Access (Volume: 8), https://ieeexplore.ieee.org/document/9090146, 08. Mai 2020

Wireless LAN – WLAN: Planung, Aufbau und Betrieb
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