Analyse der Ergebnisse der Breitbandmessung-App

08.08.2023 / Frederik Stückemann

In der Mobilfunkmesswoche NRW wurde die Breitbandmessung-App genutzt, um Funklöcher zu finden und die Verfügbarkeit des vorhandenen Netzes zu dokumentieren. Innerhalb dieser Zeit wurden etwa 10 Mio. Messpunkte erzeugt. Jedoch kann keine Aussage darüber getroffen werden, wie präzise die Ergebnisse der App sind. Um dies herauszufinden, haben wir mithilfe unseres professionellen Equipments des Herstellers Rohde & Schwarz einen Vergleich angestellt.

Mein Kollege David Feuser hat in seinem letzten Blog-Beitrag die Breitbandmessung-App im Zuge der ersten Mobilfunkmesswoche in NRW entlang seines Arbeitsweges mitlaufen lassen. Die Ergebnisse fielen besser aus als erwartet, daher wollten wir uns das einmal genauer anschauen. Somit bezieht sich dieser Artikel auf besagten Blog-Beitrag.

Wir beide fahren den Weg fast täglich zur Arbeit und beim Musikhören über den präferierten Streaming-Dienst merken wir, dass auf Teilen der Strecke zwischen Aachen und der A44 oft Stille herrscht, falls die Musik nicht vorab heruntergeladen wurde. Eine funktionierende Datenübertragung ist somit in der Praxis nicht bzw. nur mit sehr geringen Datenraten möglich. Zudem fällt auf, dass das Smartphone Nähe der Abfahrt Lichtenbusch des Öfteren in das belgische Netz wechselt, da dieses dort durch Roaming präferiert wird.

Abbildung 1: Karte der Breitbandmessung für das Telekom-Netz (Breitbandmessung, 2023)

Und das ist ein Punkt, den man an dem Messverfahren der Funkloch-App kritisieren könnte. Die reine Verbindung zu einem Mobilfunknetz sagt nichts darüber aus, ob diese letztlich auch produktiv nutzbar ist. Steht auf dem Handy 5G, heißt das bei Weitem nicht, dass uneingeschränkt hohe Datenraten und niedrige Latenzen erreicht werden können. Die Technologie sagt erst mal aus, was theoretisch maximal möglich ist. Jedoch ist auf der anderen Seite die App darauf ausgelegt, Funklöcher zu finden, was sie dementsprechend auch umsetzt.

Das überraschende Messergebnis der Funkloch-App hat unsere Neugierde geweckt und dazu geführt, eine Vergleichsmessung mit unserem professionellen Messequipment von Rohde & Schwarz durchzuführen, um die gemessenen Werte miteinander zu vergleichen. Zum Einsatz kam der geeichte passive Scanner TSMA6B.

Abbildung 2: Breitbandmessung-Ergebnisse eines Messpunktes auf der Strecke

Für das bessere Verständnis der folgenden Messungen vorab ein wenig Theorie: Grundsätzlich müssen für eine Mobilfunkmessung die empfangene Leistung (RSRP bei LTE und SS-RSRP bei 5G) und der Signal-zu-Interferenzen-und-Rauschabstand (SINR bei LTE und SS-SINR bei 5G) gemessen werden. Wenn man noch weiter ins Detail gehen möchte, so ist auch die Reference Signal Received Quality (RSRQ bzw SS-RSRQ) zu betrachten, jedoch reichen die ersten beiden Werte aus, um einen guten Eindruck über die Nutzbarkeit des Signals zu erhalten. Anhand dieser Informationen ist es möglich grob abzuschätzen, wie „gut“ oder „schlecht“ das Mobilfunknetz am Messort funktioniert. Um praxisnäher zu sein, müsste eine aktive Messung mindestens anhand eines Pings, besser noch anhand einer durchgängigen Datenübertragung, gemessen werden. Um einen möglichst realistischen Vergleich zwischen der Mess-App und der professionellen Messung zu erreichen, werden jedoch nur die bereits genannten Werte betrachtet. Als Grenzwert für den RSRP-Wert wird -105 dBm und ein SINR von maximal 5 dB angenommen, da dies der Erfahrung nach eine ungefähre Grenze

darstellt, bis zu der eine vom Smartphone noch gut nutzbare Verbindung aufrechterhalten werden kann. Sollten die Werte darunter liegen, bedeutet das nicht, dass der Mobilfunk nicht mehr genutzt werden kann, jedoch wird die Nutzererfahrung (auch als „Quality of Experience“ (QoE) bezeichnet) immer schlechter. Die Bundesnetzagentur nutzt für die minimale RSRP leicht andere Werte. Diese besagt, dass ein Mindestpegel von -109 dBm vorhanden sein muss (Bundesnetzagentur, 2021).

Für die Messung wurde der Scanner so konfiguriert, dass dieser alle gängigen Frequenzbänder für 2G, 4G und 5G misst. Die Antennen vom TSMA6B wurden per Magnet auf einem Autodach montiert, um eine möglichst gute Signalstärke und -qualität zu messen. Dies steht erst mal im Konflikt mit der vorigen Messung per App, da diese aus einem geschlossenen Fahrzeug durchgeführt wurde. Zudem ist die Antenne des Messgerätes besser als die eines Smartphones, was einen direkten Vergleich zusätzlich erschwert.

Abbildung 3: Von David Feuser durchgeführte Messung mit der Breitbandmessung-App

Aus der Erfahrung heraus sind die Messwerte vom TSMA6B im Vergleich zum Smartphone etwa 3 dB besser. Laut einer Messung der LS telcom aus England (Friedner, 2017) ist der Unterschied zwischen Autodach und Mittelkonsole eines Autos etwa -10 dB, je nach Frequenz und Fahrzeug etwas abweichend. Somit wird der Einfachheit halber für den Vergleich eine Differenz von 13 dB zwischen TSMA6B und Smartphone angenommen.

Ergebnisse der Breitbandmessung-App

Bevor ich auf die Messung mit dem TSMA6B und auf den Vergleich der Messung meines Kollegen  Feuser eingehe, soll vorab eine Übersicht darüber gegeben werden, was in der Karte der Breitbandmessung über die betrachtete Strecke ausgesagt wird.

Laut der Karte ist auf der gesamten Strecke für das Telekom-Netz 4G verfügbar. Teilweise sind Bereiche mit 5G erkennbar. Das verwundert insoweit, da die persönliche Erfahrung eindeutig einen anderen Eindruck vermittelt.

Pink entspricht einer Versorgung mit 4G, orange 5G und blau 2G. Grün entspricht einem Funkloch. Die weißen Flecken sind nicht gemessene Orte. Die Färbung der Hexagone orientiert sich anhand der am häufigsten gemessenen Technologie (siehe Abbildung 1).

Für weitere Details kann jedes der Hexagone angeklickt werden um zu schauen, welche Ergebnisse mit welcher Häufigkeit auftreten

. In diesem Fall wurde ein Hexagon Nähe der Abfahrt Lichtenbusch gewählt. In den letzten 12 Monaten hat lediglich ein Endgerät gemeldet, dass kein Empfang verfügbar ist. Die restlichen Endgeräte teilen sich auf die unterschiedlichen Technologien auf. Die Anzahl der 5G-Messpunkte ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da viele Endgeräte nicht 5G-fähig sind bzw. viele Nutzer noch keinen 5G-fähigen Vertrag besitzen. Dementsprechend ist es möglich, dass dieser Wert in der Theorie höher ausfallen müsste als in der Praxis festgestellt. Abschließend ist zu sagen, dass nicht zwischen 5G Non-Standalone (5G NSA mit Dynamic Spectrum Sharing) und 5G Standalone (5G SA) unterschieden wird (siehe Abbildung 2).

Die Messung meines Kollegen Feuser zeigt insgesamt 128 Messpunkte, die zu 100 % 5G zugeordnet werden. Laut der App ist somit auf der gesamten Strecke 5G verfügbar (siehe Abbildung 3).

Abbildung 5: Messung Telekom 5G – SS-SINR

Messung mit dem professionellen Equipment

Um die Erkenntnisse mit der Praxis vergleichen zu können, betrachten wir die professionelle Messung. Vorab als Vergleich: Die Mess-App hat 128 Messpunkte aufgenommen. Der Scanner hat über dieselbe Strecke 457 Messpunkte aufgezeichnet. Dies entspricht einer Verbesserung der Auflösung um den Faktor 3,5. Das klingt im ersten Moment nicht unbedingt eindrucksvoll, jedoch wird während der Messung nicht nur das 700 MHz-Band (n28) der Telekom erfasst, das vom Smartphone aufgezeichnet wurde, sondern alle in Deutschland genutzten Frequenzbänder (aktuell 4 Bänder: n1 – 2100 MHz, n3 – 1800 MHz, n28 – 700 MHz und n78 – 3500 MHz) über alle 3 Provider hinweg.

Kommen wir nun zu der eigentlichen Messung. Der TSMA6B hat gezeigt, dass eine 5G-Versorgung im Frequenzband n28 (700 MHz) auf der Strecke grundsätzlich vorhanden ist, diese jedoch meist mit -90 dBm SS-RSRP und weniger gemessen wurde. Wird dies nun um die vorab festgelegten 13 dB reduziert, ergibt sich eine Empfangsleistung von etwa -103 dBm, was sehr nahe an der von uns gesetzten Grenze ist. Aufgrund verschiedener Effekte der Wellenausbreitung kann dies speziell bei der Fahrt stark variieren und führt somit auch zu Signalstärken von -105 dBm und weniger (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Messung Telekom 5G – SS-RSRP

Wird nun das SS-SINR betrachtet, so ergibt sich ein durchwachsenes Bild. An den Stellen, die als Signal ein Rauschverhältnis unterhalb von -5 dB aufweisen, ist auch die Empfangsleistung unterhalb von -110 dBm. Praktisch nutzbar sind diese Bereiche für ein Smartphone nicht mehr. An anderen Stellen sind SS-SINR-Werte von 10 dB und mehr messbar, was ein sehr guter Wert ist (siehe Abbildung 5).

Betrachten wir nun die 4G-Versorgung der Telekom: Im Band B20 (900 MHz) sehen wir, dass auch diese nur selten über -90 dBm gemessen wurde. Abzüglich der vorab gesetzten 13 dBm landen wir bei -103 dBm und weniger. Im Vergleich zum 5G-Netz ist 4G teils schwächer und teils stärker vertreten. Auch hierbei muss man anmerken, dass ein RSRP dieser Größenordnung nah an der Grenze des realistisch Nutzbaren liegt. Das Smartphone wird sich mit dem Netzwerk verbinden können, die Datenrate wird jedoch enttäuschend sein (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6: Messung Telekom LTE RSRP

Fazit

Was ist abschließend zu der App zu sagen? Die Idee der App ist grundsätzlich sehr gut, da mithilfe der Endanwender, die mit der Thematik Mobilfunk nicht im Detail vertraut sein müssen, die Problemzonen des Mobilfunks aufgezeichnet und nachgewiesen werden können. Diese Informationen können von den Mobilfunkkoordinatoren der Bundesnetzagentur genutzt werden, um graue und weiße Flecken zu identifizieren und die betroffenen Provider darauf hinweisen. Jedoch ist das reine „Vorhandensein“ des Mobilfunks keineswegs ein Garant dafür, dass das Netz gut nutzbar ist. Somit können die Ergebnisse aus der App eine falsche Erwartung bei dem Endkunden wecken. Daher sind die professionellen Messungen (passiv und aktiv) empfehlenswert, wenn nicht sogar notwendig, um Schwachstellen im Netz detailliert nachweisen zu können. Die App unterstützt jedoch dabei, die schwach versorgten Bereiche ausfindig zu machen.

Was müsste man also besser machen? Theoretisch müsste eine aktive Messung stattfinden, die den einzelnen Hexagonen auf der Karte zugeordnet wird. Aufgrund der in Deutschland noch so „beliebten“ Tarife mit begrenztem High-Speed-Volumen ist eine aktive Messung jedoch eher schwierig umzusetzen, denn die paar GB, die pro Monat verfügbar sind, möchte man sicherlich sinnvoller einsetzen.

Literaturverzeichnis

Breitbandmessung. (kein Datum). Von https://breitbandmessung.de/kartenansicht-funkloch abgerufen

Bundesnetzagentur. (4 2021). Von https://gigabitgrundbuch.bund.de/GIGA/DE/MobilfunkMonitoring/Downloads/Parametervorgabe.pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=3 abgerufen

Friedner, S. (08. 11 2017). In-car Mobile Signal Attenuation. Von https://www.ofcom.org.uk/__data/assets/pdf_file/0019/108127/in-car-mobile-signal-attenuation-report.pdf abgerufen

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25.06.-26.06.2024 in Bonn | online

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01.07.2024 online

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